Es gibt inzwischen eine ganze Flut von Informationen oder Bewertungen über Unternehmen, Produkte oder Services, die unter dem Etikett Rating vermarktet werden. Im Folgenden stehen Unternehmensratings bzw. -bewertungen von Versicherungsunternehmen in Deutschland im Vordergrund.
Neben sogenannten Produktratings haben sich vor allem Finanzstärkeratings als Informationsquelle über die finanzielle Solidität von Versicherern etabliert. Solche Ratings haben zunehmend Einfluss auf die Produktempfehlungen von Versicherungsvermittlern und wirken sich so signifikant auf die Absatzchancen eines Versicherers aus. Dabei hat die Beurteilung der Finanzstärke der Versicherer erst seit 2002 durch die nicht abreißenden Krisen und Volatilitäten der Finanzmärkte, sowie die Niedrigzinsphase deutlich an Bedeutung gewonnen.
Gleichzeitig hat sich das aufsichtsrechtliche Umfeld für Ratingagenturen in Europa in den letzten Jahren geändert. So gibt es mittlerweile klare Definitionen, was eine Ratingagentur und was ein Rating ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nun alle in Deutschland aktiven lnstitutionen, die "Ratings" vermarkten, den geänderten Zeiten Rechnung tragen und tatsächlich Ratings im aufsichtsrechtlichen Sinne durchführen.
Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit von Produktbewertern erstellte so genannte Unternehmensratings bei der Analyse der finanziellen Solidität von Versicherern behilflich sein können oder inwieweit diese Fallstricke enthalten, die es zu beachten gilt. Daran knüpft unmittelbar die Frage an, welche Relevanz das Ergebnis dieser Betrachtung für die Nutzer von Ratings und Bewertungen bei der Versicherungsvermittlung hat.
Aufsichtsrechtlicher Rahmen schafft Klarheit über Definition von Ratingagenturen und Ratings
Der regulatorische Grundrahmen für die Beaufsichtigung von Ratingagenturen wurde in Europa mit der in 2010 in Kraft getretenen EU-Rating-Verordnung gesetzt und im Jahre 2013 erweitert und verschärft. Weitere Regulierungen sind in Vorbereitung.
Die BaFin hat in einer Veröffentlichung vom 26. Februar 2013 wie folgt klargestellt: "Die wesentlichen Marktteilnehmer dürfen nach der EU-Verordnung für aufsichtliche Zwecke ausschließlich auf Kreditratings von Ratingagenturen zurückgreifen, die bei der ESMA (Euro pean Securities and Markets Authority, der Verfasser) registriert sind. (...) Ein Rating im Sinne der Verordnung ist jedes Bonitätsurteil, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien (wie beispielsweise die weit verbreiteten Ratingskalen von AAA bis D) abgegeben wird und sich auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzierungsinstrument bzw. auf den jeweiligen Emittenten bezieht."
Weiter wird in der Veröffentlichung klargestellt: "Nicht von der EU-Rating-Verordnung erfasst sind unter anderem private Ratings (die nur dem Auftraggeber bekanntgegeben werden), Finanzanalysen im Sinne der Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD) und der Finanzmarktrichtlinie (MIFID) sowie Kreditscorings."
Die europäische Ratingverordnung stellt klar, dass "Finanzanalysen, Anlageempfehlungen und andere Einschätzungen des Wertes oder des Preises eines Finanzinstruments nicht als Ratings gelten sollen" (Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 9. 2009 über Ratingagenturen, L 302/3, Absatz (20)).
In der obigen Veröffentlichung weist die BaFin auch auf die "schwierige Abgrenzung zwischen Ratings und Scorings" bin, da gerade diese Abgrenzung "die für das Bestehen der Regulierungspflicht entscheidend ist", sich in der Praxis mangels klarer gesetzlicher Vorgaben als schwierig erwiesen hat. Die BaFin weist auf die Aufgabe der ESMA hin, "im Markt nach Anbietern von Bonitätseinschätzungen zu suchen, die bislang keine Registrierung beantragt haben, dies aber nach der Verordnung tun müssten."
Produktratings fallen nicht unter die EU-Rating-Verordnung
Als Zwischenfazit wird deutlich, dass - im Sinne der EU-Rating-Verordnung - Produktratings nicht unter die Kategorie Rating fallen.
Die ESMA veröffentlicht regelmäßig eine Liste der registrierten Ratingagenturen. Die letzte Liste (Stand 21 . Mai 2014) enthüllt neben den "großen Drei" (Fitch, Moody's, Standard & Poor's) auch A. M. Best sowie eine Anzahl kleinerer, spezialisierter Agenturen. Die Liste enthält zum Beispiel Assekurata, Scope, Dagong, Creditreform, Euler Hermes und Feri.
Institutionen wie Franke & Bornberg, Map Report, Morgen & Morgen, Softfair und DFSI, die alle zumindest für Teile ihrer Dienstleistungen den Begriff Rating verwenden und zum Teil auch eigene Unternehmensratings erstellen und vermarkten, sind in dieser Liste nicht enthalten.
Ein klarer Umgang mit dem Begriff Rating wäre dabei im Kontext der veränderten Rahmenbedingungen durchaus zu empfehlen. Insbesondere wäre es sinnvoll die Begriffe Rating oder Ratingagentur ausschließlich im Sinne der EU-Rating-Verordnung zu nutzen, auch wenn dort offensichtlich auf "aufsichtliche Verwendung" abgezielt wird. Konsequenterweise sollten dann auch nur die bei ESMA registrierten Ratingagenturen diese Bezeichnung verwenden. Institutionen, die keine Ratingagentur sind, sollten folgerichtig die Begrifflichkeiten für ihre Produkte und Services überdenken und keine Bewertungen unter dem Etikett Rating veröffentlichen.
Man kann also bis hierhin zusammenfassen: Gesellschaften, die Ratings veröffentlichen, sind nicht gleich Ratingagenturen im Sinne des Gesetzgebers. Wenn also somit gilt: "Ratingagentur ist nicht gleich Ratingagentur", folgt logischerweise die Frage: Ist Rating dann gleich Rating? Um diese Kernfrage geht es im folgenden Abschnitt.
Ratingansätze der klassischen Ratingagenturen
Für die Versicherungswirtschaft sind Finanzkraftratings (Insurer Financial Strength Ratings) von besonderer Bedeutung. Bei den klassischen Ratings werden hierbei zwei Formen unterschieden: das interaktive Rating und das auf öffentlichen Informationen basierte Rating ("Public Information Rating").
Das stark auf die Beurteilung der zukünftigen Finanzkraft ausgerichtete interaktive Finanzkraft-Rating beruht auf einer breit gefächerten lnformationsbasis, die eine Vielzahl von quantitativen und qualitativen Merkmalen berücksichtigt. Dabei werden auch unternehmensinterne Informationen verwendet sowie Gespräche mit dem Management geführt, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Berücksichtigung finden unter anderem das Branchenrisiko, die Wettbewerbsposition, das finanzielle Profil (insbesondere die Kapital-/Ertragskraft), sowie ferner Management, Strategie und das Risikomanagement. Diese Ratingmethode ist vorwärtsblickender Natur. Das Rating wird letztlich auf Basis eines von den Analysten vorgelegten Vorschlags von einem Komitee überprüft und entschieden.
Public Information Ratings werden generell einmal jährlich auf der Basis der jüngsten Jahresabschlusszahlen (und sonstigen öffentlich verfügbaren Informationen) erstellt und haben somit einen rückwärtsblickenden Charakter. Bei S&P werden public information Ratings durch den Zusatz "pi" (zum Beispiel BBBpi) als solche kenntlich gemacht. pi-Ratings werden zwar generell nach ähnlichen Kriterien erstellt wie lnteraktive, gleichwohl ist das "pi"-Verfahren kein rein mechanistisches System, sondern die diversen Faktoren unterliegen auch einer qualitativen Einschätzung durch Analysten, die darüber hinaus in einem Komitee-Prozess überprüft werden.
Zwischenfazit: "Institutionen, die keine Ratingagentur sind, sollten folgerichtig die Begrifflichkeiten für ihre Produkte und Services überdenken und keine Bewertungen unter dem Etikett Rating veröffentlichen."
Besonders interessant in diesem Kontext ist, dass Fitch sich völlig von rein quantitativen Versicherungsratings zurückgezogen hat. S&P ist in Deutschland 2009 mit zahlreichen pi-Ratings von Versicherern gefolgt. Der Grund: lnfolge der im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise festgestellten Volatilitäten sah man sich nicht mehr in der Lage, allein auf der Basis von veröffentlichten Daten die Kreditqualität der Aktiva eines Lebensversicherers angemessen beurteilen zu können.
Das weitaus anspruchsvollere, interaktive Rating wird zwar vom bewerteten Unternehmen in Auftrag gegeben und auch bezahlt, sodass der Eindruck entstehen kann, dass bezahlte Ratings weniger unabhängig und objektiv sein müssten als nicht bezahlte Public Information Ratings. Michael Wolgast (Leiter Abteilung Volkswirtschaft des GDV; Versicherungswirtschaft 5/2009, Seite 234) argumentiert aber, dass Versicherer mit "auftragslosen Ratings - ohne Bezahlung - nicht nur gute Erfahrungen gemacht haben. (...) Im Gegenteil - dadurch dass die Ratingagenturen bei diesen [Anm. d. Autors: interaktiven) Ratings meist einen sehr viel besseren lnformationszugang haben, dürften "Auftragsratings" tendenziell sogar auf einem besseren Informationsstand beruhen".
Bewertungsansätze von nicht bei der ESMA registrierten Rating-/Analysehäusern
Viele Institutionen, die ursprünglich ihren Fokus auf die Bewertung von Versicherungsprodukten gelegt haben, stellen mittlerweile ebenfalls Analysen zur Verfügung, die die Finanzkraft der Versicherer bewerten. Diese Bewertungen haben gewisse Ähnlichkeiten zu den oben erwähnten "pi"-Ratings: sie sind ebenfalls nicht beauftragt und werden auf Basis öffentlich verfügbarer Informationen erstellt.
Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: die Bewertungsverfahren sind hier meist rein mechanistisch. Das bedeutet, dass die Kennzahlen in einem fest definierten, mathematischen Verfahren bei der Berechnung des Bewertungsergebnisses Berücksichtigung finden. Eine kritische Würdigung der Kennzahlen erfolgt nicht.
Das Zusammenspiel aus dem Fokus auf öffentlich zugängliche lnformationen und einer rein mechanistischen Herangehensweise führt zu zwei gravierenden Schwachpunkten dieser Ansätze. Erstens sind diese rückwärtsgewandt und können unterjährige Schwankungen auf der Kapitalanlageseite nicht berücksichtigen. Zur Erinnerung: S&P hat diese Art von Ratings gerade bei Versicherern mit signifikantem Lebensversicherungsexposure aktiv zurückgezogen, weil die Ratingagentur zu dem Schluss gekommen war, dass reine "pi"-Ratings bei der Beurteilung der Finanzstarke von Versicherern in Zeiten hoher Volatilitäten an den Finanzmärkten nicht mehr gerecht werden.
Gleichzeitig besteht ein zweiter Schwachpunkt in der rein mechanistischen, häufig am Marktdurchschnitt ausgerichteten Berechnung des Ergebnisses. Das Problem hierbei besteht darin, dass einige der zu Grunde gelegten Kennzahlen sehr ambivalent sein können (Beispiele siehe Kasten). Im Extremfall können sogar kurzfristige Verbesserungen zu Lasten der langfristigen Tragfähigkeit des Unternehmens erzielt werden. In einem aussagekräftigen Finanzstärkerating sollte daher dahingehend differenziert vorgegangen werden.
Darüber hinaus ist die zwar transparente, aber dennoch nicht immer nachvollziehbare Gewichtung der einzelnen Kennzahlen nicht unproblematisch. Gerade wenn eine Fokussierung auf einige wenige Kennzahlen erfolgt, sollte nicht nur deren Auswahl, sondern auch deren Gewichtung wohl durchdacht und nachvollziehbar sein. Hier gibt es häufig Defizite hinsichtlich der Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
Ähnlich hat Schultz bereits früher formuliert: "Viele Ratings deutscher Ratingagenturen leiden dagegen unter fehlender Angemessenheit bzw. Problemadäquanz" (in: Welche Macht haben Ratingagenturen?, Versicherungsratings, Gabler 2005, S.8). Die bekanntesten und bei Versicherungsvermittlern/-maklern wohl beliebtesten "Unternehmensratings" denen solche Verfahren zu Grunde liegen, werden von Morgen & Morgen, im mapreport, von Franke & Bornberg sowie von Softfair veröffentlicht (siehe hierzu den Kasten "Bedeutung von Finanzstärke bei der Auswahlentscheidung des Maklers").
Alle diese Institutionen sind in der letzten ESMA-Übersicht über registrierte Ratingagenturen nicht aufgeführt. Insofern wäre es transparenter, die von diesen Institutionen durchgeführten Bewertungen nicht unter der Etikette Rating zu veröffentlichen. Um Risiken im Rahmen der Maklerhaftung zu vermeiden bzw. zu minimieren ist ein differenzierter und sensibler Umgang mit diesen Bewertungen ratsam.
Fazit: Nutzen und Grenzen von Ratings und anderen Bewertungssystemen
Alle Ratings und Bewertungssysteme haben letztlich ein Ziel: Die Reduktion der Informationsfülle, denn Verbraucher und Vermittler benötigen Entscheidungshilfen und Ratingagenturen bzw. Analysehäuser bieten genau das - allerdings in unterschiedlicher Ausprägung und Qualität.
Legt man die von der Wissenschaft erarbeiteten Anforderungen an Ratings (beispielsweise Angemessenheit, Nachvollziehbarkeit, Genauigkeit, Unabhängigkeit) zugrunde, so gelangt man zu dem Schluss, dass die Verfahren der unterschiedlichen Anbieter den Qualitätsansprüchen in unterschiedlicher Weise genügen.
So schreibt Manfred Poweleit im map-Report über Ratings Deutscher Lebensversicherer (map-report August 2013): "Warum glaubt uns niemand, dass wir selbst vor einer Überwertung unserer Testergebnisse immer wieder warnen? Weil alle die einfache Wahrheit suchen und sie jetzt von uns erwarten? Sorry, diese Erwartung können wir nicht erfüllen. Auch wir können nicht in die Zukunft sehen."
Im Kräftespiel zwischen Versicherern, Versicherungsnehmern, Anteilseignern und Wettbewerbern kommt den unabhängigen Vertrieben eine wichtige Rolle zu. Aber auch Makler sind einer sich rascher verändernden und komplexeren Unternehmens- und Produktlandschaft ausgesetzt. In diesem Umfeld steigt das Bedürfnis nach Soliditäts- und Transparenzmerkmalen der Versicherungsunternehmen.
Für den Verbraucher und die Vermittler sind es vor allem die Produkt- und Servicequalität eines Versicherers, die Preispolitik , sowie seine Finanzstärke, die bei einer Kaufentscheidung zugrunde gelegt werden sollten. Zur Beurteilung der Produktgüte braucht man vor allem die allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die Beiträge um das Preis- Leistungsverhältnis beurteilen zu können. Auch sollte die Servicequalität eines Versicherers berücksichtigt werden. Produktvergleiche als Entscheidungshilfen sind dabei grundsätzlich zu begrüßen, da der durchschnittliche Verbraucher ohne externe Hilfe kaum in der Lage sein dürfte, die vielfaltigen Angebote der Versicherer zu vergleichen. Allerdings bleibt fraglich, ob dem Benutzer solcher Informationen immer klar ist, was in der jeweiligen Analyse untersucht wurde.
Die Finanzstärke des Versicherers ist erst in einem zweiten Schritt entscheidend, denn ein solider Versicherer mit einem unterdurchschnittlichen Produkt ist für den Verbraucher kaum empfehlenswert.
Bei der Bewertung der Solidität erscheint es sinnvoll, ein Mindestrating-Ergebnis von einem Versicherer zu erwarten. Die zu Grunde gelegten Ratings sollten jeweils den aktuellen Marktentwicklungen angemessen Rechnung tragen und nicht auf mechanistischen Kennzahlensystemen ohne qualitative Überprüfung beruhen. Diesen Anforderungen werden derzeit nur die interaktiven Bonitätsratings der großen Ratingagenturen gerecht. Nur wenn ein Versicherer keine solchen Ratings vorweisen kann, kann mangels Alternativen der Rückgriff auf die kennzahlenorientierten Bewertungen sinnvoll sein.
Im Ergebnis lässt sich festhalten: Ratingagentur ist nicht gleich Ratingagentur und Rating ist nicht gleich Rating. Wer sich auf Ratings stützen mochte - sei es als Verbraucher oder als Vermittler/Makler - sollte genau darauf achten, welches Rating im Hinblick auf die zukünftige Solidität eines Versicherers eine fundierte Einschätzung bietet und welches Rating mit Vorsicht zu genießen ist.
[Quelle: Der Artikel ist ein Auszug aus einer Veröffentlichung des Autors in der "Zeitschrift für Versicherungswesen", Ausgabe 17/2014 vom 1. September 2014]
Beispiele für kritische Kennzahlen bei mechanistischen Unternehmensbewertungen
Lebensversicherung
Nettoverzinsung
Diese Kennzahl hat im Bewertungsprozess meist ein hohes Gewicht. Versicherer können diese Kennzahl allerdings durch die Auflösung von Bewertungsreserven kurzfristig erhöhen. Dies geht dann zu Lasten der langfristigen Stabilität - vor allem angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase. Eine hohe Nettoverzinsung kann also sowohl positiv als auch negativ zu sehen sein.
Wachstumsquote
Bei der Wachstumsquote werden vereinzelt nicht alle Geschäftsfelder von Lebensversicherern erfasst. Speziell die kapitalschonenden fondsgebundenen Produkte sowie biometrische Produkte bleiben außen vor. Versicherer mit hohem Wachstum in diesen Bereichen und niedrigem Wachstum im klassischen Bereich sollten angesichts der Niedrigzinsphase profitieren. Hier führt fälschlicherweise der umgekehrte Fall zu einer guten Bewertung.
Krankenversicherung
Versicherungsgeschaftliche Ergebnisquote
Die meisten mechanistischen Ratings sehen diese Kennzahl uneingeschränkt positiv. Eine versicherungstechnische Ergebnisquote deutlich über dem Marktdurchschnitt ist aber nicht zwingend positiv zu sehen, sondern könnte beispielsweise auf überteuerte Produkte oder ein erhöhtes Storno hindeuten und damit ggf. negativ sein. Hier ist eine genaue Betrachtung notwendig.
Wachstumsgrößen (Voll- und Ergänzungsversicherung)
Fast alle mechanistischen Ratings bewerten ein hohes Wachstum uneingeschränkt positiv. Auf den ersten Blick scheint Wachstum auch positiv. Die Aussagekraft für Krankenversicherer ist aber sehr begrenzt, denn hohes Wachstum kann auch auf Kosten der langfristigen Stabilität und Solidität des Unternehmens beispielsweise durch eine laxe Annahmepolitik oder aggressive Preispolitik forciert werden - beides Faktoren die sich auf lange Sicht in Form von hohen Beitragsanpassungen auswirken. Wachstum ist somit positiv, aber nicht Wachstum um jeden Preis - hierfür hat es speziell in der Branche der PKV mahnende Beispiele gegeben. Im Rahmen einer mechanistischen Bewertung ist diese Kennzahl somit überaus kritisch zu sehen.
Bedeutung von Finanzstärkeratings bei der Auswahlentscheidung des Maklers
Der § 60 Abs. VVG verpflichtet den Versicherungsmakler dazu, "seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse der Versicherungsnehmers zu erfüllen". Kommt ein Makler dem nicht oder nur unzureichend nach, drohen ggf. Schadenersatzansprüche. Um eine fundierte Empfehlung aussprechen zu können, sollte ein Makler mindestens vier fachliche Kriterien im Rahmen einer Gesamtschau abwägen. Hierzu gehören, der Deckungsumfang, die AVB, die Prämie sowie die Finanzstärke.
Um gerade diesen letzten Teilaspekt der Finanzstärke beurteilen zu können, kann ein Makler verschiedene Ratings oder Bewertungen heranziehen. Wie aus dem Text hervor geht sollte es hierbei nicht egal sein, welches Rating bzw. welche Unternehmensbewertung bei der Auswahlentscheidung zu Grunde gelegt wird. Insbesondere aufgrund der dargelegten Schwächen der rein mechanistischen Bewertungssysteme (beispielsweise Ambivalenz einiger Kennzahlen, Vergangenheitsorientierung), wird es regelmäßig empfehlenswerter sein, die Ergebnisse eines interaktiven Ratings - soweit vorhanden -bei der Ausarbeitung einer Empfehlung zu bevorzugen.
Kommentare zu diesem Beitrag
Können diese zu widersprüchlichen Resultaten kommen und wenn ja, ist das sinnvoll? Ein interessantes Feld.
Ratings sind zukunftsgerichtet und haben einen Zeithorizont von 3-5 Jahren.
Pi Ratings sind dagegen rückwärtsgerichtet, da sie nahezu ausschließlich auf der Analyse von Geschäftsberichten beruhen, deren Inhalte in wichtigen Punkten erläuterungsbedürftig sind. Das betrifft vor allem die Vermögensanlagen, auf die bei einer Versicherungsgruppe weit mehr als 50 Prozent der Kapitalanforderungen entfallen. Hier fehlen wichtige Angaben zu Duration und Bonität von Bonds (Asset Liability Management/Duration Matching), Anlageklassen und einzelne Emittenten (Konzentrationsrisiko), auch fehlen Angaben zu Investments in Problemstaaten, und um was für Aktien es sich handelt.
Ferner können im pi Rating wichtige Elemente des interaktiven Ratingprozesses kaum beurteilt werde (u. a. Management, Strategie, Governance, Risikomanagement).
Ferner werden interaktive Ratings fortlaufend (auch unterjährig beobachtet).
Regulierung und Prognosequalität:
Es ist doch nicht von ungefähr gekommen, dass die Kreditratingagenturen reguliert worden sind.
Es ist doch zum Beispiel bei der Bewertung US-amerikanischer strukturierte Produkte (Hypotheken) zu klaren Schwachstellen gekommen.
Bitte bedenken Sie die jahrelange Diskussion zu den Themen Selbstregulierung und Regulierung "Who ratest he raters?").
Kurz- und Langfristratings:
Der Zeithorizont für Langfristratings ist normalerweise 3 bis 5 Jahre; Kurzfristratings sind typischerweise für Obligtionen mit einer Ablaufdauer von weniger als 365 Tagen. Kurzfristratings wird in einer festgefügten Matrize von den Langfristratings abgeleitet (abhängig von der Beurteilung der Liquidität des Emittenten).