Schlappe für die Euro-Skeptiker

Karlsruhe gibt grünes Licht für europäischen Rettungsschirm


Karlsruhe gibt grünes Licht für europäischen Rettungsschirm News

Die Karlsruher Verfassungsrichter haben grünes Licht für den künftigen europäischen Rettungsschirm ESM gegeben. Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes lehnten am Mittwoch die Eilanträge der Kläger gegen den Euro-Rettungsschirm und den Fiskalpakt im Grundsatz ab. Zugleich hat das Gericht seine Entscheidung mit Vorgaben vor allem zu den Haftungsgrenzen verbunden. Damit kann Deutschland den ESM und den Fiskalpaktes als völkerrechtliche Verträge bis zu einem endgültigen Urteil des Verfassungsgerichtes ratifizieren und dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm unter bestimmten Auflagen beitreten. Deutschland schultert 27,15 Prozent des ESM. Aufgeschlüsselt entspricht das 22 Milliarden Euro an Barkapital, das in fünf Raten überwiesen werden muss. Dazu kommen 168 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital.

Gegen die deutsche Ratifizierung des ESM haben neben dem CSU-Politiker Peter Gauweiler auch die Linksfraktion im Bundestag sowie der Verein Mehr Demokratie geklagt, dem sich etwa 37.000 Bürger angeschlossen haben. Die Kläger argumentierten, die Gesetze verstießen gegen das Grundgesetz, da sie die Haushaltsautonomie des Bundestages außer Kraft setzten. Deutschland gehe in den Verträgen zum ESM und Fiskalpakt unbegrenzte und nicht korrigierbare Haftungsrisiken ein. Das Haushaltsrecht des Bundestages werde faktisch ausgehöhlt.

Der Euro-Rettungsschirm ESM sollte ursprünglich bereits am 1. Juli starten. Die deutschen Verfassungsklagen hatten das verhindert. Bundestag und Bundesrat hatten am 29. Juni in Sondersitzungen jeweils in Zweidrittel-Mehrheit den permanenten Rettungsmechanismus gebilligt.

Bankenverband begrüßt Haftungsauflagen aus Karlsruhe für ESM

Der Bundesverband deutscher Banken sieht mit der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sichergestellt, dass die Haftungsrisiken für Deutschland nicht unbegrenzt sind. "Mit seinen Auflagen hat das Gericht deutlich gemacht, dass der ESM kein Fass ohne Boden sein darf", erklärte Michael Kemmer, Hauptgeschaftsführer des Bankenverbandes.

Bei wesentlichen Änderungen der Regeln und Bedingungen müssten auf jeden Fall Bundestag und Bundesrat informiert und beteiligt werden. Nach dem Urteil könne Deutschland nun sowohl den ESM-Vertrag als auch den Fiskalpakt ratifizieren. Damit kämen die institutionellen Reformen der Europäischen Währungsunion einen weiteren Schritt voran.

"Jetzt steht Europa mit dem Stabilitätsmechanismus ein dauerhaftes Instrument zur kurzfristigen Krisenbewältigung zur Verfügung", betonte Kemmer. Allerdings müsse klar sein, dass die Hilfe des ESM die erforderlichen tiefgreifenden wirtschaftlichen und institutionellen Strukturreformen in den Euro-Staaten nicht ersetzen könne.

DSGV: Karlsruhe begrenzt Haftung und stärkt Parlamentsrechte

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sieht durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) die Parlamentsrechte gestärkt und bewertet zugleich die Haftungsbeschränkung als positiv. "Das Urteil ist sehr ausgewogen: Es ermöglicht Stabilisierungen über den ESM, stellt aber die Bindung an die Entscheidungen der Parlamente sicher und nimmt eine notwendige Haftungsbeschränkung für Deutschland vor", erklärte DSGV-Präsident Georg Fahrenschon. Solidarität dürfe nicht Solidität und Gewaltenteilung in Frage stellen. "Das hat das Gericht klargestellt", so Fahrenschon.

ESM-Urteil erhöht Druck auf EZB

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsfonds ESM erhöht nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), verstärkt Staatsanleihen zu kaufen. "Da die Latte für eine Erhöhung des ESM-Haftungsrahmens nach dem Urteil erwartungsgemäß hoch liegt, dürften die europäischen Politiker weiter Druck auf die EZB ausüben, zukünftig in großem Stil Anleihen der Peripherieländer zu kaufen und den ESM so zu entlasten", urteilte Krämer. Die EZB wird aus seiner Sicht einen größeren Beitrag "für die Errichtung einer Haftungsunion" leisten als der ESM. Diese Haftungsunion macht einen Euro-Austritt Italiens und Spaniens aus Krämers Sicht in den nächsten Jahren sehr unwahrscheinlich, sie werde aber die grundlegenden Probleme dieser Länder nicht lösen, sondern nur "übertünchen".

Politik sieht sich im Weg des Krisenmanagements bestätigt

Die Genehmigung des Euro-Rettungsfonds ESM durch das Bundesverfassungsgericht ist nach Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Zeichen dafür, dass Deutschland seine Verantwortung in der aktuellen Krise entschlossen wahrnimmt. "Deutschland sendet heute einmal mehr ein starkes Signal nach Europa und darüber hinaus", sagte Merkel in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag in Berlin.

Die Entscheidung unterstreiche einmal mehr, dass Deutschland seine Verantwortung entschlossen wahrnehme und ein verlässlicher Partner in Europa sei. "Das hat heute unser oberstes Gericht, das Bundesverfassungsgericht, der Hüter unserer Verfassung, mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, indem es den Weg für den ESM und den Fiskalvertrag frei gemacht hat", betonte Merkel in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag in Berlin. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat hätten dies bereits bei allen Entscheidungen in den vergangenen Monaten mit zum Teil überwältigenden Mehrheiten unter Beweis gestellt.

Der Tenor der Entscheidung entspreche dem von der Regierung verfolgten Kurs zur Krisenbewältigung. "Das Gericht macht den Weg genau in dem Geiste frei, der uns und mich auch ganz persönlich immer geleitet hat: Das ist das Zusammenwirken aller Institutionen und insbesondere mit dem Deutschen Bundestag", sagte Merkel. Die Bekräftigung der Rechte des Parlaments gebe dem Parlament wie auch den Steuerzahlern Sicherheit. "Diese Sicherheit ist wichtig für den Kurs, den wir zu gehen haben", sagte die Kanzlerin. Deshalb sage sie: "Das ist ein guter Tag für Deutschland und das ist ein guter Tag für Europa."

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hatte zuvor zum Auftakt der Generaldebatte die Bedeutung der Karlsruher Entscheidung für die weitere politische Arbeit hervorgehoben. "Politisch können und müssen wir über den richtigen Weg aus der europäischen Krise streiten, aber wir müssen es auf verfassunsgrechtlich gesichertem Grund tun, und diese Klarheit haben wir seit heute wieder", sagte Steinmeier.

Er sei froh über die Entscheidung. Sie mache den Weg frei macht für den Start des ESM. Sie bestätige die Parlamentshoheit über den Haushalt. Zudem sei nach dieser Entscheidung klar, dass es im ESM keine Entscheidungen geben dürfe, die die Haftung Deutschlands verändert würden. Das Gericht habe auch deutlich gemacht, dass das Informationsrecht des Bundestages Vorrang vor den Vertraulichkeitsgrundsätzen der ESM-Gremien haben müsse. Europäische Integration könne es nur mit parlamentarischer Kontrolle und Beteiligung geben. "Das ist die Kernbotschaft, die wir heute aus Karlsruhe vom Bundesverfassungsgericht erhalten haben", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

 

[Bildquelle: © Klaus Eppele - Fotolia.com]

 

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /12.09.2012 13:02
+++ BVerfG untersagt implizit EZB-Finanzierung des ESM +++

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil zum Euro-Rettungsschirm ESM nach Einschätzung von Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, implizit eine Refinanzierung des ESM über die Europäische Zentralbank (EZB) untersagt. Die Begrenzung der deutschen Garantieverpflichtungen auf 190 Milliarden Euro mache eine Vervielfachung des ESM-Volumens über eine solche Hebelung unmöglich, schrieb Schmieding in einer Stellungnahme zu dem Gerichtsurteil. Allerdings sei eine "Banklizenz" für den ESM wegen der geplanten EZB-Staatsanleihekäufe ohnehin nur noch von untergeordneter Bedeutung.

Der ESM und die von der EZB angekündigten Maßnahmen können nach Schmiedings Einschätzung mögliche neue Aufwallungen der Euro-Krise dämpfen und dazu beitragen, dass die deutsche Wirtschaft ab Jahresende wieder wächst.
RiskNET Redaktion /12.09.2012 13:03
+++ Rösler: Urteil bringt uns stabilem Euro wichtigen Schritt näher +++

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat das Karlsruher Urteil zum Euro-Rettungsfonds ESM als Schritt zu einem weiter stabilen Euro gewertet. "Mit diesem klaren und eindeutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sind wir dem Ziel, den Euro stabil zu halten, einen wichtigen Schritt näher gekommen", sagte der FDP-Vorsitzende am Rande der Plenartagung im Bundestag zu Journalisten.

Das Urteil bedeute "einen guten Tag für Europa". Mit ihm sei der Weg frei für eine Ratifizierung von ESM und Fiskalpakt. Entscheidend sei künftig ein diszipliniertes Verhalten der Euro-Staaten. "Wenn jeder Mitgliedsstaat sich konsequent an dieses Regelwerk hält, dann prophezeie ich Ihnen, wird der Euro eine der stabilsten Währungen der Welt werden", zeigte sich Rösler überzeugt.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnete das Urteil als "eine gute Nachricht für die Stabilität der Wirtschaft" in Deutschland und Europa. Gleichzeitig kritisierte er aber den Plan der Europäischen Zentralbank für unbegrenzte Ankäufe von Staatsanleihen der Krisenländer als "gefährlichen Weg".
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