Kaum ein Bereich ist derzeit so im Fokus und vom Wandel begriffen wie die Logistik. Auf Grund innovativer Technologien entstehen neue Geschäftsmodelle, die als neue Bedarfsträger an die Logistikbranche herantreten. Aber auch die innerbetriebliche Logistik sämtlicher Branchen ist in ähnlichem Maße von diesen Veränderungen und resultierenden Anforderungen betroffen. Zudem greifen veränderte gesetzliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. In der Konsequenz müssen bestehende Prozesse überarbeitet und digitalisiert werden, und die Logistik soll ständig schneller, günstiger, zuverlässiger und nachhaltiger werden.
Betrachtet man das ganze etwas abstrakter, so resultieren viele aktuelle Herausforderungen in der Logistik aus einer sich immer schneller verändernden Umwelt und Unsicherheiten über die Zukunft. Das ist aber die klassische Spielwiese des Risikomanagers: Um hierbei als Risikomanager – oder allgemeiner als Unternehmen – erfolgreich zu sein, geht es darum, die dem (noch) unbekannten Terrain und den Unsicherheiten innewohnenden Risiken möglichst früh zu entdecken und deren potenzielle Ursache zu identifizieren sowie diese durch präventive Maßnahmen zu eliminieren beziehungsweise die Wirkung zu reduzieren [siehe vertiefend Romeike 2005].
Um die Risiken aktiv zu steuern, müssen sie im Vorfeld erkannt und als relevant eingeschätzt werden. Hier können Simulationen einen wertvollen Beitrag leisten [siehe Romeike/Spitzner 2013]. Versteht man Simulation als eine Was-wäre-wenn-Analyse, so lassen sich ausgehend von verschiedenen Annahmen bezüglich zukünftiger Entwicklungen oder auch zu Störereignissen deren Konsequenzen auf die Logistik im Speziellen bzw. die gesamte Supply Chain im Allgemeinen abschätzen. Die Simulationen helfen dabei nicht nur bei der Bewertung dieser Annahmen und einer damit verbundenen Identifikation von Chancen und Risiken, sie sind vielmehr auch ein Instrumentarium, geeignete Risikostrategien zu bewerten und entsprechend zu optimieren.
Die Möglichkeiten sind weit gestreut: sie reichen von szenariobasierter Analyse von Waren- und Informationsströmen, lange bevor in entsprechende Infrastruktur investiert wurde, über die Simulation von Supply Chains mit agentenbasierten Modellen bis zur Vorbereitung auf Wettbewerbsaktivitäten mit Business Wargames. Dem Risikomanager steht damit ein umfangreiches Methoden-Set zur Verfügung, welches problemspezifisch einzusetzen ist. Hier helfen Kriterien, welche Methode bei welcher Problemklasse geeignet ist [siehe beispielsweise Romeike/Spitzner 2013]:
- Geht es um die Auswahl von Alternativen, etwa verschiedene Partner in der Supply Chain oder alternative Transportwege, so können bei der Identifikation von Chancen und Risiken oft Szenarioanalysen erfolgreich eingesetzt werden.
- Stehen eher stochastische Einflüsse im Fokus, wie beispielsweise die Veränderung der Transportkosten durch Änderungen im Ölpreis oder der Einfluss von Naturereignissen auf die Logistikkosten, so liefert die stochastische Analyse mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation häufig gute Resultate.
- Für die Analyse von Abläufen in einem Logistik-Netzwerk und die Ausbreitung von Störungen in selbigen ist in der Regel eine ereignisbasierte Simulation ein erster Anhaltspunkt für die Risikoanalyse.
- Gerade in einem komplexen System mit Rückkopplungen und (zeitlichen) Verzögerungen in der Ausbreitung von Störungen (so kann eine Zeit lang ein Ausfall in der Zulieferung von Rohstoffen oder Halbzeugnissen durch ein Zwischenlager gepuffert werden) kann die Analyse mit Hilfe von System Dynamics neue Erkenntnisse bringen.
Nun sollte die Vielzahl der Methoden keinesfalls abschreckend auf den Logistik-Risikomanager wirken. Im Gegenteil, die meisten Methoden sind unterdessen auf dem Weg, genutzte Werkzeuge im Risikomanagement zu werden. Es geht nicht darum, die bisher im Logistik-Risikomanagement etablierten Werkzeuge abzulösen, sie sollen vielmehr ergänzt werden. Simulationen können die Schwächen etablierter Werkzeuge reduzieren. Und gleiches gilt auch umgekehrt: Simulationen als alleinige Entscheidungsbasis wären häufig ohne das Challengen ihrer dahinterliegenden Modelle durch Erfahrungen und Intuition mit der Realität überfordert.
Autor:
Dr. Jan Spitzner
Weiterführende Literaturhinweise:
- Romeike, Frank (2005). Frühwarnsysteme im Unternehmen, Nicht der Blick in den Rückspiegel ist entscheidend. RATING aktuell (Heft 2/2005, S. 22-27).
- Romeike, Frank, & Spitzner, Jan. (2013). Von Szenarioanalyse bis Wargaming. Betriebswirtschaftliche Simulationen im Praxiseinsatz: Wiley-VCH-Verlag.
Forum "Zukunftsorientierte Steuerung in der Logistik – besser vorbereitet sein mit Simulationen"
Das Forum ist Teil einer jährlich stattfindenden Veranstaltungsreihe im Kontext der zukunftsorientierten Steuerung von Unternehmen und Organisationen. Im Fokus stehen innovative betriebswirtschaftliche Methoden, die es Unternehmen ermöglichen Herausforderungen einer unsicheren Zukunft erfolgreich zu meistern. Es wird vom Institut für Controlling und Simulation an der TU Hamburg zusammen mit Spitzner Consulting, München, und der Führungsakademie der Bundeswehr, Hamburg, durchgeführt. Vertreter aus Praxis, Wissenschaft und Militär sind zu einem intensiven und intersektoralen Austausch über Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen von zukunftsorientierten Steuerungsinstrumenten eingeladen. Im Fokus des Forums 2018 stehen Erfahrungen aus der praktischen Anwendung von Simulationen für die Logistik. Neben Vorträgen, in denen die Referenten über ihre persönlichen Erfahrungen berichten, bietet das Forum auch die Möglichkeit, Simulationsmethoden im Kontext Logistik anhand von Fallbeispielen live zu erleben. Das Forum findet am 01. März 2018 in Hamburg statt.
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