Nachdem die Zentralbanken jahrelang das wirtschaftliche Geschick der Industrieländer und vor allem das der Finanzmärkte gelenkt haben, ist ihre Aufgabe mehr oder weniger erledigt. Das gilt vor allem für die US-Zentralbank, die nun dem System Liquidität entzieht und nicht mehr zuführt. Diese Trendwende hat die Märkte geschwächt, die zehn Jahre lang von einer Geldschwemme profitierten. Das ist für die Anleger von großer Bedeutung. Der Rückgang der monetären Stützung gibt aber auch zwei anderen Kräften Raum, die bisher unter dem Druck der außergewöhnlichen Geldpolitik standen: dem Wirtschaftszyklus und der Politik.
Was den Zyklus betrifft, so haben sich die Märkte momentan beruhigt und erfreuen sich allgemein besserer Konjunkturdaten. Dies ist auch in den Vereinigten Staaten dank der expansionistischen Haushaltspolitik von Präsident Trump der Fall.
Der Zyklus zeigt die ersten Anzeichen einer Abschwächung. Auf politischer Ebene führte in den letzten Jahren die globalisierte liberale Wirtschaft, die einerseits die Finanzakteure immer reicher machte, aber nicht den Arbeitnehmern zugute kam, in den Vereinigten Staaten, Lateinamerika und Europa zum Entstehen einer Art Rebellion gegen die etablierte Wirtschaftsordnung.
Im letzten Jahr haben wir auf die Gefahr hingewiesen, die diese neue politische Phase auf mittlere Sicht für die Anleger darstellt, sei sie auch berechtigt. Diese Kollision zwischen dem monetären-, wirtschaftlichen- und politischen Zyklus stellt heute das Hauptrisiko für die Märkte dar, auch wenn diese kurzfristig nur auf die politische Komponente fokussiert sind.
Kommt es zu einem Handelskrieg?
Die Attacke der Vereinigten Staaten auf die Handelsmacht China, zusammen mit dem Versiegen der weltweiten Dollarquelle, hat schon die ersten Opfer gefordert. Seit Anfang des Jahres hat die chinesische Börse 15 Prozent an Wert verloren und infolgedessen kamen die Finanzwerte der Schwellenländer, vor allem ihre Währungen, unter die Räder. Am stärksten betroffen waren natürlich die Volkswirtschaften, die stark von einer externen Finanzierung in Dollar abhängig sind, an vorderster Stelle Argentinien. Die stetigen-, wenn auch noch schwachen Reformfortschritte wurden von einem Sturm des Misstrauens der Anleger hinweggefegt.
Einflussreiche, ideologischen Strömungen innerhalb der amerikanischen Regierung stellen China als strategischen Feind dar, dessen Dynamik es zu brechen gilt. Möchten die Vereinigten Staaten unter dem Deckmantel eines Zollkonflikts verhindern, dass China seinen strategischen Plan "Made in China 2025" umsetzt? Wenn ja, wird die Konfrontation lange andauern und viele Opfer fordern. Der chinesische Präsident Xi Jinping ist sicherlich nicht geneigt, sein ehrgeiziges Ziel aufzugeben, wonach Chinas Aufstieg in der weltweiten industriellen Wertschöpfungskette weiter vorangehen soll. Die angekündigte Offensive gegen deutsche Automobilimporte ist ebenfalls Teil dieses Plans. Ist es aber tatsächlich so, dass Donald Trump ein homerischer Held ist, den das Schicksal in einen verhängnisvollen Krieg drängt, der am Ende einen der Protagonisten auslöscht?
Das Gegenteil ist plausibel: Amerikas Ziel ist pragmatisch, politisch und sehr viel kurzfristiger. Die Zwischenwahlen zum Kongress der Vereinigten Staaten finden am 6. November statt und stellen für Donald Trump, dessen republikanische Partei nach den Umfragen bislang nicht vorne liegt, sein vorrangiges Ziel dar. Sich vor diesen entscheidenden Wahlen einer Verständigung mit China und möglichst auch mit der Europäischen Union rühmen zu können – und diese Verständigung würde sicherlich als heldenhafter Sieg dargestellt werden –, würde in der amerikanischen Öffentlichkeit die größte Wirkung erzielen.
Eine Anlagestrategie darf daher nicht ausschließen, dass es zu gegebener Zeit zu einem rationalen Ausgang kommt. In diesem Zusammenhang könnte der Dollar etwas an Glanz verlieren. Heute profitiert die Währung noch von einer guten amerikanischen Wirtschaftskonjunktur, einer generellen Risikoaversion und einer weiterhin entschlossen handelnden Zentralbank. Auch wenn das Worst-Case-Szenario in Anbetracht eines rückgängigen Zyklus noch in die Ferne rückt, könnten sich erstklassige Werte von Schwellenländern als überzeugende Anlagen erweisen.
Kurzfristig mahnt die Sorge um Kapitalerhalt in allen Szenarien zu höchster Vorsicht, wenngleich mit der gebotenen Flexibilität und Reaktivität. Es muss ja nicht zum Schlimmsten kommen.
Ist die Eurozone zum Scheitern verdammt?
Die Auflehnung in der Eurozone gegen eine Konstruktion, die als ineffizient, starr, bürokratisch, ungerecht, ja sogar undemokratisch empfunden wird, nimmt zu. Aber es sind eher die Mängel, gegen die sich die wachsende Kritik richtet, als die Sache selbst. Die Panikbewegungen, die die immer mal wieder aufflackernden Pläne eines Eurozonenaustritts begleiten, lassen einen wesentlichen Aspekt außer Acht: Der öffentlichen Meinung ist überall längst bewusst, dass die Rückkehr eines Landes zu seiner ursprünglichen Währung unfinanzierbar wäre.
Sei es zu Recht oder zu Unrecht, der Euro ist heute unumkehrbar, wie auch Mario Draghi vor kurzem äußerte. Die gesamte Europäische Union bedarf jedoch dringend Reformen. Ansonsten bringen wiederholte Erschütterungen das gesamte Gebäude zum Einsturz. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat das verstanden, Kanzlerin Angela Merkel ebenso. Sie könnte also in ihrer letzten Amtszeit an der Spitze Deutschlands diese Bewegung vorantreiben. Auf wirtschaftlicher Ebene könnte sie zum Beispiel mit ihrer Koalition eine gemeinsame Steuerreform auf den Weg bringen und einen Teil der großen Handlungsspielräume der deutschen Wirtschaft nutzen.
Diese Geste der politischen Führung wäre eine glaubhafte Antwort auf einen drohenden wirtschaftlichen Abschwung, der sich bereits bemerkbar macht. Dadurch würde das Land zur europäischen Wachstumslokomotive, statt weiterhin hauptsächlich als strenger Wächter über die Maastricht-Kriterien aufzutreten. Die CSU, die konservative Schwesterpartei der CDU, könnte zweifellos ein Programm der Steuererleichterung unterstützen, wenn sie einmal die Migrationsproblematik hinter sich gelassen hat.
Einer der häufigsten Fehler der angelsächsischen Beobachter ist, dass sie bei jeder europäischen Krise das politische Bestreben unterschätzen, gemeinsam für das Überleben der Eurozone einzutreten. Das eigentliche Risiko ist unserer Auffassung nach kurzfristig das Risiko des Wirtschaftszyklus. Die Unterstützung durch die Geldpolitik läuft aus, und die haushaltspolitische Stabilisierung ist mangels Reformen unzureichend.
Die Bedrohung durch Protektionismus schürt natürlich bei den meisten Wirtschaftsakteuren Ängste. Dies gilt jedoch auch für die Vereinigten Staaten, wo die Geschäftswelt der amerikanischen Regierung die Risiken dieser Politik aufzuzeigen beginnt. Paradoxerweise verstärkt die Tatsache, dass sich diese Politik direkt oder indirekt nur in geringem Maße auf das amerikanische Wirtschaftswachstum auswirkt, das Risiko, dass diese rigide politische Haltung in unmittelbarer Zukunft beibehalten wird. So wird die Lage der Märkte heute im Wesentlichen politisch beeinflusst.
Das führt zu einer geringeren Vorhersehbarkeit und mahnt zur Vorsicht. Die ausgleichenden Kräfte, oder anders gesagt der gesunde Menschenverstand, dürften bzw. dürfte sich durchsetzen und zu guten Kompromissen führen.
Es sei daran erinnert, dass das eigentliche Risiko für die Märkte komplexer, also kurzfristig weniger gefürchtet wird: Es liegt in einer möglichen Kollision zwischen destabilisierenden Wirtschaftspolitiken, einem anfällig gewordenen Wirtschaftszyklus und der Tatsache, dass die Zentralbanken ihre Munition verschossen haben.
Autor:
Didier Saint-Georges, Member of Investment Committee, Managing Director, Carmignac Gestion