Risikolandkarte 2021

Betriebsunterbrechung, Pandemie-Ausbruch und Cyber-Vorfälle


Study

Ein Trio von Covid-19- bezogenen Risiken führt das 10. Allianz Risk Barometer 2021 an – und verdeutlicht jene potenziellen Verluste und Störszenarien, die Unternehmen in Folge der Coronavirus-Pandemie bewältigen müssen. Betriebsunterbrechung (BU) (Platz 1 mit 41% der Antworten) und Pandemie-Ausbruch (Platz 2 mit 40%) sind die diesjährigen Top-Risiken weltweit, dicht gefolgt von Cyber-Vorfällen (Platz 3 mit 40%). In die jährliche Umfrage der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) floss die Einschätzung von 2.769 Experten aus 92 Ländern ein, darunter CEOs, Risikomanager, Makler und Versicherungsexperten.

"Das Allianz Risk Barometer 2021 wird eindeutig von dem Covid-19-Trio dominiert. Betriebsunterbrechung, Pandemie und Cyber sind stark miteinander verknüpft und zeigen die wachsende Verwundbarkeit unserer hochgradig globalisierten und vernetzten Welt auf", sagt Joachim Müller, CEO von AGCS. "Die Coronavirus-Pandemie erinnert uns daran, dass sich das Risikomanagement und das Business Continuity Management weiter entwickeln müssen, damit Unternehmen besser gegen extreme Ereignisse gewappnet sind und diese überstehen können. Während die Pandemie viele Länder auf der ganzen Welt weiterhin fest im Griff hat, müssen wir uns auf häufigere Extremszenarien einstellen – beispielsweise einen globalen Cloud-Ausfall oder Cyberangriff, Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels oder sogar einen weiteren Seuchenausbruch."

Die Covid-19-Krise stellt weiterhin eine unmittelbare Bedrohung für die individuelle Sicherheit und für Unternehmen dar – mit der Konsequenz, dass das Risiko andere Gefahren verdrängt hat und um 15 Positionen auf Platz 2 der Rangliste gestiegen ist. Vor 2021 war es in den zehn Jahren des Allianz Risk Barometers nie höher als auf Platz 16 gelandet, was zeigt, dass es ein deutlich unterschätztes Risiko war. Im Jahr 2021 ist es jedoch in 16 Ländern auf Platz 1 und außerdem unter den drei jeweils größten Risiken auf allen Kontinenten und in 35 der 38 analysierten Länder.

Insolvenzindex dürfte bis Ende 2021 Rekordhoch erreichen

Marktveränderungen (Platz 4 mit 19 %) zählt zu den weiteren Aufsteigern im Ranking. Darin zeigt sich das steigende Insolvenzrisiko infolge der Pandemie. Laut Euler Hermes könnte der größte Teil der zu erwartenden Insolvenzen in der ersten Hälfte des Jahres 2021 eintreten. Der weltweite Insolvenzindex dürfte bis Ende 2021 mit einem Anstieg von 35% ein Rekordhoch erreichen, wobei die höchsten Zuwächse in den USA, Brasilien, China und den europäischen Kernländern erwartet werden. Zudem wird die Corona-Pandemie wahrscheinlich ein Katalysator für Innovation und Disruption sein und den Niedergang etablierter Unternehmen und traditioneller Branchen beschleunigen und neue Wettbewerber hervorbringen.
Makroökonomische Entwicklungen (Platz 8 mit 13 %) und Politische Risiken und Gewalt (Platz 10 mit 11 %) sind ebenfalls im Ranking nach oben geklettert – auch sie stehen in engem Zusammenhang mit dem Coronavirus-Ausbruch. Zu den diesjährigen Absteigern gehören Rechtliche Veränderungen (Platz 5 mit 19%), sowie Naturkatastrophen (Platz 6 mit 17%), Feuer/Explosion (Platz 7 mit 16%) und Klimawandel (Platz 9 mit 13%), die alle deutlich von der Sorge um die Pandemie in den Hintergrund gerückt wurden.

Top-Risiken: Betriebsunterbrechung (BU) und Cyber vorn, Klimawandel auf dem Vormarsch

In Deutschland dominieren BU (Platz 1 mit 50%), Cyber-Vorfälle (48%) und Pandemie-Ausbruch (35%) das Ranking – wobei deutsche Unternehmen das Risiko eines Cyber-Vorfalls (Platz 2) noch größer einschätzen als die Folgen der Pandemie (Platz 3). Auch hier werden Marktentwicklungen gefährlicher eingeschätzt und steigen um einen Platz auf Rang 4 (23%). Neu in den Top-Ten ist – entgegen dem weltweiten Abwärtstrend – das Risiko Klimawandel, das erstmals auf Platz 9 rangiert (12%). Klassische Unternehmensrisiken wie Feuer/Explosion und Naturkatastrophen sorgen deutsche Unternehmen aktuell weniger.
Pandemie treibt Betriebsstörung an

BU-Risiken standen bereits sieben Mal an der Spitze des Allianz Risiko Barometers, und sie kehren nun auf Platz 1 zurück, nachdem sie im Jahr 2020 von Cyber-Vorfällen abgelöst worden waren. Die Pandemie zeigt, dass extreme BU-Ereignisse globalen Ausmaßes nicht nur theoretisch, sondern eine reale Bedrohung sind, die zu massiven Umsatzverlusten und Unterbrechungen von Produktion, Betrieb und Lieferketten führen kann. 59% der Befragten nennen die Pandemie als Hauptursache für BU im Jahr 2021, gefolgt von Cyber-Vorfällen (46%) sowie Naturkatastrophen und Feuer/Explosion (jeweils rund 30%).

Die Pandemie reiht sich damit in die wachsende Liste der BU-Szenarien ohne voran gegangenen Sachschaden wie Cyber oder Stromausfälle ein. "Die Folgen der Pandemie – eine breitere Digitalisierung, mehr Arbeit von zu Hause und die wachsende Abhängigkeit von Technologie in Unternehmen und Gesellschaft – werden die Betriebsunterbrechungsrisiken künftig wahrscheinlich erhöhen", erklärt Jürgen Wiemann, Regionaler Leiter der Sachversicherung bei der AGCS in Zentral- und Osteuropa. "Traditionelle physische Risiken werden jedoch nicht verschwinden und müssen auf der Risikomanagement-Agenda bleiben. Naturkatastrophen, extremes Wetter oder Feuer bleiben für viele Branchen die Hauptursachen für BU, und wir sehen weiterhin einen Trend zu schweren Schäden."

Als Reaktion auf die erhöhte BU-Anfälligkeit sind viele Unternehmen bestrebt, ihre Betriebsabläufe widerstandsfähiger zu machen und ihre Lieferketten robuster zu gestalten. Laut den Befragten des Allianz Risk Barometers ist die Verbesserung des Business Continuity Managements die wichtigste Maßnahme, die Unternehmen ergreifen  wollen (62%), gefolgt von der Entwicklung alternativer oder mehrerer Lieferanten (45%), Investitionen in digitale Lieferketten (32%) und einer verbesserten Lieferantenauswahl und -prüfung (31%). Laut AGCS-Experten mussten viele Unternehmen durch das Tempo der Pandemie Anpassungen bei ihren Krisenplänen vornehmen. "Die Business-Continuity-Planung sollte ganzheitlich, funktionsübergreifend und dynamisch sein. Sie muss zudem unterschiedliche Szenarien berücksichtigen, die laufend aktualisiert und getestet werden sollten", betont Hans-Jörg Mauthe, Regional Managing Director für die AGCS in Zentral- und Osteuropa.

Cyber-Gefahren verschärfen sich

Cyber-Vorfälle sind im weltweiten Ranking zwar auf Platz 3 zurückgefallen, bleiben aber eine der Hauptgefahren mit prozentual mehr Antworten als im Jahr 2020 und rangieren immer noch als Top-3-Risiko in vielen Ländern, einschließlich Deutschland (Platz 2). Auch die durch die Pandemie getriebene Beschleunigung hin zu mehr Digitalisierung und Home-Office verschärft die IT-Schwachstellen weiter. Covid-19-bezogende Malware- und Ransomware-Vorfälle haben während des Lockdowns im Frühling stark zugenommen (Quellen: FBI, Interpol), während Cyberkriminalität mittlerweile die Weltwirtschaft mehr als eine Billion US-Dollar kostet. Die ohnehin schon häufigen Ransomware-Angriffe nehmen weiter zu und nehmen mit hohen Erpressungsforderungen zunehmend Großunternehmen ins Visier, wie der aktuelle AGCS-Bericht zu Cyber-Risikotrends zeigt.
"Covid-19 hat gezeigt, wie schnell sich Cyberkriminelle anpassen können. Der Digitalisierungsschub durch die Pandemie hat neue Möglichkeiten für Angriffe geschaffen. Es entwickeln sich ständig neue Cyber-Schadensszenarien", sagt Catharina Richter, globale Leiterin des Allianz Cyber Center of Competence bei der AGCS. "Die Angreifer sind innovativ und nutzen automatisiertes Scannen, um Sicherheitslücken zu erkennen, greifen schlecht gesicherte Router an oder bedienen sich so genannter 'Deepfakes', also Medieninhalten, die mit künstlicher Intelligenz manipuliert sind. Gleichzeitig nehmen die Regulierung des Datenschutzes sowie Bußgelder und Strafen im Falle von Datenschutzverletzungen weiter zu."

Most important Global Business Risks for 2021

Auf- und Absteiger im Risiko-Ranking

Makroökonomische Entwicklungen steigen auf Platz 8 und Politische Risiken und Gewalt (Platz 10) kehren zum ersten Mal seit 2018 in die Top 10 zurück. Letztere manifestieren sich derzeit vor allem durch zivile Unruhen, Proteste und Krawalle – und weniger durch Terrorismus. Die Zahl, das Ausmaß und die Dauer vieler ziviler Unruhen in jüngster Zeit – darunter die Black-Lives-Matter-Bewegung, Anti-Lockdown-Demonstrationen und die jüngsten Krawalle rund um die US-Präsidentschaftswahlen – waren außergewöhnlich. Aufgrund der sozioökonomischen Auswirkungen von Covid-19 ist mit weiteren Protestbewegungen in vielen Ländern zu rechnen, die auch für Unternehmen oftmals mit Sachschäden oder Umsatzverlusten einhergehen.

Rechtliche Veränderungen sinken im Vergleich zum Vorjahr von Platz 3 auf Platz 5. Die Pandemie mag den regulatorischen Zug etwas verlangsamt haben, aber sie hat ihn nicht aufgehalten oder gar entgleisen lassen. "Ganz im Gegenteil, 2021 verspricht ein sehr arbeitsreiches Jahr in Bezug auf neue Gesetze und Regulierungen zu werden, insbesondere in den Bereichen Daten und Nachhaltigkeit", prognostiziert Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. Naturkatastrophen fallen von Platz 4 auf Platz 6. Zwar verursachten zahlreichen lokale Elementarereignisse wie Waldbrände oder Tornados immer noch weitreichende Verwüstungen und beträchtliche versicherte Schäden, aber das Jahr 2020 war auch das dritte Jahr in Folge ohne eine einzelne verheerende Naturkatastrophe wie Hurrikan Harvey im Jahr 2017.

Klimawandel fällt im weltweiten Ranking auf Platz 9. Im Ranking für Deutschland steigt das Risiko um zwei Plätze und rangiert jetzt ebenfalls auf diesem Platz. Die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen, bleibt so hoch wie eh und je – 2020 war eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. "Mit der Umsetzung der Impfprogramme wird die Pandemie beherrschbarer werden, und der Klimawandel wird im Jahr 2021 wieder als Priorität auf der Agenda des Managements stehen", sagt Michael Bruch, globaler Leiter für ESG-Themen bei AGCS. "Viele Unternehmen müssen ihr Geschäft auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft hin neu ausrichten – und Risikomanager sollten diesen Wandel an vorderster Stelle mit begleiten."

[ Source of cover photo: Adobe Stock.com / Inna ]
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