Mehr als eine Million Unternehmen in Deutschland liefern allmonatlich Zahlungsinformationen aus ihrer Debitorenbuchhaltung an Creditreform. Damit können 1.160 Branchen bewertet werden – ein Gesamtbelegvolumen von 79 Mrd. Euro steht für die Analyse zur Verfügung.
So wird in halbjährigem Turnus Auskunft darüber gegeben, wie viel Zeit sich Deutschlands Unternehmen im B2B Geschäft nehmen, wenn es um den Ausgleich der fälligen Forderungen geht. Bisher war die Zahlungsmoral intakt gewesen, im dritten Jahr der Krise jedoch zeigen sich erste Verwerfungen. Das Zahlungsverhalten ist im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem zweiten Halbjahr des Vorjahrs schlechter geworden.
Liquidität schonen
Die Auswertung von Januar bis Juni 2022 ergab eine durchschnittliche Vorzugsdauer von 10,51 Tagen – im zweiten Halbjahr 2021 lag dieser Zeitraum noch bei 9,97 Tagen und im ersten Halbjahr 2021 waren es 10,23 Tage. Ein näherer Blick auf die Wirtschaftsbereiche zeigt eine Verbesserung nur bei den unternehmensnahen Dienstleistern um 0,37 Tage und im Bereich der Grundstoffindustrie mit minus 0,27 Tagen. Es sind vor allem zwei rohstoff- und energienahe Sektoren, die Anstiege beim Zahlungsverzug aufweisen. So legten Chemieunternehmen um 1,58 Tage gegenüber dem zweiten Halbjahr 2021 zu, bei den Metall- und Elektrounternehmen wartete man mit dem Begleichen der Rechnung um fast einen ganzen Tag länger (plus 0,98 Tage). Nach wie vor sieht der Bau am schlechtesten aus, wenn es um den Zahlungsverzug geht. Hier beträgt die Verzugsdauer 15,10 Tage – in der zweiten Hälfte 2021 waren es noch 14,54 Tage gewesen.
Aber nicht nur der Verzug ist für die Zahlungsweise relevant. Wichtig ist es auch, die Zahlungsziele im Auge zu behalten. Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind von besonderer Bedeutung für die Zahlungsziele. So wundert es nicht, dass bei der Zuspitzung der aktuellen Krisen von Corona über den Krieg in der Ukraine bis zur Inflation und den steigenden Zinsen die Unternehmen ihre Zahlungsziele verkürzt haben. Man ist stärker auf schnelle Liquidität angewiesen und man fürchtet insgesamt höhere Forderungsausfälle. Tatsächlich sind die Zahlungsziele deutlich verkürzt worden. Waren es im zweiten Halbjahr 2021 noch 30,71 Tage, die man seinen Abnehmern und Kunden für die Forderungsbegleichung zugestand, so sind es aktuell nur noch 29,80 Tage. Nur die Dienstleister sowie die Bereiche Grundstoffe und Chemie blieben von einer Verkürzung ihrer Zahlungsziele verschont, allen anderen Wirtschaftsbereichen wurde aufgegeben, schneller zu bezahlen. Führend waren dabei der Einzelhandel mit einem Minus von 2,80 Tagen, das Metall- und Elektrogewerbe mit gut einem Tag weniger und schließlich der Logistikbereich mit einem Minus von 0,81 Tagen beim durchschnittlichen Zahlungsziel.
Laufzeiten kürzer
Die Addition von Zahlungsziel und Zahlungsverzug ergibt die Forderungslaufzeit. Insgesamt sind die Forderungslaufzeiten zurückgegangen. Sie fielen um 0,37 Tage auf 40,31 Tage am aktuellen Rand gegenüber 40,68 Tagen im zweiten Halbjahr 2021. Damit zeigt sich, dass der Zahlungsverzug zunahm, weil die Zahlungsziele verkürzt wurden. Die Betriebe sind angesichts engerer Spielräume bei der Liquidität auf der Kreditorenseite geneigt, auf kürzere Zahlungsziele zu pochen, bekommen dann aber als Antwort von ihren Kreditoren einen längeren Verzug zu spüren. Weitere wichtige Zahlen liefert das Debitorenregister Deutschland halbjährlich auf der Basis seines großen und repräsentativen Rechnungsvolumens: Das durchschnittliche Rechnungsvolumen bei den einzelnen geschäftlichen Transaktionen erlaubt Rückschlüsse auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und somit auf die Konjunktur. Dabei geht es nicht nur um ein Indiz für wachsende Umsätze, sondern auch, was aktuell immer wichtiger wird, um einen Fingerzeig für steigende Preise. Sei es, dass sich die Wirtschaft im Frühjahr 2022 erholt gezeigt hatte oder seien es tatsächlich die ersten Auswirkungen der deutlich steigenden Inflation – der durchschnittliche Wert einer verspätet bezahlten Rechnung stieg leicht von 2.102 auf 2.107 Euro in diesem Halbjahr gegenüber dem letzten Halbjahr des Vorjahres. Im ersten Halbjahr 2020 waren die durchschnittlichen Forderungsvolumina geradezu eingebrochen. Der durchschnittliche Wert hatte 2020, im ersten Jahr der Pandemie von 2.188 (1. Halbjahr) auf 1.970 Euro (2. Halbjahr) abgenommen. Jetzt hat er zwar wieder zugenommen, ist aber nicht mehr auf dem Vorkrisenniveau angesiedelt.
Kleine Betriebe werden wieder aktiver
Fast zwei Drittel (60,5 Prozent) des Forderungsvolumens beim Creditreform Debitorenregister werden von größeren Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern erbracht. Rund ein Viertel machen Kleinunternehmen aus. Deren Anteil am gesamten Forderungsvolumen ist zuletzt gestiegen. Der durchschnittliche Wert einer Rechnung lag im zweiten Halbjahr 2021 noch bei 1.211 Euro und liegt nun bei 1.263 Euro. Hier macht sich bemerkbar, dass nach dem Lockdown, der vor allem kleinere Betriebe im Handel und im Dienstleistungsbereich getroffen hat, diese wieder geschäftlich aktiv wurden und im Hinblick auf die zu zahlenden Rechnungen so ein höheres Volumen darstellten. Das macht sich (bisher) aber noch nicht beim Verzug bemerkbar, alle Größenklassen der Unternehmen haben aktuell schlechtere Zahlen beim durchschnittlichen Zahlungsverzug aufzuweisen.
Die Zuspitzung der Krisensituation in den letzten Monaten hat dafür gesorgt, dass die Unternehmen einen schärferen Blick auf den Zahlungseingang richten. Das ist auch nötig, denn der Verzug wird länger. Die Angst vor dem Zahlungsausfall, sogar vor der Insolvenz des Geschäftspartners, geht um.
[Quelle: Creditreform Zahlungsindikator Deutschland]