Drei Länder, ein Konflikt. Die Rede ist von der Kaschmirkrise und den daran beteiligten Staaten Indien, Pakistan und der Volksrepublik China. Bei der Auseinandersetzung geht es um alte Feindschaften, neue Bündnisse sowie geopolitische und wirtschaftliche Interessen in der Himalaya-Region mit seinen über 17 Millionen Einwohnern. Damit sind wir mittendrin im letzten Teil unserer Trilogie zu "Krisen, Konflikte und Kriege: Geopolitik am Scheideweg". In letzten Beitrag widmen wir uns dem seit den 1940er-Jahren bestehenden Konflikt um Kaschmir. Einer Krisenregion, in der die drei Atommächte Indien, Pakistan und China im Dreiländereck des Kaschmirtals ihre jeweilige Agenda ausspielen. Und das mit harter militärischer Hand.
Als die Briten im Juni 1947 die Unabhängigkeit Indiens verkündeten, endete die fast 90-jährige britische Herrschaft über die "Kronkolonie "Britisch-Indien". Über Nacht wurde der Subkontinent Indien unabhängig und gleichzeitig begann ein neuer Konflikt. Denn die Spannungen zwischen Hindus und Moslems endeten in einer Tragödie. Der Spiegel spricht von einer "der schlimmsten Massaker der Geschichte mit mehr als einer halben Million Toten". Die Folge war die Abspaltung Pakistans. Mit dieser kopflosen und voreiligen Grenzziehung schürte Britannien einen Konflikt, der bis heute anhält. Infolgedessen herrscht seit Ende der 1940er-Jahre Eiszeit zwischen Indien und Pakistan. Doch diese oft in den Medien angesprochene Rivalität und Feindschaft zwischen Indien und seinem pakistanischen Nachbarn ist nur die halbe Wahrheit. Professor Günther Schmid, Experte für internationale Sicherheitspolitik und Sprecher im Rahmen des RiskNET Summit 2020, erklärt in einem Interview mit der RiskNET-Redaktion: "Viele Menschen denken bei Kaschmir an eine Zweiteilung der Region." Doch das stimme nicht. "Denn Kaschmir ist dreigeteilt, sprich Indien, Pakistan und China teilen sich seit Jahrzehnten die Region mit teils unklaren und nicht einvernehmlichen Grenzverläufen der rund 3.400 Kilometer langen Grenze", so Schmid.
Indien, China und das Seidenstraßenprojekt
So habe China bereits in den 1950er-Jahren das Gebiet Aksai Chin besetzt. Vor allem die Grundhaltung zwischen Indien und China sei nach Schmids Einschätzung allgegenwärtig, trotz der Kriegsvermeidungspolitik. Und es kommt immer wieder zu Zwischenfällen. Die Deutsche Welle schreibt in einem Beitrag vom Juni 2020: "Bei einem Scharmützel zwischen indischen und chinesischen Truppen im Himalaya hat es Verluste auf beiden Seiten gegeben. Der Streit um die an Kashmir angrenzende Region nimmt immer bedrohlichere Formen an." Und weiter heißt es: "Die beiden Atommächte streiten schon seit vielen Jahren um die Grenzverläufe in der Region. Die Grenzen in der abgelegenen Region, die während der britischen Kolonialbeherrschung Indiens gezogen wurden, wurden von beiden Seiten teils unterschiedlich interpretiert." Die österreichische Tageszeitung "Der Standard" konstatiert in einem Beitrag mit dem Titel: "Indien-China-Konflikt: Gefährliches Höhentraining zweier Atommächte": "Indien will seinem nördlichen Nachbarn nicht mehr die Oberhand im Himalaja überlassen. Die beiden Atommächte stoßen immer öfter zusammen." Der Experte für internationale Sicherheitspolitik Schmid sieht in diesem Konflikt eine klare Machtpolitik in der Region. Und mehr noch spricht Schmid von einer Art Einkreisungsphobie beider Staaten, wenn er sagt: "Beide Seiten fühlen sich durch die jeweilige Politik des anderen eingekreist. Ich würde sogar von einer Einkreisungsphobie auf beiden Seiten sprechen." Daher werde seiner Meinung nach das chinesischen Seidenstraßenprojekt von Indien sehr misstrauisch beobachtet, gerade weil es im Interessengebiet Indiens verlaufe.
China: Der Feind meines Feindes ist mein Freund
Gerade am Dreiländer-Konflikt um Kaschmir zeigt das Zitat: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" seine ganze Entfaltung. Im Mittelpunkt: China. Während Indien und China sich argwöhnisch beäugen und die militärische Konfrontation nicht scheuen, sucht Pakistan die Nähe zum indischen Kontrahenten. Im letzten Jahr verkündete das chinesische Handelsministerium: "China und Pakistan beendeten die zweite Verhandlungsrunde über das chinesisch-pakistanische Freihandelsabkommen und unterzeichneten einen Kooperationsvertag."
In der Meldung heißt es weiter: "Der Kooperationsvertag hat die Abschnitte über Markteintritt, Zollsenkung, Herkunftsregel, Handelshilfe und Investition aktualisiert und bearbeitet und ein Kapital über die Zusammenarbeit zwischen Zollämtern hinzugefügt.
Der Kern ist, das Niveau der Handelsliberalisierung des Warenhandels zu erhöhen. Nach dem Inkrafttreten wird der Anteil der zollfreien Produkte von 35 Prozent auf 75 Prozent erhöht." Das Referat Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung fügt in einem Beitrag zu: "In die Quere gekommen" an: "Die Rivalität zwischen Indien und China sitzt tief und betrifft auch das Verhältnis zu Pakistan, Indiens 'Erzfeind'. China unterstützt Pakistan politisch und ökonomisch und stärkt, zum Ärger und zur Sorge Indiens, das pakistanische Militär."
Auf der anderen Seite sucht Indien die Nähe zu den USA und umgekehrt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) will die USA "der zunehmenden Macht des kommunistischen China Einhalt gebieten". Dafür setze nach SZ-Berichten Trump wie schon seine Vorgänger auf die Atommacht Indien. Und weiter heißt es: "Die USA werden Indiens wichtigster Militärpartner sein, versprach Trump." Dem entgegnet der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin, wonach der "Aufbau eines globalen antichinesischen Bündnisses" durch die USA Illusion sei. Zudem warnt China die indische Regierung nach Informationen von Radio China International vor dem "Bau von Straßen durch Indien im umstrittenen Grenzgebiet Ladakh. China erkenne die illegale indische 'regierungsunmittelbare Zone Ladakh' nicht an und spreche sich außerdem gegen den Bau von Infrastruktur in umstrittenen Grenzregionen aus." Wen wundert es, wenn Günther Schmid die These aufstellt, "dass rund 90 Prozent der strategischen Raketenbewaffnung Indiens nicht auf Pakistan gerichtet ist, denn dafür reichen Kurzstreckenraketen, sondern auf China". Damit steht Kaschmir im Fadenkreuz mindestens dreier Atommächte – Ausgang geopolitisch ungewiss.
RiskNET Summit und die geopolitische Risikolandkarte
Die Geopolitik ist auch im Rahmen des kommenden RiskNET Summit (20. und 21. Oktober 2020, Raubling bei Rosenheim) ein Thema auf der Agenda. Unter anderem mit einem Vortrag von Professor em. Dr. Günther Schmid, Experte für internationale Sicherheitspolitik, zum Thema: "Globalisierung auf der 'Isolierstation': Internationale Politik und Sicherheit nach der Corona-Krise."
Weitere Informationen unter: https://summit.risknet.de