Mehr Kapital für das Risiko einer Staatspleite

Das Ende der risikolosen Staatsanleihe


Das Ende der risikolosen Staatsanleihe News

Banken sollen die Risiken in ihrem Anlageportfolio zukünftig nicht mehr so leicht schönrechnen können. Um dieses Ziel zu erreichen, denken die Regulierer über die erneute Verschärfung der Regeln zur Kapitalausstattung von Banken nach, wie mehrere Personen mit Kenntnissen des aktuellen Diskussionsstandes berichten. Dabei geraten auch Staatsanleihen in ihr Visier. Sie sollen künftig nicht mehr automatisch als risikolos gewertet werden, Banken müssten dann mehr eigenes Kapital für das Risiko einer Staatspleite vorhalten. 

Über die neuen Regeln wird im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht nachgedacht, der weltweite Standards für die Bankenregulierung setzt. Sollten auch Staatsanleihen künftig mit einem Risikozuschlag versehen werden, könnten die Banken zu weiteren Kapitalerhöhungen im Milliardenumfang gezwungen sein. 

Dem Basler Ausschuss geht es bei seinen Überlegungen darum, den Ermessensspielraum der Banken bei der Bewertung des eigenen Anlageportfolios einzugrenzen, berichten die Informanten. Die Geldhäuser könnten so davon abgehalten werden, bestimmte Forderungen als besonders risikoarm darzustellen. Auf diese Weise konnten sie in der Vergangenheit ihren Eigenkapitalbedarf schönrechnen, denn geringe Risiken erfordern auch nur eine geringe Eigenkapitalhinterlegung. 

Insbesondere Staatsanleihen stehen im Fokus der Regulierer. Diese galten und gelten als sicher gemäß dem Leitsatz: Staaten sind immer solvent. Dass dieser Leitsatz nicht stimmt, zeigt die Pleite Griechenlands während der Finanzkrise. Am Kapitalmarkt fassten Investoren daraufhin auch die Bonds einiger europäischer Staaten nur mit spitzen Fingern an, auch wenn sich die Lage derzeit ziemlich entspannt hat. 

Von den Turbulenzen der Finanzkrise ließen sich die Banken in der Bewertung ihrer Risiken dennoch nicht beirren, und dies trug nicht dazu bei, das Vertrauen zu stärken. Vielen gelten die ausgewiesenen Kapitalquoten nicht als verlässlicher Indikator für die finanzielle Gesundheit der Geldhäuser. 

Die Bewertung der Risiken ist eine Basis zur Messung der Widerstandskraft der Banken gegen Krisen. Forderungen der Institute etwa gegen Kreditnehmer und Anleiheemittenten werden dabei je nach Risiko gewichtet. Je kleiner die risikogewichteten Aktiva sind, desto höher fallen die Kapitalquoten aus. Die Versuchung, sich die Risiken möglichst klein zu rechnen, ist also groß. 

Bei der Bewertung von Staatsanleihen prüft der Basler Ausschuss nun das Ende dieser Politik, diese als risikolos anzusehen, berichten die Informanten. Stattdessen könnte die Gefahr einer Staatspleite der einzelnen Länder ermittelt und dies bei der Bewertung der Papiere berücksichtigt werden. Die Gespräche über eine Änderung der Regeln seien aber noch in einem frühen Stadium. Es könnte auch alles beim Alten bleiben. 

Wahrscheinlicher ist, dass der Basler Ausschuss je nach Anlageklassen bestimmte Untergrenzen für deren Mindestrisiken festsetzen wird. Dies könne Teil eines Vorschlagspakets sein, das im November zu erwarten sei, sagten die Personen, die mit dem Diskussionsstand vertraut sind. 

Die Aussicht auf eine mögliche Verschärfung der Regeln ruft schon jetzt erste Proteste hervor. Der frühere britische Regulierer und jetzige Partner bei der Wirtschaftsberatung EY, Thomas Huertas, warnt, die Einführung von Mindestrisiken für die verschiedenen Aktiva-Klassen werde dazu führen, dass Banken einen höheren Bedarf an Eigenkapital haben werden. 

Unter Bankmanagern und auch Mitgliedern des Basler Ausschusses besteht die Sorge, dass die Geldhäuser dann einen Bogen um risikoarme Wertpapiere machen könnten, wenn diese auf den Stempel "ohne Risiken" verzichten müssen. Das könnte beispielsweise zu einem Problem für Italien werden, wo die Banken des Landes riesige Mengen an Staatsanleihen ihrer Regierung halten. Das ohnehin hochverschuldete Italien müsste dann höhere Zinsen bieten, um noch Käufer für seine Staatsanleihen zu finden. Ein Teufelskreis aus wachsender Verschuldung und steigenden Zinsen könnte die Folge sein. 

Allerdings ist es alles andere als revolutionär, Anleihen gemäß ihrer Risiken einzustufen, einige Regulierer in Europa fordern dies schon heute. So betrachtet die größte Bank Belgiens die Staatsanleihen aus ihrem Heimatland, sowie aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn nicht mehr als risikolos. KBC gab das risikogewichtete Volumen des Portfolios im Mai mit 4,4 Milliarden Euro an. Zuvor hatte die Zentralbank Belgiens das Institut gebeten, die genannten Papiere nicht mehr als risikolos zu betrachten, wie eine Sprecherin der Zentralbank bestätigte. 

Die Branche richtet sich bereits auf die bevorstehende Änderung ein: Gernot Mittendorfer, Finanzchef der Erste Group Bank AG aus Österreich, sagte kürzlich zu Analysten, er rechne in einigen Jahren mit einer Risikogewichtung bei Staatsanleihen. Es werde allerdings eine rege Diskussion darüber geben, wie das funktionieren soll. 

Europas Banken sind - auch dank der laxen Risikobewertung - mit die größten Käufer von Staatsanleihen ihrer Länder. Die Geldhäuser der Eurozone halten Staatsschulden im Umfang von 1,8 Billionen Euro, das sind 6 Prozent ihrer gesamten Aktiva, wie aus Daten der Europäischen Zentralbank hervorgeht. 

Im Basler Ausschuss habe bislang die Hoffnung bestanden, dass die Bedenken der Regulierer bei der Betrachtung der Risiken die Institute zu einem freiwilligen Umschwenken bewegen könnten, sagte ein Informant. Derzeit sei davon weit und breit aber nichts zu sehen. 

[ Source of cover photo: © Daniel Ernst - Fotolia.com ]
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