Integration versus Segregation

Transferunion spaltet Ökonomen


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Eine klare Stellungnahme des Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise) gegen eine Ausweitung von Finanztransfers innerhalb der Eurozone hat bei deutschen Ökonomen ein geteiltes Echo hervor gerufen. Während sich das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) lobend äußerte, kam Kritik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und vom gewerkschaftsnahen Würzburger Ökonomen Peter Bofinger. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) legte einen eigenen Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenversicherung vor.

In einem Sondergutachten hat der Sachverständigenrat sowohl einem Budget für den Euroraum als auch einer gemeinschaftlichen Arbeitslosenversicherung eine Absage erteilt. "Zu Recht - eine Umverteilung ist mit den Grundlagen der Währungsunion nicht vereinbar", wie es in einer Stellungnahme des IW heißt.

Sowohl ein Haushalt für den Euroraum als auch eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung könnten laut Wirtschaftsweisen und auch nach Meinung des IW zu permanenten Transfers und damit zu einer Umverteilung zwischen den Mitgliedsstaaten führen. "Das ist aber mit der rechtlichen Grundlage der Währungsunion, dem Vertrag von Maastricht, nicht vereinbar. Zudem haben gerade die Auseinandersetzungen um die Finanzhilfen für Griechenland gezeigt, dass kaum ein Mitgliedstaat willens sein dürfte, die damit verbundene Einschränkung seiner Haushaltsautonomie hinzunehmen", urteilt das IW.

Die Wirtschaftsweisen hatten außerdem eine Insolvenzordnung für Euro-Staaten und die Möglichkeit eines Austritts aus dem Euro gefordert.

Kritik an dem Gutachten kam dagegen von den Ökonomen Marcel Fratzscher (DIW) und Peter Bofinger (Universität Würzburg), der selbst dem Sachverständigenrat angehört.

Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wertete die Vorschläge als Abkehr von der früher vertretenen integrationsfreundlichen Linie des Sachverständigenrats. Dass dieser jetzt einen Austrittsmechanismus aus dem Euro fordert, ist laut Fratzscher "höchst gefährlich und kontraproduktiv". "Dieser Vorschlag würde den Euro in nicht viel mehr als ein System fixer Wechselkurse verwandeln", warnte er.

Bofinger, der als Mitglied des Sachverständigenrats seine abweichende Position am Ende des Gutachtens darlegte, befürchtet, dass ein Insolvenzmechanismus das Gegenteil des Erwünschten erreicht. "Die Marktteilnehmer müssten davon ausgehen, dass es grundsätzlich zu einer Umstrukturierung von Staatsanleihen kommt, sobald ein Land auf den Kapitalmärkten unter Druck gerät. Somit könnte es schon bei kleineren Störungen zu einem Bond-run kommen, der dann nicht mehr zu stoppen ist. Natürlich könnte wiederum die EZB eingreifen, aber genau das wird von der Mehrheit vehement abgelehnt", argumentierte er.

Für eine Insolvenzordnung plädieren auch Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Laut einer Studie, an der auch Präsident Clemens Fuest mitgewirkt hat, sollen die betroffenen Länder vor Schuldenerlass und Staatskonkurs ein dreijähriges Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM durchlaufen müssen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass es Hilfen nur gegen Reformen und Konsolidierung geben kann.

Allerdings spricht sich auch das ZEW für eine europäische Arbeitslosenversicherung aus. Nach Darstellung von ZEW-Chef Fuest handelt es sich hier allerdings nicht um eine normale Arbeitslosenversicherung. "Die Eurozonen-Versicherung wird nur aktiviert, wenn ein Mitgliedsstaat von einer großen Krise getroffen wird, die den Rest der Eurozone nicht oder nur in geringerem Umfang trifft, also bei einem asymmetrischer Schock", sagte er auf Nachfrage. In solchen Fällen gebe es vorübergehend, nicht permanent Hilfen, maximal für zwölf Monate.

Die Idee einer europäischen Arbeitslosenversicherung ist nicht neu, aber aus ordnungspolitischen Gründen unter deutschen Ökonomen nicht sonderlich populär. Schließlich würde sie eine Umverteilung finanzieller Ressourcen mit sich bringen. Insofern ist es interessant, dass ein solcher Vorschlag nun aus Deutschland kommt.

Fuest ist designierter Präsident des Münchener ifo Instituts. Er folgt auf Hans-Werner Sinn, der eine eher integrationskritische Linie vertritt und sich in Deutschland einer großen Popularität erfreut.

Die Debatte der Wissenschaftler findet vor dem Hintergrund der Vorschläge der fünf Präsidenten europäischer Institutionen für eine stärkere europäische Integration statt. Dabei handelt es sich um ein Papier von Jean-Claude Juncker (EU-Kommission), Donald Tusk (Europäischer Rat), Jeroen Dijsselbloem (Eurogruppe der Finanzminister), Mario Draghi (Europäische Zentralbank) und Martin Schulz (Europaparlament). Durch das gerade noch verhinderten Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro hat die Diskussion über das Papier zusätzlich an Fahrt gewonnen.

Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande hat unmittelbar nach der jüngsten Einigung mit Griechenland über neue Verhandlungen einige Vorschläge für eine stärkere europäische Integration gemacht. Dabei hatte er unter anderem eigene Haushaltsmittel für die Eurozone und ein Eurozonen-Parlament erwähnt. Vorangehen solle dabei ein Kern-Europa, das nach seiner Vorstellung aus Deutschland, Frankreich und Italien besteht.

[ Source of cover photo: © DOC RABE Media - Fotolia.com ]
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