Während der Schwerpunkt bisher vor allem auf China, Europa und den USA lag, dürften die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Schwellenländer noch gravierender sein. Der Kreditversicherer Coface bewertet in einem neuen Focus die direkten wirtschaftlichen und sektoralen Risiken der Pandemie für die Entwicklung der Schwellenländer. Dabei rücken die Staatsschulden der Länder wieder in den Blickpunkt.
Auch wenn die Anfälligkeit für diesen Schock von vielen Faktoren abhängt, sind die aktuellen öffentlichen Finanzen eine Schlüsselfrage. Denn davon hängt ihre Fähigkeit ab, auf die zahlreichen wirtschaftlichen Folgen der Krise zu reagieren. Allerdings war ihre Staatsverschuldung 2019 bereits auf einem Allzeithoch, so die Coface-Analysten.
Kapitalabflüsse und erhöhtes Staatsrisiko
Kapitalabflüsse in einem noch nie dagewesenen Ausmaß sind die unmittelbarste Folge der zunehmenden Unsicherheit in den Schwellenländern. Im März überstiegen die Verkäufe ausländischer Investoren von Anleihen und Aktien aus 24 Schwellenländern 80 Milliarden US-Dollar, was einer Vervierfachung gegenüber dem letzten Quartal 2008 entspricht. Während des ersten Quartals dieses Jahres werteten die Währungen von Ländern mit starken Fundamentaldaten ab. Generell waren die Währungen von Schwellenländern mit offenen Finanzmärkten am heftigsten betroffen. Die stärksten Währungsabwertungen gegenüber dem US-Dollar verzeichneten in diesem Zeitraum Brasilien, Südafrika, Russland und Mexiko mit jeweils mehr als 25 Prozent, gefolgt von Kolumbien und Indonesien.
In der ersten Aprilhälfte floss zwar weniger Kapital ab. Vermehrt Anleihen in Landeswährung schützten die Emittenten zwar vor dem Wechselkursrisiko, bewirkten aber einen zusätzlichen Zinsanstieg. Viele kleinere Schwellen- oder Entwicklungsländer waren aber nicht in der Lage, in der Landeswährung zu emittieren. Sie haben in den letzten Jahren die reichlich vorhandene globale Liquidität genutzt, um Anleihen in Fremdwährung herauszulegen. Heute werden diese Verpflichtungen jedoch auch durch steigende Staatszinsen, die in Ecuador, Angola und Sri Lanka besonders hoch sind, belastet.
Drei zusätzliche Schocks: Lockdown, Rückgang der Ölpreise, Einbruch des Tourismus
Neben dem Risiko für die öffentlichen Finanzen und der Währungsabwertung berücksichtigt Coface bei der Bewertung des Länderrisikos auch, inwieweit die Schwellenländer von anderen mit Covid-19 verbundenen Risiken betroffen sind. Zunächst einmal werden die von der Pandemie betroffenen Länder, deren Regierungen verbindliche Eindämmungsmaßnahmen beschlossen haben, mit einem Anstieg der Verschuldung konfrontiert sein, der sich aus dem Rückgang der Einnahmen ergibt. Hinzu kommt der Anstieg der Ausgaben im Gesundheitswesen und zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung. Am 10. April 2020 befanden sich 87 Länder in dieser Situation.
Länder, die von Tourismuseinnahmen (mit einem Schwellenwert von 15% des BIP) abhängig sind, sind von Reisebeschränkungen betroffen. In 45 Ländern, darunter Marokko, Tunesien, Mexiko, Mexiko, Thailand, die Philippinen, Kroatien und Kambodscha, macht der Tourismussektor mindestens 15% des BIP aus.
Auch Schwellenländer, die von den Einnahmen aus dem Export nichtlandwirtschaftlicher Rohstoffe abhängig sind, sind betroffen. Trotz einer von Coface erwarteten Erholung der Preise in der zweiten Jahreshälfte dürften die wichtigsten Exportländer ihre Haushalts- und Leistungsbilanz nicht ausgleichen können. Die rohstoffexportierenden Länder sind diejenigen, deren Haushaltssaldo sich in diesem Jahr voraussichtlich am stärksten verschlechtern wird.
Heute sind neun Länder von drei dieser vier großen Risiken betroffen: Südafrika, Algerien, Angola, Ecuador, Libanon, Mauretanien, Oman, Tunesien und Venezuela. 31 Länder sind von zwei und 71 Länder von einer dieser Quellen betroffen. Die von den internationalen Organisationen, insbesondere dem IWF, geplante zusätzliche Finanzierung und die von den Gläubigerländern angekündigten Schuldenberichtigungen werden vielen Ländern mit niedrigem Einkommen helfen, den großen Schwellenländern aber wahrscheinlich wenig.