Im ersten Teil dieses dreiteiligen Beitrags standen die Problemstellung und Anmerkungen zu Controlling und Risikomanagement im Vordergrund. Der zweite Teil zeigt Anwendungsbeispiele von Controlling- und Risikomanagement-Instrumenten. Der dritte Teil skizziert zwei Fallbeispiele aus der Controlling- und Risikomanagement-Praxis hinsichtlich der Integration des Heizungsgesetzes (Anschluss an die Fernwärme sowie Umstellung auf Wärmepumpen).
Nach dem Gebäudeenergiegesetz müssen neu eingebaute Heizungen ab 2024 einen Anteil von mindestens 65 Prozent regenerativer Energien vorweisen. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Anschluss an ein (Fern)-Wärmenetz,
- eine Wärmepumpe,
- eine Stromdirektheizung,
- eine Hybrid-Heizung (beispielsweise Kombination von erneuerbaren Energien mir Gas) oder
- Solarthermie.
Unter bestimmten Bedingungen dürfen zudem auch weiterhin Gasheizungen eingebaut werden, sofern diese zu mindestens 65 Prozent mit Biogas betrieben werden oder auf Wasserstoff umrüstbar sind ("H2-ready").
Heizungseinbauten in Bestandsgebäude können zudem auch in Form von Biomasseheizungen – beispielsweise Holzhackschnitzel- oder Pelletheizungen – erfolgen. Darüber hinaus existieren im Bestandsbereich Übergangsfristen bis 2028. Nach dem Wärmegesetz sind bis dahin auch Kommunen unter 100.000 Einwohnern angewiesen, Pläne vorzulegen, wann und wo Fernwärme-, Gas-, Biogas- oder Wasserstoff-Netze aufgebaut werden oder eben nicht.
Während viele Unternehmen versuchen werden, sich an vorhandene Fernheizungsnetze anzuschließen, muss im nachfolgenden Beispiel 1 die Stadtbau Dachau GmbH auf Überlegungen zur Wärmepumpe zurückgreifen. Es gibt am Standort kein Fernwärmenetz.
Unternehmen 1 (1.300 Wohn- + Gewerbe-Einheiten) ohne Möglichkeit zum Fernwärmeanschluss:
Die Stadtbau Dachau GmbH hat zunächst pro Wohnanlage über die Anzahl der Wohnungen die Anzahl der Heizkörper ermittelt. Neben der m²-Wohnfläche sind die Heizungsart, deren Effizienzklasse sowie die aktuellen Verbräuche je m² dokumentiert. In Zusammenarbeit mit einem Heizungsprojektanten erfolgte dann die Kostenschätzung für Wärmepumpen im Geschosswohnungsbau auf Basis der KW Heizleistung.
Bei den Heizkörpern wurden 900,00 € pro Stück unterstellt, die Kostenermittlung für Wärmepumpen ergab 1.900,00 € pro KW, die Summe aus beiden wurde mit 20% Planungskosten beaufschlagt sowie ein hydraulischer Abgleich mit 300,00 € pro Wohnung hinzuaddiert.
Abb. 01: Fallbeispiel 1 ohne Möglichkeit zum Fernwärmeanschluss
Die Daten wurden nach bautechnischen, finanziellen sowie zeitlichen Gesichtspunkten in das INVEST-Tool eingegeben.
Abb. 02: Eingabe der Daten nach bautechnischen, finanziellen sowie zeitlichen Gesichtspunkten
Zusammen mit den anderen geplanten Investitionsmaßnahmen und den damit in Verbindung stehenden Afa-Perioden, Bestandsdatenänderungen (Wohnungen, Gewerbeeinheiten, Flächen), Mietänderungen sowie BK / HK – Änderungen fließen die Daten des INVEST-Tools in die Basis-Planung ein.
Oben genannte Kosten wurden als Instandhaltungskosten deklariert, in der Basis-Planung finden sie deshalb innerhalb der Position Aufwendungen für Hausbewirtschaftung in Form von Groß-Instandhaltungskosten Berücksichtigung.
Abb. 04: Aufwendungen Hausbewirtschaftung
Die Aggregation aller Investitionen und Teilpläne führt auf Unternehmensebene dann zu folgenden Finanzplanergebnissen:
Abb. 05: Aggregierte Finanzplanergebnisse
Zusammenfassend zeigt Abb. 06 die Ergebnisse für die Jahre 2038 bis 2052.
Abb. 06: Zusammenfassung der Ergebnisse ab 2038 bis 2052
Unternehmen 2 (1.150 Wohn- + Gewerbe-Einheiten) mit Möglichkeit zum Fernwärmeanschluss:
Unternehmen 2 ist ein großstädtisches Unternehmen. Nachfolgende Tabellen veranschaulichen dessen Maßnahmen und die damit verbundenen Kosten chronologisch. Der Anschluss der Wohnanlage WA 1 an das Fernwärmenetz hat bereits begonnen und wird circa 2026 vollständig fertiggestellt sein.
Die projektierende Ingenieursgesellschaft schätzte auf Basis dieser Kostenberechnungen die Anschlusskosten in den anderen Wohnanlagen für Wohnungen mit und ohne Heizkörper.
Abb. 07: Schätzung der Anschlusskosten
Die Kosten für Maurer / Maler / Fliesenleger bei Wohnungen mit Heizkörpern ist in Abb. 08 zusammengefasst.
Abb. 08: Kosten für Maurer / Maler / Fliesenleger
Für Wohnungen ohne Heizkörper sind 1.000,00 € zusätzlich zu veranschlagen. Die Rohrleitungen werden auf Putz verlegt.
Im Zeitraum zwischen 2026 und 2028 sind anderweitige Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen geplant, so dass weitere Maßnahmen im Hinblick auf die Fernwärme erst 2029 in der WA 4 beginnen können.
Abb. 09: Geplante Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen zwischen 2026 und 2028
Eine Heizzentrale kostet annahmegemäß 100.000,00 €. Insgesamt werden in der WA 4 zwei Heizzentralen benötigt.
Die an Gaswärmezentren (GWZ) angeschlossenen Wohnungen verfügen bereits über Heizkörper. Die Rechnung für die betroffenen 75 Wohnungen ist in Abb. 10 zusammengefasst.
Abb. 10: Kosten für 75 WE (Heizkörper vorhanden)
Die mit Gaseinzelöfen ausgestatteten Wohnungen (14) benötigen Heizkörper. Analoges gilt für die Wohnungen mit Elektronachtspeicheröfen (42) sowie für die mit Kohle bzw. Holz befeuerten (4). Die Berechnung ist in Abb. 11 zusammengefasst.
Abb. 11: Kosten für 60 WE (ohne Heizkörper)
Mit den zwei Heizzentralen addieren sich die Kosten auf 2.131.814,75 €, die mit jährlich 2,0% Preissteigerungsrate bis zum geplanten Realisierungszeitpunkt beaufschlagt werden.
Abb. 13: WA 2
Abb. 14: WA 3
Nachfolgende Abb. 15 zeigt die hier dem Modernisierungsbereich zugeordneten Kosten nach der Einspeisung in das Investitions-Tool.
Abb. 15: Dem Modernisierungsbereich zugeordnete Kosten
Das Unternehmen plant die Anschlusskosten ohne zusätzlichen Fremdmitteleinsatz. In der Basis-Planung wird zwar ab 2032 auf größere Modernisierungs- / Großinstandhaltungsmaßnahmen verzichtet, in den Jahren 2029 bis 2031 ist jedoch aus bautechnischen Gesichtspunkten (WA 4) eine Komplettsanierung sinnvoll, so dass allgemeine Sanierungskosten und nachfolgend genannte Kosten für den Anschluss an die Fernheizung zusammenfallen.
Abb. 16: Kosten für den Anschluss an die Fernheizung
Diese zusätzlichen Kosten können nicht vollständig aus dem operativen Geschäft bestritten werden. In 2030 wird noch ein Überschuss von 374,0 T€ erzielt, in 2031 jedoch schon ein Fehlbetrag i.H.v. 7,1 T€. Insgesamt ist 2030 / 2031 ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf – mit Puffer - i.H.v. ca. 500,0 T€ gegeben.
Abb. 17: Verfügbare Liquidität per 31.12
Ab 2038 bis zum Ende des Planungshorizonts ergibt sich aufgrund der noch nicht geplanten größeren Modernisierungs- / Großinstandhaltungsmaßnahmen ein stetig steigender Überschuss.
Abb. 18: Verfügbare Liquidität per 31.12 (ab 2038)
Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass sich Controlling und Risikomanagement auf dieselben Instrumente stützen. Bestandsgefährdende Risiken können ohne integrierte Planungsinstrumente nicht frühzeitig erkannt, erkannte, aber erst zukünftig relevante Risiken nicht bewertet werden. Da die Unternehmensplanung den Wesenskern des Controlling darstellt, ist Risikomanagement ohne Controlling nicht zu denken!
Im Hinblick auf das Heizungsgesetz bzw. die Klimaneutralität des Wohnungsbestandes ist es vollkommen unerheblich, ob Sie das Ganze aus Unternehmenssteuerungs- oder aus Risikomanagementsicht betrachten. Eine Berücksichtigung erscheint sowohl aus Planungs-, als auch aus Risikogesichtspunkten zwingend notwendig!
Auf kommunale Wärmepläne zu warten, erscheint zudem nicht angebracht zu sein. Sollten die Unternehmensleiter nicht vielmehr auf die Kommunen zugehen und diesen die eigenen Überlegungen darlegen? Wäre es nicht vorteilhafter, den Prozess frühzeitig aktiv mitzugestalten?
Lassen Sie mich mit einem Bild schließen: Das Schiff zu steuern, sich Gedanken zu machen über Strömung, Wind und Wetter auf verschiedenen Routen, sich Gedanken zu machen über Ladung und Kraftstoffverbrauch, über mögliche anzulaufende Versorgungsstützpunkte, über Eisberge und seit Jahren auch wieder über Piraten ... um dann – darauf aufbauend – die genaue Route festzulegen, gehört zu den vordringlichsten Aufgaben des Kapitäns!
Autor:
Dr. Peter Dietrich
ORGA-SENSE GmbH