EU will Macht der Wirtschaftsprüfer brechen

Finanzkrise legt Schwächen bei Wirtschaftsprüfern offen


Finanzkrise legt Schwächen bei Wirtschaftsprüfern offen News

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geraten in regelmäßigen Abständen immer wieder in die Kritik und den Fokus von Regulierungsbemühungen. Und wenn es nach der EU-Kommission geht, wird nach der jüngsten Krisen nichts mehr so sein wie vor der Krise. Die EU-Kommission erwägt, mit neuen Regeln die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu stärken und den Markt weiter zu öffnen. "Alle Finanzmarktteilnehmer müssen sich darauf verlassen können, dass die (in Finanzabschlüssen) enthaltenen Informationen tatsächlich über die finanzielle Solidität der Unternehmen Aufschluss geben", sagte der EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Michel Barnier. Laut einem von der Kommission veröffentlichen Diskussionspapier zu dem Thema stellt sich die Frage, "ob es bei der Unabhängigkeit von Prüfungsgesellschaften Probleme gibt" und "ob sich aus der Marktkonzentration Risiken ergeben". Ungeklärt sei die Unabhängigkeit insbesondere dann, wenn Wirtschaftsprüfer Abschlüsse eines Unternehmens testieren, das gleichzeitig ein potenzieller Abnehmer anderer Leistungen, beispielsweise in Form von Unternehmensberatung, ist.

Während der Krise seien Mängel im Abschlussprüfungssektor zutage getreten, stellte der Binnenmarktkommissar fest. "Abschlussprüfern kommt eine wichtige Rolle zu; deshalb benötigen wir fundierte und völlig unabhängige Prüfungen", sagte Barnier. Dem EU-Kommissar gefällt insbesondere nicht, dass die Prüfer von dem zu prüfenden Unternehmen engagiert und bezahlt werden. Darin sieht er einen "Systemfehler". Dieser lässt sich nur dadurch verhindern, dass das Honorar staatlich festgelegt wird und die Unternehmen selbst ihre Wirtschaftsprüfer nicht mehr aussuchen dürfen. Bei der Diskussion sollte daher kein Thema Tabu sein, so Barnier. Mögliche Verbesserungen sieht die Kommission in der Einführung einer europäischen Aufsichtsbehörde, da die einzelstaatliche Beaufsichtigung möglicherweise nicht effizient sei. Auch ein "europäischer Pass für Abschlussprüfer" wird erwogen, um Hindernisse im Binnenmarkt auszuräumen.

Vier WP-Gesellschaften teilen sich 90 Prozent des Marktes

Im Visier der EU sind vor allem die vier Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers, Deloitte, KPMG sowie Ernst & Young, die rund 90 Prozent des Marktes unter sich aufteilen. Und da die Preise für Prüfungsleistungen um teilweise bis 30 Prozent eingebrochen sind, suchen die Prüfer seit vielen Jahren neue Einnahmequellen im Beratungsgeschäft. Vor diesem Hintergrund will Barnier den Anteil der Honorare eines einzelnen Kunden begrenzen. Auch die Unternehmensführung und Rechtsform steht auf der Agenda der EU. So will Barnier unabhängige Aufsichtsräte an die Spitze der Gesellschaften platzieren. Außerdem stellt das von der EU veröffentlichte Grünbuch in Frage, ob eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft allein im Besitz von Partnern verbleiben kann. Da nach Prüfungsfehlern hohe Schadensersatzforderungen entstehen können, sollte auch eine solide Haftungsbasis vorhanden sein. In diesem Kontext weist das Grünbuch darauf hin, dass über "alternative Strukturen" nachgedacht werden müssen, um Kapital aus alternativen Quellen zu beschaffen.

Blind für die Risiken der Realität

Barnier weist darauf hin, dass die jüngste Banken- und Finanzkrise ein weiteres Mal die großen Schwächen des  Systems der Wirtschaftsprüfung zutage gefördert habe. Insbesondere die vier großen Prüfungsgesellschaften hätten wesentliche Risiken nicht rechtzeitig erkannt, die recht offensichtlich in den Bankbilanzen schlummerten.

Ein weiteres Beispiel: Im Risikobericht 2003 der Hypo Real Estate kann nachgelesen werden: "Vor allem die Etablierung einer strikt risiko-rendite-orientierten Steuerungslogik [...] Die Risikosteuerung ist integraler Bestandteil der Konzernsteuerung in der Hypo Real Estate Group. Zielsetzung der Risikosteuerung ist es, für eingegangene Risiken einen risikoadäquaten Ertrag zu erzielen und gleichzeitig durch risikopolitische Leitlinien und Instrumente diese Risiken so zu begrenzen, dass keine unerwarteten Belastungen die Solidität des Konzerns beeinträchtigen." Bestätigt wird die Angemessenheit des Risikomanagements durch die KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Am 12. August 2008 prüft die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG den Zwischenbericht des Vorstands der Hypo Real Estate u. a. auf zukünftige Risiken und Stressszenarien. Die Prüfer weisen zwar auf Risiken hin, bescheinigen der HRE aber: "Selbst bei einem Worst-Case-Szenario ist sichergestellt, dass die Hypo Real Gruppe und ihre Tochterunternehmen jederzeit uneingeschränkt zahlungsfähig sind ."  Keine sieben Wochen später: Ende September 2008 steht die Hypo Real Estate steht kurz vor der Insolvenz und muss durch einen massiven Staatseingriff gerettet werden.

Wer prüft die Prüfer?

Die Wirtschaftsprüfer werden von einigen Experten für den Zusammenbruch von Banken mit verantwortlich gemacht. So leitete erst im Juni dieses Jahres die britische Aufsichtsbehörde Financial Reporting Council (FRC) gegen Ernst & Young eine formelle Untersuchung ein. Insbesondere sollen die Prüfer bei der Bestätigung des Jahresabschlusses der insolventen Bank Lehman Brothers geschlampt und wesentliche Risiken nicht erkannt bzw. ignoriert haben. Doch bereits vor dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank, die  im Jahr 1850 von den Söhnen des fränkischen Viehhändlers Abraham Löw Lehmann gegründet wurde, gab es zahlreiche Fälle von Prüferversagen oder gar Betrug. Noch gut in Erinnerung ist der Zusammenbruch von Enron, an dem auch der Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen zerbrach. Die Big-Five-Prüfungsgesellschaft hatte Unterlagen des Enron-Konzerns vernichtet, um nicht selber ins Fadenkreuz zu geraten, obwohl die Mitarbeiter von Arthur Andersen bereits von der Aufnahme einer SEC-Untersuchung gegen Enron informiert waren.

Und auch die Bilanzskandale rund um Worldcom, Parmalat, Flowtex, Comroad oder Xeros sind noch in guter Erinnerung. Das Grünbuch der EU ist jedoch vor allem eine Diskussionsgrundlage. Für Barnier wird es nicht ganz einfach, gegen die massive Lobby der Prüfungsgesellschaften seine Vorschläge durchzusetzen und mehr Transparenz in die Welt der Wirtschaftsprüfer zu bringen. Wenn er sich durchsetzt, wird die Branche komplette auf den Kopf gestellt.

Allein ein Blick auf die mächtige Lobby der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland zeigt jedoch, wie schwer Veränderungen in dieser Branche umsetzbar sind. Der Leser möge folgende Fragen für sich klären: Welche Prüfungsgesellschaften dominieren das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) und die Wirtschaftsprüferkammer  als Interessensvertretung und Berufsaufsicht? Wer hat seinen Sitz in Berlin unmittelbar gegenüber der CDU-Parteizentrale in der Klingelhöferstraße? Wessen Firmensitz in Berlin wurde von der Bundeskanzlerin Angela Merkel am 21.06.2006 persönlich eingeweiht? In diesem Zusammenhang ist das Studium der Eröffnungsrede auf www.bundesregierung.de (Bulletin Nr. 66.-2) empfehlenswert, verbunden mit der Einladung an die Wirtschaftsprüfer zu einem Besuch in der Kantine der CDU-Zentrale. Auf gute Nachbarschaft und wenig Störung der gegenseitigen Geschäfte!


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Ulrich /14.10.2010 09:14
Viel Erfolg Herr EU-Kommissar Barnier. Das wird ein Kampf gegen Windmühlen. Und leider werden Sie verlieren. Ich kann mich erinnern, dass bereits nach Enron einige regualtorische Initiativen gestartet wurden ... die von den WPs elegant umschifft wurden. Unternehmensberatung heisst dann plötzlich "prüfungsnahe Beratung" u.ä.
Die Lobby ist einfach zu mächtig ... ;-(
SwissBanker /14.10.2010 13:00
Das Kartell der Vertuscher, schrieb die Wirtschaftswoche mal vor einiger Zeit. Banken, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer und Bilanzierungsgremien waschen ihre Hände in Unschuld und weisen alle Schuld von sich. Dabei haben sie alle grob fahrlässig - wenn nicht sogar vorsätzlich - eine fragiles System aufgebaut bzw. bei der Konstruktion mitgeholfen. Es ist ein Skandal, dass die Rolle der WPs immer noch nicht kritisch hinterfragt wurde und vor allem Massnahmen umgesetzt wurden!
Gudu /14.10.2010 13:06
Warum redet eigentlich niemand über die Rolle der Politik im Zusammenhang mit der Finanzkrise? Haben die nicht erst die Rahmenbedingungen geschaffen? Wollen wir Sozialismus? Sollen wir alles verstaatlichen? Was soll das? Bilden sich die EU-Bürokraten etwa ein, dass nur sie Sachverstand haben?

Wer kontrolliert die immer weiter ausufernde EU und deren Bürokratismus? Wollen wir wirklich eine planwirtschaftliche Verteilungsbehörde ... mit Bürokraten, die vom Thema Ökonomie, Banken etc. so gut wie nix verstehen?
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