Es ist heiß und schwül in Singapurs November und fast jeden Nachmittag bricht sich der Regen Bahn. Dann wirkt es fast so, als wolle der Himmel weinen. Zum Weinen ist einem auch beim Besuch des "Singapore Fintech Festival 2018". In den Messehallen (Expo) des Insel- und Stadtstaates Singapur trifft sich seit Montag die internationale Finanzbranche, um über aktuelle Entwicklungen und Trends einer zukünftigen digitalen Bankenwelt zu sprechen. Mit Singapur als Gastgeber, China, Indien, den USA, Polen, UK und sogar der Schweiz sind viele Länder sowie deren etablierte Unternehmen und Startups aus der Bankenbranche vertreten – einzig eine wirklich sichtbare deutsche Beteiligung fehlt. Während die Community über wichtige Impulse und Ideen eines zukünftigen Finanzmarktes diskutiert, digitale Entwicklungen demonstriert und technische Lösungen präsentiert, findet Deutschland im Rahmen dieses internationalen Branchentreffs quasi nicht statt. Oder mit anderen Worten: Man spricht nicht deutsch.
Im Grunde ist dieser Ausschnitt nur ein weiterer Baustein des hierzulande seit Jahren völlig verschlafenen digitalen Finanzmarktes. Trends und Impulse kommen aus anderen Teilen der Welt – allen voran von den großen Digitalkonzernen aus den USA, wie Google und Microsoft. In seiner Eröffnungsrede sprach Microsoft-Engineer Saqib Shaikh über "AI for Good". Seiner Meinung nach sei Artificial intelligence (AI) das Trendthema. Für Shaikh beschreibe AI die Welt um uns herum. Als Beispiel ging der Engineer auf die Möglichkeiten ein, wie Menschen mit Handicap von der Digitalisierung profitieren können, sei es die Texterkennung und -übersetzung in Echtzeit oder Hilfestellungen für Blinde. Shaikh: "Das ist erst der Beginn von AI."
AI und das bargeldlose Bezahlen von Milliarden Menschen
Mit Blick auf die Finanzwelt zeigt sich, dass durch AI und Sensortechnologie beispielsweise das Bezahlen automatisiert im Hintergrund abläuft. Die Vorteile für Kunden: Keine Warteschlangen und kein Bargeld bedeuten Zeitersparnis und flexibles Bezahlen. Ein Massenphänomen in vielen Teilen Asiens, Afrikas oder in Indien. Denn aufgrund der teuren Hardware für Laptops oder Tablets greifen die Menschen auf das günstigere Smartphone als eigenen Kommunikations-, Bezahl- Verwaltungs-Hotspot zurück. Somit boomt der Markt für günstige Smartphones gerade in Schwellenländern. Die Geräte sind meist für den lokalen Markt konzipiert und damit erschwinglich, die Kommunikationsinfrastruktur vorhanden. Mit dieser einfachen technologischen "Eigenständigkeit" sind Milliarden Menschen an das Internet angebunden, was ihnen Freiheiten ermöglicht. Ein Grund, warum unter anderem in Indien die bargeldlosen Bezahlfunktionen via Smartphone so populär sind.
Wen wundert es, dass nach Aussagen des indischen News-Portals "Digit", unter Berufung auf "Counterpoint Research", geschätzt eine Milliarde Smartphones in den kommenden Jahren alleine in Indien verkauft werden.
Zudem steige die Zahl der Smartphone-Nutzer auf über 700 Millionen. Schon heute ist der indische Subkontinent der zweitgrößte Smartphone-Markt mit rund 400 Millionen Nutzern hinter China.
Zudem setzt die indische Regierung mit der Zentralbank wichtige Impulse, um mobile Zahlfunktionen zu beschleunigen. Dass das elektronische Bezahlen gerade in Indien so boomt, ist auch auf die 2016 vorübergehende Geldentwertung zurückzuführen. Über Nacht waren alle 500- und 1.000-Rupienscheine nichts mehr wert. Es herrschte Chaos beim Umtausch und Millionen Menschen mussten ohne Bargeldreserven nach Alternativen suchen. Dies führte zu einer höheren Nutzung mobiler Bezahlmöglichkeiten. Ein Milliardengeschäft, von dem viele profitieren. Einerseits Mobilfunkanbieter, die mit Prepaid-Karten ihr Massengeschäft machen und andererseits Händler sowie digitale Banken, die ihre Umsätze oder Geldtransfers und damit Provisionen steigern.
Offen, innovativ und digital
Diese Offenheit gegenüber digitalen Werkzeugen ist indes nicht immer freiwillig – wie das Beispiel Indien zeigt. Aber es ermöglicht neue Formen der Teilhabe für das Gros der Menschen in vielen Schwellenländern. Möglichkeiten, die Anwender nutzen, was im Rahmen der Fintech-Veranstaltung in Singapur sichtbar wird.
E-Payment ist eines der großen Themen für die Platzhirsche der internationalen Finanzbranche aber auch Startups, die sich mit innovativen Lösungen präsentieren. Während der sichere Zahlungsverkehr hier und da ein Informations- und Risikomanagementthema ist, liegt der Schwerpunkt der Kongressmesse eindeutig auf den Chancen neuer Technologien und den Einsatzmöglichkeiten im Finanzdienstleistungsumfeld. Neben künstlicher Intelligenz im Fintech-Bereich, besetzen Cloud-Lösungen sowie Blockchain-Technologien die Themenkanäle und Trends in Singapur. Mit Blick auf Fintech-Lösungen erkannte Singapurs Finanzminister Heng Swee Keat dass Fintech dabei helfen könne, die finanzielle Integration weltweit auszuweiten. Und hierzu gehören grenzüberschreitende Systeme, wie im Zahlungsverkehr oder der Handelsfinanzierung. Die Veranstaltung zeigt mit ihren Themen und Teilnehmern, dass die Herausforderungen der digitalen Disruption angenommen werden. Mehr noch herrscht eine offene Kultur, die Chancen zu suchen. Leider ohne nennenswerte Beteiligung deutscher Finanz- und Tech-Köpfe. Eine vertane Chance der hiesigen Finanzbranche – einmal mehr.