Börsennotierte Unternehmen stehen unter dem steigenden Druck, kurzfristige Resultate zu liefern. Umso wichtiger ist die Rolle des Aufsichtsrates, sich mit der langfristigen strategischen Entwicklung des Unternehmens zu befassen. In Forschung und Praxis werden daher vermehrt Rufe nach relevanter Expertise im Aufsichtsrat laut, um Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Diese Expertise ist aber nur dann wertvoll, wenn Aufsichtsräte sie auch im Rahmen ihrer Governance einbringen. Patricia Klarner, Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien und Leiterin des Instituts für Organization Design, untersucht, welche Rolle der Aufsichtsrat in langfristigen, aber risikoreichen Innovationsaktivitäten einnimmt.
Als zentrales Kontrollorgan von börsennotierten Unternehmen kommt dem Aufsichtsrat eine bedeutende Rolle in der Unternehmensstrategie zu. Innovationen sind ein zentraler Hebel für langfristiges Unternehmenswachstum, sie sind aber auch risikoreich und mit erheblichen Investitionen verbunden. Welche Rolle kann der Aufsichtsrat bei Innovationen einnehmen? Patricia Klarner beschäftigte sich gemeinsam mit ihren internationalen Koautoren mit dieser Frage. In ihrer Studie über amerikanische und europäische Pharmaunternehmen wurden Aufsichtsratsmitglieder und Mitarbeiter/innen führender Unternehmen interviewt und umfangreiche Sekundärdaten zu den Unternehmen, ihren strategischen Aktivitäten und der Aufsichtsratszusammensetzung analysiert.
Die Rolle der Gatekeeper: Weitergabe von Innovationsexpertise
"Ein zentrales Ergebnis ist, dass Aufsichtsrät/inn/e/n von innovativen Firmen ein spezifisches Design und Verhalten zeigten. Sie bündelten wissenschaftliche Expertise in spezialisierten Aufsichtsrats-Komitees. Mitglieder dieses Komitees haben sich aktiv mit Führungskräften und Mitarbeiter/inne/n, die an Forschungs- und Entwicklungsprojekten arbeiteten, ausgetauscht – um mehr über die laufenden Aktivitäten im Unternehmen zu erfahren, aber auch, um ihre eigene Expertise einzubringen.", so Klarner. "Neben Meetings war vor allem der informelle und spontane Austausch mit Mitarbeiter/inne/n wichtig, um den Ideenaustausch zu fördern". Unterstützt wurde dieser Austausch zwischen Aufsichtsrät/inn/en und der Organisation durch eine starke Innovationskultur im Aufsichtsrat. Aufsichtsrät/inn/en, die sich mit Mitarbeiter/inne/n zu Innovationsaktivitäten austauschten, waren wichtige "Gatekeeper" für den gesamten Aufsichtsrat, denn sie teilten ihre Einblicke mit jenen Kolleg/inn/en, die keine Innovationsexpertise hatten. Der gesamte Aufsichtsrat, ein divers zusammengesetztes Gremium, konzentrierte sich in seinen Sitzungen auf die Diskussion der strategischen Aspekte der breiteren Innovationspipeline.
Einblicke in den langfristig orientierten Aufsichtsrat
Um die langfristige Strategie im Auge zu behalten, benötigen Aufsichtsräte Expertise in strategisch wichtigen Bereichen und müssen diese gezielt im Rahmen ihrer Governance-Funktion einbringen. Die Studie zeigt, dass es neben der Identifikation des erforderten Expertise-Profils für Aufsichtsräte wichtig ist, geeignete Strukturen zu schaffen, um Wissensaustausch zwischen Aufsichtsräten und der Organisation zu ermöglichen. "Hierfür eignen sich spezialisierte oder ad-hoc Aufsichtsrats-Komitees", so Klarner. Ebenso ist es wichtig, die Fähigkeit von Aufsichtsrät/inn/en zur Kommunikation mit unterschiedlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu evaluieren. "Vielfach konzentrieren sich Forderungen von Aktionärsvertreter/inne/n und Regulierungsbehörden auf die Offenlegung der Expertise im Aufsichtsrat. Genauso wichtig ist es allerdings, dass sich Aufsichtsrät/inn/e/n aktiv in die Strategiediskussion einbringen können und dafür die richtigen Soft Skills mitbringen", so Klarner. Dies erfordert einen Austausch zu langfristigen strategischen Themen sowohl mit Spezialist/inn/en im eigenen Fachbereich, als auch in anderen Fachbereichen.
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Klarner, P., Probst, G., & Useem, M. (2020). Opening the black box: Unpacking board involvement in innovation. Strategic Organization, Vol. 18(4): 487 –519.