Das Wirtschaftsforschungsinstitut RWI hat seine Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland im laufenden und kommenden Jahr angehoben, für 2019 jedoch leicht zurückgenommen. Laut RWI ist für 2017 nun mit einem Anstieg des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,3 (bisher: 1,9) Prozent zu rechnen. Für 2018 werden 2,2 (2,1) Prozent prognostiziert, und für 2019 erwartet das RWI 1,9 (2,0) Prozent Wachstum.
Die Arbeitslosenquote soll laut RWI von 5,7 Prozent in diesem Jahr auf 5,4 im nächsten und 5,1 Prozent im übernächsten sinken. Für die Inflationsrate prognostizieren die Konjunkturforscher 1,8 Prozent in diesem und je 1,9 Prozent in den beiden Folgejahren.
"Die private Konsumnachfrage bleibt eine wichtige Triebkraft der Konjunktur", schreibt RWI-Konjunkturchef Roland Döhrn in einer Mitteilung. Dies insbesondere, weil die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte bei anhaltendem Beschäftigungsaufbau voraussichtlich weiterhin spürbar zunehmen würden. Neben den Bauinvestitionen dürften laut RWI auch die Ausrüstungsinvestitionen zum Wachstum beitragen.
Die Wirtschaft wachse weiterhin rascher als das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial, die Kapazitäten sind somit zunehmend ausgelastet. In der Bauwirtschaft führten bereits jetzt Kapazitätsengpässe zu steigenden Baukosten.
Das RWI rechnet mit einer Belebung der Exporte, deren Zuwachs aber von dem der Importe noch übertroffen werden dürfte. "Insgesamt wird die Außenwirtschaft nur einen geringen Beitrag zum Aufschwung liefern", kalkuliert das RWI. Dazu trage auch bei, dass die Preise hierzulande voraussichtlich stärker steigen würden als im übrigen Euroraum und die deutschen Unternehmen dadurch preislich weniger wettbewerbsfähig würden.
Keine Frühwarnindikatoren für Überhitzung
Analog hat sich auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) optimistischer für die deutsche Wirtschaftsentwicklung gezeigt und zugleich Befürchtungen einer drohenden Überhitzung widersprochen. Das Berliner Institut erhöhte seine Konjunkturprognose für dieses und nächstes Jahr auf jeweils 2,2 Prozent. Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft befinde sich nun auf einem "breiteren Fundament", betonten die Ökonomen. Für das Jahr 2019 rechnet das DIW dann allerdings nur noch mit einem Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt von 1,6 Prozent.
Derzeit aber werde das Wachstum vom privaten Konsum, den Exporten und auch von höheren Investitionen getragen. "Der deutsche Konjunkturmotor läuft weiter rund – sogar mit einer noch etwas höheren Drehzahl als zuletzt erwartet", erklärte das Institut. Die Konsumnachfrage im Inland sei kräftig, immer mehr Menschen seien in Beschäftigung. Hinzu komme, dass aufgrund einer kräftiger wachsenden Wirtschaft weltweit und im Euroraum auch die Exporte dynamischer stiegen als zuvor. Deshalb investierten die Unternehmen auch wieder mehr in ihre Maschinen und Anlagen.
"Damit befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer Phase der Hochkonjunktur", betonten die Forscher. Eine Überhitzung droht nach ihrer Einschätzung dennoch nicht. Zwar seien die Produktionskapazitäten der Unternehmen weiter gut ausgelastet. "Allerdings gibt es nach wie vor keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale, die das typische Merkmal einer überhitzenden Wirtschaft wäre", betonten die Ökonomen des DIW.
Fratzscher sieht deutsche Wirtschaft als "Scheinriesen"
Gegen eine Überhitzung spricht nach ihrem Dafürhalten auch, dass sich das außergewöhnlich hohe Tempo der deutschen Wirtschaft schon bald etwas verlangsamen werde – wenn die Europäische Zentralbank (EZB) allmählich beginne, die geldpolitischen Zügel anzuziehen. Das DIW unterstellte, dass die EZB ab dem bevorstehenden Jahreswechsel etwas weniger Anleihen kauft und zur Jahresmitte 2019 erstmals die Zinsen anhebt. Andere Zentralbanken dürften ähnlich agieren, weshalb die sehr kräftige Weltwirtschaft an Dynamik einbüßen dürfte. Das treffe auch die exportlastige deutsche Wirtschaft.
Die Berliner Ökonomen forderten deshalb, nun sollten finanzpolitische Spielräume genutzt werden, um die Wachstumsaussichten zu verbessern. "Wir dürfen uns von den guten Wachstumszahlen nicht täuschen lassen, denn die deutsche Wirtschaft ist derzeit ein Scheinriese", mahnte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Sie profitiere von niedrigen Zinsen und einer starken Weltwirtschaft. Doch große Herausforderungen wie der demografische Wandel, die Digitalisierung und bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen müssten nun endlich angegangen werden. Die künftige Regierung solle deshalb "Überschüsse primär für Zukunftsinvestitionen nutzen".
Das DIW betonte zudem, einige der globalen Risiken seien "nicht vom Tisch", so der unklare wirtschaftspolitische Kurs der USA, der möglicherweise doch noch in der Aufkündigung internationaler Handelsabkommen gipfeln könnte, und der Brexit. Würde die EZB die geldpolitischen Zügel zu schnell anziehen, könnte dies Banken in Ländern wie Italien an ihre Belastungsgrenze bringen und schlimmstenfalls die Finanzkrise im Euroraum wieder aufflammen lassen, warnten die Berliner Ökonomen.