Der Experte für die Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Infrastrukturen, Herbert Saurugg, erwartet in den kommenden Jahren einen europaweiten Strom- und Infrastrukturausfall. Das Risiko bestehe seiner Meinung nach darin, dass zwar die meisten Netzbetreiber auf einen solchen Wort Case gut vorbereitet seien, inklusive Prozesse und Trainings. Dies zähle aber nicht für den Rest der Gesellschaft. Denn es geht nicht nur um einen Stromausfall, sondern um einen Infrastrukturausfall. Was das heißt und welche Auswirkungen dies bedeutet, mussten jüngst Fluggäste am Airport von Atlanta erleben. Nichts ging mehr – weder die Stromversorgung noch Starts und Landungen waren möglich.
Wie sensibel und angreifbar die Energieinfrastruktur ist, zeigte Saurugg im Rahmen des RiskNET Summit an den vielen Faktoren, die zu einem Blackout führen können. Hierzu zählen unter anderem Extremwetterereignisse, Terroranschläge, Erdbeben, Cyberangriffe oder Systemversagen. Der Experte erläuterte die Kettenreaktion, die ein Blackout bedeuten würde. Neben der Unterbrechung der Telekommunikation, fallen Bankautomaten, Tankstellen und Kühl- sowie Bewässerungssysteme aus. Die Folgeschäden wären enorm, zumal viele Menschen keine Bevorratung mit Lebensmitteln sowie Wasser hätten und damit einem kritischen Engpass innerhalb kürzester Zeit entgegensteuern würden. Nach Sauruggs Einschätzung würde die Normalisierung der Lebensmittelversorgung Wochen bis Monate dauern. Da bei einem Ausfall der Telekommunikation die Gesellschaft in Kleinstrukturen zerfällt, kommt es auf die Selbstorganisation im lokalen Umfeld an – als Teil der Überlebensstrategie.
Für Saurugg bestehen im Unternehmensumfeld zwar Guidelines, Risikobewertungen und Prozesse. Aber dies führe nicht zu einer umfassenden Sicherheit, zumal es kein System gibt das 100-prozentig sicher ist. Besonders brisant sieht Saurugg die Entwicklungen im Bereich der Kritischen Infrastrukturen, weil unser Gemeinwesen ganz erheblich davon abhängig ist. So formulierte er es bereits in einem gemeinsam mit Frank Romeike geschriebenen Beitrag zu "Komplex oder kompliziert – das ist die Frage" auf dem Portal RiskNET mit den Worten: "Durch immer aufwendigere und undurchsichtigere technische Lösungen und durch die steigende Vernetzung schaffen wir immer größere Verwundbarkeiten, ohne uns dessen bewusst zu sein oder dafür einen Plan B zu haben. Technische Sicherungen gegen Katastrophen verschieben häufig nur den kritischen Punkt, an dem ein System in die Katastrophe kippt."
Für den Experten geht es darum darauf zu achten, dass es mit Schutzmaßnahmen erst gar nicht zu einem Ausfall kommt. Gleichzeitig müssen aber auch Überlegungen und Vorbereitungen getroffen werden, so der Ernstfall eintritt. Dies heißt einerseits, wie kann man einen Ausfall rasch wieder beheben. Gefragt ist in diesem Fall ein sogenanntes Notfallmanagement sowie ein Business Continuity Management – nach Möglichkeit in ein gesamtorganisatorisches Risikomanagement eingebettet und damit verzahnt. Im Grunde auch ein Thema der Widerstandsfähigkeit. Denn bei der sogenannte Resilienz um die Lern- und Anpassungsfähigkeit, was wiederum Offenheit für Neues voraussetzt. Was wir derzeit aber viel häufiger erleben ist, dass wir mit allen Mitteln und Möglichkeiten Altes und durchaus Bewährtes aufrechtzuerhalten versuchen. Wenn aber die Rahmenbedingungen nicht mehr dazu passen, dann ist der Schiffsbruch vorprogrammiert – auch im Energiesektor. Wenn wir mit den Entwicklungen mithalten wollen, dann müssen wir uns auch trauen, Dinge völlig neu und radikal anders zu denken.
Mit Blick auf den RiskNET Summit sieht Herbert Saurugg die Veranstaltung als sehr breit aufgestellt. Für ihn sind die verschiedenen Aspekte im Risikomanagement wichtig – auch mit Blick auf das systemische Denken. Saurugg: "Systemisches Denken und Anpassungsfähigkeit bedeutet auch, zu erkennen, welches Wissen nicht mehr relevant ist und daher besser wieder vergessen werden sollte.
Gerade in Zeiten von großen Umbrüchen und Systemänderungen, wie wir sie gerade durch die Transformation zur Netzwerkgesellschaft erleben, ist verlernen fast wichtiger als lernen. Denn erst dadurch werden Ressourcen frei, um neue Pfade einzuschlagen zu können."
Dies zählt auch mit Blick auf Bereiche, in denen wir uns gut auskennen. Denn dort würden wir uns teils zu sehr vertiefen und eine Blase bilden. Demgegenüber werden Risiken, die von außen auf das Unternehmen einströmen zu wenig beachtet.
Für Saurugg ist der RiskNET Summit auch eine Art Mittler zwischen den Welten, um die unterschiedlichen Aspekte des Risikomanagements zusammenzuführen und einen Gesamtblick für die Teilnehmer zu formen.
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