In der jüngsten Subprime-Krise und Staatsschuldenkrise nahmen effektive Bedrohungen für das Finanzsystem zu, gekennzeichnet durch einen Anstieg von systemischen Risiken.
Systemisch wichtige Institute wurden zunächst nur als "too big to fail" eingestuft. Während der Krise stellte sich dies als unzureichend heraus und eine Erweiterung um "too interconnected to fail" wurde nötig, worin sich die Bedeutung von Vernetzung zwischen Unternehmen für die Sicherung der Wirtschafts- und Finanzstabilität zeigt. Entsprechende Daten zu den wechselseitigen Abhängigkeiten sind jedoch nicht öffentlich zugänglich oder unvollständig. Deshalb bedarf es ökonometrischer Methoden, die mit unvollständigen und großen, komplexen Datensätzen umgehen können, um dennoch Verbindungen aufzudecken und Spillover-Effekte zwischen den Einheiten zu quantifizieren.
Maß für Vernetzung
Während ökonometrische Ansätze zur Messung von Spillover-Effekten existieren, werden in dieser Arbeit quantitative Maße entwickelt und bewertet, die wichtige, bisher vernachlässigte Aspekte beleuchten. Technisch wird ein auf out-of-sample Prognosefehlern basierendes Maß für die Vernetzung vorgestellt, welches schneller auf Krisenereignisse reagiert als bereits existierende in-sample Maße.
Darüber hinaus werden Spillover-Effekte untersucht, die aus Bayesianischen zeitvariierenden Parametermodellen berechnet werden. Die Signifikanz von Änderungen in den Spillover-Effekten wurde bisher nicht untersucht. Dieses Defizit wird hier durch die Konstruktion und Schätzung von Konfidenzintervallen für die Maße von Spillover-Effekten behoben.
Mittels der Konfidenzintervalle und eines einzigartigen Intraday-Datensatzes über das durch CDS-Spreads gemessene Kreditrisiko europäischer Staaten liefert diese Arbeit klare Ergebnisse zur Effektivität geldpolitischer und regulatorischer Eingriffe. Die Ergebnisse zeigen, dass es im Wesentlichen die regulatorischen Änderungen waren, so das Verbot ungedeckter Leerverkäufe von CDS auf Staaten in 2012 und die neue ISDA Regulierung in 2014, die am effektivsten das systemische Risiko reduzierten. Im Vergleich dazu war der Effekt von Politikmaßnahmen gering und im Allgemeinen nicht nachhaltig. Diese hatten nur dann einen signifikanten Einfluss, wenn sie zum ersten Mal implementiert wurden und auf mehr als ein Land abzielten.
Spillover-Effektmaß
Außerdem wird in dieser Arbeit gezeigt, dass tägliche CDS- und Anleihen-Daten ergänzende Informationen für die Messung von Spillover-Effekten enthalten. Nachweislich existieren mehrere beobachtbare Faktoren, die unterschiedlich auf CDS und Anleihen wirken. In dieser Arbeit werden erstmalig die Unterschiede der Volatilitäts-basierten Spillover-Effektmaße basierend auf diesen beiden Datensätzen identifiziert. Die Befunde unterstreichen die Bedeutung beider Datenquellen für ein vollständigeres Bild über die Vernetzung zwischen den Staaten.
Übertragungseffekte
Bereitgestellt wird auch eine Anleitung für die Wahl eines passenden Ansatzes zur Schätzung der zeitvariablen Parameter für die Messung der Übertragungseffekte, indem Kalman-Filter und Gibbs-Sampler verglichen werden.
Eine empirische Analyse von 49 Sektoren des US-Aktienmarktes zeigt zudem die Wichtigkeit nicht nur des Finanzsektors, der im Fokus der meisten Studien steht, sondern auch, dass die Realwirtschaft und insbesondere die Rohstoffindustrie eine wichtige Rolle für ein umfassendes Verständnis von Spillover-Effekten spielen.
Abb. 01: Individuelle Vernetzung zwischen europäischen Staaten vor dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe von CDS auf Staaten. Dicke (dünne) Pfeile zeigen starke (schwache) Vernetzung [Quelle: Buse, Karlsruher Institut für Technologie]
Abb. 02: Individuelle Vernetzung zwischen europäischen Staaten nach der Ankündigung des Verbots ungedeckter Leerverkäufe von CDS auf Staaten [Quelle: Buse, Karlsruher Institut für Technologie]