Mehr Unternehmenspleiten erwartet

Dominoeffekt auf die Supply Chain bei Großinsolvenzen


Mehr Unternehmenspleiten erwartet: Dominoeffekt auf die Supply Chain bei Großinsolvenzen Study

Neues Jahr, neues Glück? Was die Entwicklung von Exportrisiken und weltweiten Insolvenzen angeht, ist auch 2020 keine Trendwende in Sicht. Die weltweiten Pleiten sind weiter auf dem Vormarsch – zum vierten Mal in Folge. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes. Die Kreditrisiko-Experten der Tochtergesellschaft des Allianzkonzerns gehen davon aus, dass 2020 weltweit rund 6 Prozent mehr Insolvenzen mit sich bringt. Das bedeutet zwar eine etwas langsamere Zunahme als noch 2019 (+9 Prozent), allerdings dafür praktisch überall auf der Welt.

"In vier von fünf Ländern steigen 2020 voraussichtlich die Pleitefälle an", sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "2019 war der Zuwachs zwar insgesamt höher, aber dafür waren im vergangenen Jahr nur zwei von drei Länder von steigenden Insolvenzen betroffen. Das bedeutet, dass Exportrisiken praktisch überall lauern – einen 'sicheren Hafen' gibt es kaum noch."

Ursachen liegen in anhaltender Konjunkturschwäche, politischen und sozialen Unsicherheiten

Die Ursachen für den anhaltenden Anstieg der weltweiten Insolvenzen sieht Euler Hermes dabei in der anhaltenden Konjunkturschwäche, insbesondere in den Industriestaaten und dem produzierenden Gewerbe. Die schwache Nachfrage hat die Lagerbestände vielerorts steigen lassen und zu Überkapazitäten geführt, vor allem in der Automobilindustrie. Auch die weiter nachhallenden Folgen aus Handelskonflikten, politischen Unsicherheiten und sozialen Spannungen werden die Unternehmen 2020 in Atem halten.

"Beim schwächelnden Welthandel sehen wir 2020 keine wirkliche Entspannung", sagt Van het Hof. "Mit +1,7 Prozent dürfte das Wachstum in diesem Jahr eher mager ausfallen und Protektionismus ist das 'neue Normal', auf das sich Unternehmen einstellen müssen. Zwar profitieren Betriebe weiterhin von der anhaltend expansiven Geldpolitik – allerdings müssen sie sich im Gegenzug auf einen stärkeren Preiskampf durch die schwache Nachfrage einstellen. Teilweise kommen höhere Material- und Produktionskosten hinzu, die an die Margen gehen. Die hohen Fixkosten und Lagerbestände sind für manche Unternehmen eine schwere Last, der in einer Vielzahl von Ländern nicht alle standhalten können."

China weiterhin im Keller – aber rote Laterne geht erstmals an Chile mit 21 Prozent Zuwachs

China reicht 2020 die rote Laterne nach drei Jahren an Chile weiter. Für Südamerikaner dürften im laufenden Jahr Insolvenzen um 21 Prozent zunehmen. Nach Chile, der Slowakei (+12 Prozent) und Indien (+11 Prozent) ist China allerdings auch weiterhin am ganz unteren Ende des Rankings zu finden. Im Reich der Mitte erwarten die Volkswirte für 2020 eine weitere Pleitewelle und einen Anstieg der Fallzahlen um erneut 10 Prozent (nach einem bereits massiven Anstieg um rund 20 Prozent im vergangenen Jahr), ebenso wie in Singapur (+10 Prozent) und Hongkong (+9 Prozent).

In Europa verbreitet mehr Insolvenzen – auch in Deutschland. Frankreich plötzlich Klassenbester

Auch in Westeuropa steigen die Insolvenzen 2020 um voraussichtlich 3 Prozent an (2019: 2 Prozent). Viele Länder wachsen in Zeiten der Konjunkturflaute langsamer, als es notwendig wäre, um die Insolvenzen stabil zu halten. In Westeuropa hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass diese Schwelle bei einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von rund 1,7 Prozent liegt. Zum Insolvenzanstieg in Europa tragen insbesondere Dänemark (+6 Prozent), Spanien, die Niederlande und Irland (jeweils +5 Prozent) sowie Italien (+4 Prozent) bei. Aber auch Großbritannien sieht im Brexit-Sog einen erneuten Zuwachs von rund 3 Prozent bei den Pleiten entgegen. Erstmals reiht sich nach zehn Jahren voraussichtlich auch Deutschland wieder in diesen Reigen ein, mit ebenfalls 3 Prozent mehr Pleiten als noch im vergangenen Jahr. Rühmliche Ausnahme in Europa sind ausgerechnet die französischen Nachbarn, für die die Volkswirte 2020 nach langen wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten eine Stagnation der Insolvenzen prognostizieren.

"Es gibt drei Gründe, warum Frankreich plötzlich mit vorne liegt", sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Allianz und Euler Hermes. "Zum einen hat das Land wichtige ökonomische Entscheidungen getroffen. Zum anderen zahlt sich das rund 17 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket mit Steuererleichterungen für Rentner aus, das Präsident Macron im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht hat, um die 'Gelbwesten' wieder von der Straße zu holen. Dies hat den privaten Konsum angekurbelt. Zu guter Letzt profitiert die französische Wirtschaft in Zeiten von Handelskonflikten und schwächelndem Welthandel auch von einer weitaus geringeren Exportabhängigkeit als beispielsweise Deutschland."

Brasilien schafft nach 8 Jahren Trendwende und mausert sich zum Klassenprimus

Auch weltweit ist der Klassenprimus bei der Insolvenzentwicklung durchaus überraschend: Für Brasilien erwartet Euler Hermes gegen den weltweiten Trend voraussichtlich 3 Prozent weniger Pleiten als 2019, gleichauf mit Ungarn (-3 Prozent). Auch Griechenland und Litauen (jeweils -2 Prozent) sowie Neuseeland, Polen, Norwegen, Luxemburg und eben Frankreich (alle 0 Prozent) können sich der allgemeinen Entwicklung entziehen.

Die USA und Kanada verzeichnen 2019 und auch 2020 hingegen eine Trendwende ins Negative. Seit 2010 waren die Pleiten in den USA jedes Jahr rückläufig. Erst 2019 und 2020 kommt es hier mit +3 Prozent und +4 Prozent wieder zu einem Zuwachs. In Kanada zeigten Insolvenzen sogar bereits seit 2002 einen stetigen Abwärtstrend vor dem nun erwarteten Anstieg um jeweils 5 Prozent im Jahr 2019 und 2020.

Großinsolvenzen: Umsätze und damit Schäden für die Lieferkette steigen drastisch an

Beunruhigend ist auch die Entwicklung bei den Großinsolvenzen bei Unternehmen mit einem Umsatz oberhalb der 50-Millionen-Euro-Grenze. In den ersten neun Monaten 2019 sind diese weltweit zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (248) nur um einen Fall auf 249 gestiegen. Allerdings sind die Umsätze der insolventen Großunternehmen auf über 145 Milliarden Euro (Mrd. EUR) geklettert (106 Mrd. EUR). Damit liegen diese mehr als 39 Mrd. EUR und rund 38 Prozent höher als noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

"Der Dominoeffekt bei Großinsolvenzen auf die Lieferkette ist meist sehr groß", sagt Van het Hof. "Je höher die Umsätze der Pleitekandidaten, desto größer die Schäden bei den einzelnen Lieferanten. Deshalb sollte man sich von großen Namen nicht täuschen lassen."

Gerade in Deutschland hat es zuletzt zahlreiche namhafte Großunternehmen getroffen, manche von ihnen bereits zum zweiten Mal. Der Anstieg der großen Insolvenzen lag in Deutschland in den ersten neun Monaten bei 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bei den Umsätzen war der Anstieg mit +81 Prozent auf rund 339 Mio. EUR noch dramatischer.

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /10.01.2020 09:31
+++ Weniger Unternehmensinsolvenzen in Deutschland +++

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland geht weiter zurück. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis) meldeten die deutschen Amtsgerichte für Oktober 1.592 Unternehmensinsolvenzen. Das waren nach 6,0 Prozent weniger als im Oktober 2018.

Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es mit 254 Fällen (Oktober 2018: 274) im Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen). Unternehmen des Baugewerbes stellten 241 (280) Insolvenzanträge, im Bereich der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen wurden 171 (175) Insolvenzanträge gemeldet und im Gastgewerbe 170 (191).

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger beliefen sich auf knapp 3,4 (1,1) Milliarden Euro. Dieser Anstieg der Forderungen bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist laut Destatis darauf zurückzuführen, dass im Oktober 2019 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz beantragt hatten als im Oktober 2018.

Zusätzlich zu den Unternehmensinsolvenzen meldeten 7.369 übrige Schuldner Insolvenz an, 2,2 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Darunter waren 5.268 Insolvenzanträge von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie 1.615 Insolvenzanträge von ehemals selbstständig Tätigen, die ein Regel- beziehungsweise ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchlaufen.
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