Unternehmer in Deutschland haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt, so Andreas Bachmeier in seiner Einleitung. Ihre Reputation in der deutschen Gesellschaft – in Medien, Öffentlichkeit und Politik – hat mehr und mehr gelitten und ist auf einem Allzeittief. Seine Diagnose und seine Streitschrift geht weit hinaus über die bekannten Geschichten vom Unternehmer als Bösewicht im Tatort und der schlechten Bewertung von Unternehmern in Bevölkerungsumfragen zum Unternehmerbild. Es ist ein gesellschaftliches Phänomen, das viele Akteure, Motive, mediale und politische Entwicklungen umfasst und sich kontinuierlich verstärkt hat.
Wie kann es sein, dass in den vergangenen Jahren eine gesellschaftliche Gruppe vom Idol zur Melkkuh und von der Melkkuh zum Feindbild wurde? Nach Ansicht des Autors hat sich nicht nur die Gesellschaft vom Unternehmer entfernt, sondern auch der Unternehmer von der Gesellschaft. Auf der einen Seite zahlen die Unternehmer die meisten Steuern, schaffen und sichern Arbeitsplätze oft über Generationen hinweg und bilden junge Menschen aus. Kurzum: Sie tragen einen großen Teil das wirtschaftliche Risiko der Gesellschaft und sie tragen Verantwortung. Auf der anderen Seite kämpfen die Unternehmer mit einer neuen Herausforderung: Angriffe und Profilierungsversuche auf ihre Kosten, der Umgang mit Themen und Anwürfen einer Gesellschaft, die sie anscheinen nicht mehr schätzt. In diesem Kontext meint der Autor die vom Unternehmergeist getriebenen Wirtschaftsunternehmen, das unter persönlicher Verantwortung und eigenem Risiko steht. Er grenzt diesen Unternehmenstypus klar ab von managementgeführten Konzernen, die oft börsennotiert sind und in viel kürzeren Zeitdimensionen denken und agieren. "Diese Unternehmen überleben oft durch schiere Größe und Stärke ihrer Marke, wie beispielsweise Volkswagen trotz eines massiven Problems beim Stichwort Abgasmanipulation nicht einmal ins Strauchen geriet", so der Autor.
Aus der Welt der Finanzdienstleister ist dieses Phänomen unter dem Begriff "to big to fail" bekannt. Derartige Unternehmen sind "Zu groß zum Scheitern", da sie als systemrelevant gelten. Es gehört keine große Kreativität dazu festzustellen, dass Unternehmen wie Volkswagen in einem hohen Maße systemrelevant sind, so dass ihre Insolvenz vom Staat nicht hingenommen werden kann. Kündigt sich eine solche Krise an, so werden die Unternehmen in der Regel mit öffentlichen Mitteln (sog. Bail-outs) gerettet.
Mit der Frage, warum Unternehmer und mittelständische Unternehmen von der Melkkuh zum Feindbild wurden, ist Thema des Buches. Der Autor zeigt auf, dass die Situation asymmetrisch ist. "Das Unternehmen hat nichts zu gewinnen aber viel zu verlieren. Die NGO, Gewerkschaft oder Bürgergruppe hat nichts zu verlieren aber viel zu gewinnen." Für die Politik ein schönes und gefahrloses Spielfeld. Sich für die Rechte des kleinen Mannes einzusetzen, ist untadelig und öffentlich kann man auch wunderbar sagen, man habe dem Unternehmen in einem Konflikt mit der Gesellschaft geholfen und die Arbeitsplätze gesichert.
Andreas Bachmann beschreibt in seinem Buch acht Typen des Unternehmerbashings.
Der Vorwand-Angriff: Gewerkschaften oder NGOs aus allen Bereichen greifen Unternehmen gezielt an, um Mitglieder zu werben oder zu binden und öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen. Im Fall der deutschen Metallgewerkschaft gab es in der jüngsten Tarifrunde gezielte Angriffe auf nichttarifgebundene Unternehmen, um diese in den Tarifvertrag zu zwingen, Mitglieder zu gewinnen und die vorhandenen zu beeindrucken.
Das Profilierungskomplott: Der Staat und die Wirtschaft sind ein seltsames Gespann, das sich zwar braucht, aber an vielen Stellen einfach die Finger voneinander lassen sollte. Fast noch schlimmer – weil mit durchsichtigen populistischen Motiven – ist die öffentliche politische Einmischung in betriebswirtschaftliche Zusammenhänge. Es gibt keine größere unternehmerische Krise die die lokale und überregionale Politik nicht nutzen würden, um sich selbst zu profilieren.
Die Nulltoleranznachbarschaft: Die lernt jeder Unternehmer kennen, der baut oder plant, sich erweitert oder Infrastruktur benötigt. Aber auch laufende Produktion ist für diese Art von Angriffen attraktiv. Oder Folien im Spargelanbau. Der wirtschaftsfeindliche Wutbürger stört mit seinem Underdog-Charme alles, was vermeintlich ihn stört. Viele sind nicht bereit, kleine Veränderungen in ihrem Umfeld zu akzeptieren, obwohl – und häufig genug auch weil – sie die wirtschaftliche Entwicklung befördern. Man könnte sagen: Bürger versus Bevölkerung.
Menschenrechte für Tiere: Viele NGOs, Parteien und einzelne Medien haben sich Themen vorgenommen, die einzelne Unternehmen in bestimmten Branchen betreffen. Beispiele sind Tierwohl und – je nach Perspektive – Tierleid, Arbeitsbedingungen in Fernost, Umweltstandards im Ausland. Tierrechte als Menschenrechte und Menschenrechte als Wirtschaftsgut.
Der Trittbrettbetroffene: Viele Aktivitäten gehen von der um diese Themen herum entstandenen Kampagnenindustrie aus Krawallagenturen, Protestberatern, Gewerkschaftskanzleien und anderen Dienstleistern hervor. Beispielsweise kann man vom Aussterben bedrohte heimische Tierarten – wie die Bachmuschel – bestellen, um sie dann im Gebiet eines unternehmerischen Bauvorhabens auszusetzen. Kanzleien betreiben Webseiten, auf denen sie den Horror-Arbeitgeber des Monats küren und Ideen für Betriebsräte liefern, mit denen diese ihre Geschäftsführung quälen können. Aber auch immer dann, wenn sich eine Bürgerinitiative gründet, melden sich schnell überregional tätige Berater aus dem Umfeld von Parteien oder NGOs.
Der Staat ist der bessere Unternehmer: Das negative Bild, das viele Menschen von Unternehmern haben, hängt auch mit einer hohen Staatsgläubigkeit zusammen. Insbesondere in Folge der Wirtschaftskrisen in der jüngeren Vergangenheit hat das Ansehen der Unternehmer weiter gelitten. Hier wird von vielen eine Art Sippenhaft vorgenommen. Mit Lehmann-Pleite, dem Bild von den unternehmerischen Heuschrecken, das umstrittene Investmentbanking, Boni-Exzesse – damit hat der deutsche Mittelständler, der im Gegensatz zu seinem Konzernwettbewerb auch Steuern in Deutschland bezahlt, nur wenig zu tun. Und trotzdem wird hier zu wenig differenziert.
Der Familienangriff: Viele Unternehmerfamilien sehen sich tagtäglich dem vom Sozialneid getriebenen Druck der Missgunst ausgesetzt. Oder zumindest einem beäugen, das Unwohlsein erzeugt. Dies gilt oft besonders für die zweite oder dritte Unternehmergeneration. Die noch unter "normalen" Mitbürgern aufgewachsen ist, aber schon anders war.
Das Eigeninitiativmedium: Viele Medien und TV-Sendungen haben einen klaren Gegner. Der ist schon vorher bekannt und wird dann attackiert. "Jeder Beitrag hat ein klares Feindbild" sagt der Redakteur vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen und das ist häufig der Unternehmer, das Unternehmen, der Investor oder der Initiator.
Hinter den skizzierten acht Typen des Unternehmerbashings versteckt sich ein ganzes Portfolio an potenziellen Reputationsrisiken für Unternehmen. Daher ist es nicht nur für Unternehmer wichtig, sich mit den Ursachen eines solchen Unternehmensbashings zu beschäftigen. Sondern auch Risikomanagern liefert das Buch ein reichhaltiges Portfolio an Ursachen und Maßnahmen, um derartige Reputationsrisiken präventiv oder zumindest reaktiv zu begegnen.
Kapitel 5 und 6 skizzieren auf mehr als 80 Seiten Lösungsansätze, um präventiv potenziellen Risiken aus dem Unternehmensbashing zu begegnen. Der Schlüssel hierzu lautet Kommunikation. Und diese umfasst vielfältige Formen. Insbesondere sind die Mitarbeiter die Kontaktpunkte des Unternehmens in die Gesellschaft und die Medien sind Gradanzeige für das Maß der Übereinstimmung mit den Gesellschaftsentwicklungen. Die Unternehmen müssen sich kommunikativ neu aufstellen. "Sie verteidigen sich gegen ungerechtfertigte Angriffe von unternehmerfeindlichen Medien oder NGOs", so der Kommunikationsprofi Andreas Bachmeier. "Unternehmer müssen sich immer wieder täglich und auch mal lauter gegenüber Managern abgrenzen und die Bühne nicht nur Herrn Grupp überlassen", so seine Forderung in einem Interview auf dem Portal der WirtschaftsWoche Online. Unternehmer müssen kommunikativ aus der Defensive kommen, um vor allem in der Gesellschaft zu verdeutlichen, dass sie den Unternehmergeist braucht. Dass sie dabei ist, den Ast, auf dem sie sitzt, abzusägen.
Fazit: In der Streitschrift "Unternehmerbashing – Warum unsere Gesellschaft eine neue Unternehmerkultur braucht" von Andreas Bachmeier werden sich viele Unternehmer wiederfinden. Andreas Bachmann beschreibt mit klaren Worten die aktuelle Situation, die Rolle der Akteure und ihre Motive und schafft mit seinem Buch ein Gesamtbild der Situation. Doch er belässt es nicht bei einer reinen Zustandsbeschreibung, sondern liefert sehr praxisorientierte und konkrete Lösungsvorschläge.
Unternehmer müssen das Prinzip von Kommunikation in ihrem Unternehmenskern verinnerlichen. Sie stehen im Dialog mit der Gesellschaft, sie entwickeln ihre Produkte und ihre Unternehmen entlang von gesellschaftlich diskutierten und akzeptierten Leitlinien. Und ganz nebenbei reduzieren sie dabei potenzielle Reputationsrisiken. Denn das fragile und facettenreiche Gebilde Reputation kann innerhalb weniger Augenblicke zerstört werden. Daher muss es das Ziel jeden Unternehmens sein, Reputationsbedrohungen rechtzeitig zu erkennen und die Reputation durch Prävention langfristig zu erhalten. Wenn die Gerüchteküche bereits brodelt, ist es für Unternehmen höchste Zeit einzugreifen, bevor Themen in der Öffentlichkeit ihre eigene Dynamik entfalten.