Wer schon einmal versucht hat, bei seinem Wocheneinkauf im Supermarkt strenge Kriterien hinsichtlich der Regionalität oder saisonalen Verfügbarkeit anzulegen, weiß, wie schwierig es schon im Kleinen ist, die benötigten Informationen zu erhalten, richtig einzusortieren, zu analysieren und schlussendlich für den Entscheidungsprozess anzuwenden. Die deutschen Unternehmen stehen mit dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vor einer ungleich komplexeren Aufgabe: Eine Unmenge an Daten bezüglich verschiedener ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) muss erhoben und dann sorgfältig analysiert werden. Eine ohne technologiebasierte Lösung nicht zu stemmende Herausforderung, um die das Risikomanagement der Unternehmen angesichts der möglichen Sanktionen im Falle einer fehlerhaften Datenaufbereitung aber nicht herumkommt.
Schon ab dem Jahr 2023 sollen Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern sicherstellen, dass ihre Lieferanten die Menschenrechte beachten, sich an die Arbeitssicherheit halten und Auflagen des Umweltschutzes erfüllen. Ein Jahr später folgen dann auch Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern. Aber sind die Unternehmen auch bereit für diesen Schritt? Eine im Auftrag von Aras durchgeführte Befragung unter deutschen Unternehmen zeigt, dass die Betriebe schon jetzt reichlich mit ihren Lieferketten zu kämpfen haben. Drei von vier Unternehmen sehen in der Supply Chain die zentrale Herausforderung für das laufende Jahr, erst danach folgen die Megathemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Für die Aras-Studie "Von Nachhaltigkeit bis Digitalisierung: Challenges 2022" wurden mehr als 130 Top-Führungskräfte deutscher Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 100 Mio. Euro befragt.
Abb. 01: Wie groß sind Ihre aktuellen Herausforderungen in der Lieferkette?
Dass sich die Lieferkette in diesem Jahr zu einem Sorgenkind aufschwingt, liegt nicht allein am Gesetzgeber, sondern auch an den Folgen der Corona-Pandemie. Deshalb gilt es jetzt, die Supply Chain nicht nur im Hinblick auf neue regulatorische Vorgaben umzustrukturieren, sondern auch generell krisenresistenter aufzusetzen. Die Unternehmen müssen also gleich an zwei Punkten ansetzen und dabei stets die Anforderungen des Regulierers beachten. Das ist eine Mammutaufgabe, die in vielen Unternehmen – auch das ein Ergebnis der Aras-Studie – von trägen Prozessen und veralteten IT-Systemen gebremst wird.
Lieferketten müssen künftig mehr als nur effizient sein
Jahrelang waren die weltweiten Beschaffungswege auf Effizienz getrimmt, andere Aspekte wurden dabei häufig vernachlässigt – zum Beispiel Resilienz oder Nachhaltigkeit. Die vergangenen beiden Jahre haben offengelegt, wie anfällig die Lieferketten für unvorhergesehene Ereignisse sind, sei es durch eine Pandemie oder ein im Suezkanal havariertes Container-Schiff. Lange Lieferzeiten, Engpässe und steigende Rohstoffpreise haben das Problembewusstsein in vielen Unternehmen geschärft.
Eine Folge dieses neuen Risikobewusstseins: Die Hälfte der von Aras befragten Unternehmen plant, künftig bei der Auswahl der Produktionsstandorte auf die Nähe zum Absatzmarkt zu achten. Neue Zulieferer in das Lieferantennetzwerk einzubinden, bedeutet aber auch Mehraufwand für das Risikomanagement, schließlich müssen die Unternehmen auf ESG-Konformität untersucht und regelmäßig überprüft werden.
Erst jedes dritte Unternehmen ist gut auf das Lieferkettengesetz vorbereitet
Die Neustrukturierung der Supply Chain steht unter einem hohen Zeitdruck. Und die Studie "Challenges 2022" zeigt: Nicht in allen Fällen lassen sich die vom Regulierer vorgegebenen Fristen einhalten. In zwei von drei Unternehmen gibt es klare Zweifel, ob die Pflichten pünktlich erfüllt werden können. Erst jedes dritte Unternehmen ist nach eigener Angabe wirklich gut auf das neue Lieferkettengesetz vorbereitet.
Abb. 02: Wird Ihr Unternehmen die Pflichten aus dem Lieferkettengesetz pünktlich zum Start erfüllen können?
Eine schnelle und gewissenhafte Umsetzung ist jedoch ratsam, denn die möglichen Sanktionen können die Unternehmen empfindlich treffen. Neben Bußgeldern droht auch der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Für die Unternehmen geht es also um mehr als nur Image- und Compliance-Risiken. Die Markt- und Kostenrisiken können beträchtlich sein.
Im Rahmen des Lieferkettengesetzes sind die Unternehmen verpflichtet, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres einen Bericht vorzulegen, in dem menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken identifiziert und aufgelistet werden. Um den Aufwand für Unternehmen möglichst gering zu halten, soll ein elektronisches Berichtsformat eingeführt werden. Die für das BAFA bereitgestellten Daten können dann auch zur Erfüllung der CSR-Berichtspflicht herangezogen werden.
Hohes Datenvolumen stellt Unternehmen vor Herausforderungen
Innerhalb der kommenden Monate muss also die Nachhaltigkeitsperformance von im Zweifel Hunderten Lieferanten unter besonderer Berücksichtigung der ESG-Kriterien genauestens überprüft werden. Größte Herausforderung dabei ist das hohe Datenvolumen. Für die Erfassung und Verarbeitung der Daten müssen die Unternehmen viel Zeit und Arbeit einplanen. Das kann nur von dezidierten Teams bewältigt werden, die zudem auch Zugriff auf eine technologiebasierte Lösung zur systematischen Erfassung und Analyse der Lieferantendaten haben.
Aus Sicht des Risikomanagements stehen dabei im Vordergrund:
- Transparenz ermöglichen und erhalten
- Verwaltung und Sicherstellung der Bestände
- Optimierung von Produktion und Vertrieb
- Agiles Management auf Nachfrage- oder Logistik-Herausforderungen
Diese Herausforderungen lassen sich mit einem kollaborativen Product Lifecycle Management (PLM) steuern und weiterführend auch zur Optimierung der Lieferkette nutzen. Vom Datenmanagement über die Prozesse bis hin zur unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit wird eine digitale Durchgängigkeit gewährleistet. Damit ist ein Rahmenwerk geschaffen, über das die jeweiligen regulatorischen Anforderungen iterativ abgearbeitet werden können. Denn mittels datenbasierter Prozesse, die die Supply Chain wie einen digitalen Zwilling abbilden, können die Unternehmen ihre Lieferketten steuern, überprüfen und flexibel anpassen.
Über die PLM-Plattform wird zudem die Vernetzung gefördert und vorhandene Silo-Lösungen miteinander vernetzt. Dies ermöglicht die Einbeziehung aller Abteilungen und Experten. Denn um den neuen gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, ist eine ausfallsichere Kooperation aller Akteure entlang der gesamten Supply Chain unumgänglich. Unternehmen benötigen daher intelligente, vernetzte, auf digitalen Technologien und einem beschleunigten Wissensaustausch basierende Abläufe. Sie sind die Grundlage für widerstandsfähige Prozesse, die auch in künftigen Krisen bestehen werden.
Über die Studie "Challenges 2022"
Für die Studie "Von Nachhaltigkeit bis Digitalisierung: Challenges 2022" wurden im Auftrag von Aras mehr als 130 Eigentümer und Top-Manager deutscher Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 100 Mio. Euro befragt. Die Teilnehmer kamen vor allem aus den Branchen Automotive-Industrie, Aviation, Maschinenbau, der Medizintechnik sowie dem Chemie- und Pharma-Sektor.
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