Risikobewertung und -analyse

Risiko ist ein Konstrukt der Wahrnehmung


Risiko ist ein Konstrukt der Wahrnehmung News

Die Wahrnehmung von Risiken ist bekanntlich individuell verschieden und wird von diversen Faktoren beeinflusst. Laien und Experten beurteilen Risiken in der Regel sehr unterschiedlich. Sind Risiken für Wissenschaftler relativ bekannt, führt dies zu einer niedrigeren Risikowahrnehmung. Umgekehrt steigt die Risikosensitivität, wenn das Risikopotenzial Wissenschaftlern eher unklar ist. Auch Angehörige verschiedener gesellschaftlicher Gruppen beurteilen Risiken oft unterschiedlich, wobei der Bildungsgrad, das Geschlecht oder die politische Orientierung eine entscheidende Determinante sein können. Frauen haben generell eine höhere Risikowahrnehmung und zeigen in den meisten Lebensbereichen weniger Risikoverhalten als Männer. Unterschiede in der Risikowahrnehmung sind also normal.

Dieses Phänomen führt zu einer Korrelation zwischen Risikowahrnehmung und Risikobereitschaft. Besonders gut ist dies im Extremsport zu beobachten. "Ich betreibe Risikomanagement", sagt etwa Formel-1-Pilot Nico Rosberg. Jeder Pilot mache sich seine eigenen Gedanken über Risikobereitschaft und die Todesgefahr im Cockpit. "Es ist ein schmaler Grat: Man muss aggressiv sein, um gewinnen zu können. Aber dafür muss man das Ziel erreichen und darf keinen Unfall haben. Daher ist es ein Kompromiss", so Rosberg gegenüber dem Infodienst Formel1.de. "Ich denke immer daran, nicht übers Limit zu gehen – um keinen Fehler zu machen. Ich denke da nicht nur an meine eigene Sicherheit, sondern auch an die der anderen Piloten um mich herum."

Diese Gratwanderung kennt auch Stephan Siegrist, einer der professionellsten Extrembergsteiger der Welt. In seinem Beruf spielt das Risikomanagement eine ganz besondere Rolle: Denn um erfolgreich zu sein, muss er täglich Spitzenleistung erbringen und bis an seine Grenzen gehen. Anderseits kann ihm die falsche Risikoeinschätzung schnell das Leben kosten. "Natürlich bleibt ein Restrisiko. Deswegen spielt die Vorbereitung, die Materialprüfung und die Erfahrung eine wichtige Rolle", so Siegrist im Rahmen der Risikomanagement-Tagung Avanon Day in Zürich. Entscheidend sei zudem, auf das Bauchgefühl zu reagieren. "Sofern ich ein ungutes Gefühl im Bauch habe, steige ich in den Berg nicht ein oder kehre um", sagt Siegrist. Ausschlaggebend sei, Phantomrisiken auszublenden und nur Risiken einzugehen, die beherrschbar erscheinen. Dabei müsse die Eintrittswahrscheinlichkeit mit dem potenziellen Schadenausmaß in einem akzeptablen Verhältnis stehen. Doch hier spielt die Risikowahrnehmung wieder eine gewichtige Rolle. Seit dem 26. Lebensjahr verdient Siegrist seinen Lebensunterhalt als Profialpinist und Bergführer. Zu den herausragenden Leistungen seiner bisherigen Bergsteigerkarriere gehören u.a. die Erstbestbesteigungen auf allen sieben Kontinenten, Besteigungen der großen Nordwände der Alpen, Expeditionen und Projekte in Nordindien und Nepal sowie Expeditionen in Nordamerika und der Antarktis, Südafrika und Patagonien. Vor diesem Hintergrund werden die realen Risiken beim Bergsteigen von Siegrist anders eingeschätzt also von Außenstehenden.

Dr. Hans-Peter Güllich, CEO der Avanon AG"Der Umgang mit Risiken im Alpinsport unterscheidet sich gar nicht grundlegend vom Risikomanagement im Unternehmenssegment", meint Dr. Hans-Peter Güllich, CEO der Avanon AG (Foto). Die zentrale Aufgabe sei, das Risikobewusstsein zu schärfen und die verschiedenen Risiken adäquat zu würdigen. Dazu gehöre eine Analyse und Bewertung der potenziellen Risiken, die Bestandsaufnahme in Form eines Risikoinventars sowie die Definition von entsprechenden Frühwarnindikatoren. "Die Risiken müssen zudem permanent einem Monitoring unterzogen werden, da die Risiken mitunter variabel sind", sagt Güllich. Dies gehe nicht selten mit einer Risiko-Neubewertung einher.

Derzeit sehen Risikomanager die größte Gefahr im Jahr 2012 durch das wirtschaftliche Umfeld und die Finanzmärkte. Bereits mit beachtlichem Abstand folgen auf den Plätzen drei und vier des Avanon-Sorgenbarometers das künftige Verhalten der Kunden sowie deren Investitions- und Konsumbereich und das politische Umfeld. Chancen orten die Befragten vor allem im Marketing und Vertrieb sowie in der Pflege und Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen. Eine hohe Bedeutung wird zudem der Unternehmens- und Risikokultur beigemessen. Hier werden besondere Chancen ausgemacht, um über eine eigenständige und differenzierende Unternehmenskultur in einem wirtschaftlich anspruchsvollen und schwierigen Umfeld erfolgreich bestehen zu können. Als wichtige Faktoren in der Risiko- und Chancenbeurteilung für das kommende Jahr werden gemäß der Avanon-Studie zudem die Finanzen, die IT-Infrastruktur sowie die internen Prozesse genannt. Keine besondere Aufmerksamkeit kommt dagegen der Umwelt und Ökologie zu. Weder in der Risiko- noch in der Chancenbewertung spielen diese beiden Themen für Risikomanager eine herausragende Rolle.

 

[Bildquelle: iStockPhoto]

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