Eine zentrale Aufgabe des Controllings ist die Vorbereitung von Managemententscheidungen mit unsicheren Auswirkungen. Themen wie Unsicherheit, Risikoanalyse, Risikosimulation, Planungssicherheit oder risikoadäquate Bewertung finden in der Controlling-Praxis und -Lehre aber zu wenig Beachtung. Der Beitrag "Risikoblindheit im Controlling und wie man sie überwindet", erschienen in der Zeitschrift Controlling, Ausgabe 5/2021, erläutert Ursachen für die verbreitete Risikoblindheit im Controlling und skizziert Handlungsempfehlungen.
Das Ergreifen von Chancen bei gleichzeitiger Vermeidung übermäßiger Risiken ist die Voraussetzung für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen – insbesondere in einer zunehmend volatilen Unternehmensumwelt. Technologische Diskontinuitäten wie der Übergang zur Elektromobilität, der Brexit und die COVID-19-Krise sollen hier nur exemplarisch als Quellen einer zunehmenden Unsicherheit genannt werden. Eine rationale Unternehmensführung wird sich daher mit allen Chancen und Risiken externer Entwicklungen und interner Entscheidungen auseinandersetzen.
Die Notwendigkeit der Betrachtung von Risikoinformationen bei Entscheidungen der Unternehmensführung ergibt sich ebenfalls aus den Anforderungen von § 93 Abs. 1 AktG, die auch als Business Judgement Rule (BJR) bezeichnet werden. So kann eine schadensersatzpflichtige Pflichtverletzung von Vorstand und Aufsichtsrat dann nicht angenommen werden, wenn beide Organe aufgrund einer angemessenen Informationsgrundlage annehmen durften, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (Safe Harbour). Die vom Gesetzgeber geforderten "angemessenen Informationen" implizieren, dass
- die Auswirkung der unternehmerischen Entscheidungen auf den zukünftigen Risikoumfang (Ruinrisiko bzw. Insolvenzrisiko sowie Verlustrisiko) dargestellt und
- Ertrag und Risiko der Entscheidung systematisch gegeneinander abgewogen werden.
Auch die Rechtsprechung hat klargestellt, dass aufgrund der Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen die adäquate Berücksichtigung von Risiken in der Entscheidungsvorbereitung und den Entscheidungskalkülen erforderlich ist.
Managemententscheidungen werden durch das Controlling vorbereitet. Dabei versorgt der Controller das Management mit relevanten Informationen und geeigneten Modellen und Methoden zur Problemlösung, Bewertung und Entscheidung. Aufgrund der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des Managements muss sich der Controller auf entscheidungsrelevante Information konzentrieren.
Dazu gehört bei unsicheren Managemententscheidungen gemäß der BJR die Bereitstellung von Risikoinformationen.
Dieser Beitrag untersucht daher, welche Ansätze und Probleme es bei einer Integration von Risikoaspekten in das Controlling gibt. Neben möglichen Ansätzen werden Thesen zur fehlenden Integration von Risikoaspekten in das Controlling thematisiert.
Zentrale Aussagen des Artikels [Quelle: Werner Gleißner | Robert Rieg | Ute Vanini (2021): Risikoblindheit im Controlling und wie man sie überwindet, in: Controlling, 33. Jahrgang 2021, Ausgabe 5/2021, S. 66.-71]:
1. In einer unsicheren Unternehmensumwelt ist eine rendite- und risikoorientierte Bewertung von Entscheidungsalternativen durch das Controlling notwendig.
2. Dies erfordert die Ableitung von Risikozielen, eine Ergänzung traditioneller Controlling-Instrumente um Risikoanalysen und Simulationen, die Integration von Risikoinformationen in Entscheidungsvorlagen und eine "risikoorientierte Ausbildung" von Controllern und Managern.
3. Ursachen einer unzureichenden Integration sind fehlende Risikoziele in der Leistungsbewertung und Anreizgewährung, eine fehlende Berücksichtigung von Risiken in der (wertorientierten) Erfolgsmessung sowie fehlende fachliche und methodische Kompetenzen der Controller und Entscheider.