Europas Wirtschaft scheint sich derzeit in einem Umfeld zu bewegen, das Analysten als "Goldilocks-Ökonomie" bezeichnen - ein Zustand, bei dem, wie in dem berühmten Märchen, einfach alles passt: Das Wachstum ist robust und verspricht, stärker zu werden; und die Inflation ist niedrig und verspricht noch weiter zu sinken. Die Zentralbanken lassen sich mit einer Straffung ihrer überaus lockeren Geldpolitik daher viel Zeit, was die Aktienmärkte beflügelt und das Wachstum weiter antreibt.
Dass sich das Wachstum auch in anderen Teilen der Welt verstärkt, kommt einer offenen Volkswirtschaft wie der deutschen sehr zugute: Der Welthandel wächst wieder stärker als die Weltwirtschaft, und Deutschland darf hoffen, davon mehr als andere Länder zu profitieren. Die Unternehmen erhalten mehr Bestellungen und beginnen nun doch über Investitionen nachzudenken, wobei die sehr niedrigen Zinsen einen zusätzlichen Anreiz bilden.
Wen wundert es, dass die in Unternehmensumfragen ermittelten Wachstumsindikatoren von Hoch zu Hoch eilen? Zwar lässt sich das aktuelle Niveau von Ifo-Geschäftsklima und Einkaufsmanagerindizes nicht einfach auf Basis historischer Zusammenhänge in Wachstumsraten umrechnen, aber trotzdem scheint auch in diesem Jahr wieder ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent möglich zu sein.
Ifo-Index könnte im Juli etwas sinken
Einen neuen Lackmustest der Wachstumserwartungen deutscher Unternehmen wird der am Dienstag (10.00 Uhr) anstehende Ifo-Geschäftsklimaindex für den Monat Juli liefern. Der Ifo-Index hatte im Juni ein neues Allzeithoch von 115,1 Punkten erreicht. Ein Rückgang im Juli wäre vor diesem Hintergrund weder erstaunlich noch ein Beinbruch. Das gilt besonders für den Unterindex der Geschäftslagebeurteilung, der ebenfalls ein Allzeithoch verzeichnete.
Erstaunlich war allerdings, dass die befragten Unternehmen auf Basis einer so guten Lage mit einer weiteren Besserung rechneten. Ein gewisses Korrekturpotenzial besteht also auch hier, zumal der Euro wegen der guten Wachstumsperspektiven kräftig aufgewertet hat. Sowohl Sentix-Konjunkturindex als auch ZEW-Konjunkturerwartungen sind im Juli unter anderem deshalb bereits gesunken.
Bereits heute hat IHS Markit die Einkaufsmanagerindizes für Deutschland, den Euroraum und andere europäische Länder veröffentlicht.
Deutsche Einkaufsmanagerindizes sinken deutlich
Die Aktivität in der deutschen Wirtschaft hat sich am Beginn des dritten Quartals deutlich schlechter als erwartet entwickelt. Der von IHS Markit im verarbeitenden Gewerbe erhobene Einkaufsmanagerindex (PMI) sank im Juli auf 58,3 (Vormonat: 59,6) Punkte. Zuvor befragte Volkswirte hatten einen Rückgang auf 59,2 prognostiziert. Der im nicht-verarbeitenden Gewerbe erhobene PMI sank auf 53,5 (54,0) Punkte. Erwartet worden war ein Anstieg auf 54,3 Punkte. Der aggregierte Gesamtindex schließlich sank auf ein Sechsmonatstief von 55,1 (56,4) Punkte. Indexstände über 50 signalisieren eine Expansion.
Der Auftragseingang verzeichnete den niedrigsten Zuwachs seit Jahresbeginn, während die Auftragsbestände laut Markit "zügig" zulegten. In der Industrie fiel die Produktionssteigerungsrate auf ein Sechsmonatstief, war aber immer noch überdurchschnittlich. Der Stellenaufbau in der deutschen Wirtschaft beschleunigte sich.
Erste europäische BIP-Daten fürs zweite Quartal
Außerdem werden in der Woche die ersten Wachstumszahlen für das zweite Quartal veröffentlicht: Die Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) Großbritanniens kommen am Mittwoch (10.30 Uhr), Frankreich (8.30 Uhr), Spanien und Österreich (jeweils 9.00 Uhr) sowie die USA (14.30 Uhr) folgen am Freitag. Für die USA wird nach dem sehr schwachen ersten Quartal eine deutliche Wachstumsverstärkung erwartet, für Großbritannien eine leichte und für Frankreich ein konstantes Wachstum.
BIP-Daten für Deutschland werden erst am 15. August veröffentlicht. Allerdings wird die am 1. August anstehende BIP-Veröffentlichung für den Euroraum eine Schätzung für Deutschland enthalten, die jedoch nicht veröffentlicht wird.
Deutsche Inflation im Juli bleibt schwach
Auf jeden Fall wird in der Woche der andere Aspekt der Goldilocks-Geschichte, die niedrige Inflation, fortgeschrieben: Die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessenen Lebenhaltungskosten der deutschen Verbraucher dürften im Juli erneut nur mit einer Jahresrate von 1,5 Prozent gestiegen sein - vielleicht sind es auch nur 1,4 Prozent gewesen.
Ein für die Europäische Zentralbank (EZB) ernüchternder Befund: Wie soll im Euroraum auf absehbare Zeit 2 Prozent Inflation erreicht werden, wenn das nicht mal in einer Volkswirtschaft mit voll ausgelastetem Arbeitsmarkt gelingt? Das Statistische Bundesamt wird die Zahlen am Freitag (14.00 Uhr) veröffentlichen, vorher kommen bereits Daten aus sechs Bundesländern. Den Anfang macht wie immer Sachsen (9.00 Uhr). Frankreichs Teuerungsdaten werden bereits um 8.30 Uhr veröffentlicht, Spaniens um 9.00 Uhr.
Am Donnerstag (10.00 Uhr) kommt zudem der Geldmengenbericht der EZB für Juni. Von Interesse ist hier vor allem die Entwicklung der Kreditvergabe, in der die EZB einen Vorboten des mittelfristigen Inflationstrends sieht.
US-Notenbank lässt Politik vorerst unverändert
Probleme mit einer niedrigen Inflation hat auch die US-Notenbank, deren Offenmarktausschuss FOMC am Mittwoch (20.00 Uhr) seine geldpolitischen Entscheidungen veröffentlicht. Beobachter rechnen nicht damit, dass das Gremium seine Geldpolitik ändern wird. Im Mittelpunkt des Interesses wird das geldpolitische Statement und die Frage stehen, ob die Fed darin ihre Bereitschaft zu einer weiteren Zinserhöhung in diesem Jahr bekräftigt.
Beobachter erwarten mehrheitlich, dass das der Fall sein wird. Zwar haben die jüngsten Inflationszahlen (Preisindex des privaten Verbrauchs, Kernverbraucherpreise) enttäuscht, doch deuten Äußerungen von Fed-Chefin Janet Yellen bei ihrer jüngsten Kongressanhörung darauf hin, dass die Fed dies als eine Episode betrachtet, die bald vorüber gehen wird.
Aus geldpolitischer Sicht sind außerdem zwei Termine der Bank of Japan (BoJ) von Interesse. Am Dienstag (1.50 Uhr) veröffentlicht die BoJ das Protokoll ihrer geldpolitischen Beratungen vom 15. und 16. Juni. Am Freitag zur gleichen Zeit folgt die Kurzfassung des Protokolls der Beratungen vom 19. und 20. Juli. Zinsentscheidungen stehen in der Türkei (Donnerstag, 13.00 Uhr) und in Russland (Freitag, 12.30 Uhr) an.