"Europa muss handlungsfähig werden. Die Wirtschaftsbeziehungen leiden. Unberechenbarkeit Trumps." Drei Schlagzeilen zur Präsidentschaftswahl Donald Trumps, die eine Botschaft bereithält: Die weltweite Unsicherheit im politischen und wirtschaftlichen Umfeld steigt weiter. Nicht nur im US-amerikanischen Binnenverhältnis sowie zu den politischen und wirtschaftlichen Partnern im "alten Europa". Nein, Krisen, politische Zerwürfnisse, Kriege, Terror und Flüchtlingstragödien, gehören zum alltäglichen Bild unserer aktuellen Welt ohne Weltordnung. Die bitteren Zahlen: über 500.000 Tote im Syrienkrieg, 60 Millionen Menschen (das entspricht dem 24.-größten Land der Welt) sind auf der Flucht, ein Drittel der Staaten zählen zu den sogenannten "gescheiterten Staaten" (failed states, also ein Staat, der seine grundlegenden Funktionen nicht mehr erfüllen kann). Bittere Zahlen, die Krise und Chaos als Normalfall in vielen Teilen der Welt beschreiben.
Die Renaissance der Geopolitik
Von diesen Unsicherheiten und Risiken im geopolitischen Umfeld berichtete Günther Schmid, renommierter Experte für internationale Sicherheitspolitik, in seinem Eröffnungsvortrag am zweiten Tag des RiskNET Summit 2016. "Wir haben es mit einer Renaissance der Geopolitik zu tun", so Schmids Einstieg. Diese Wiedergeburt der Geopolitik erkläre sich seiner Ansicht nach aufgrund der zunehmenden Dominanz in der Weltpolitik, den Zugang und die Kontrolle zu wichtigen strategischen Räumen zu erlangen. Als Beispiele führte Schmid eine Reihe von Konfliktherden auf – angefangen bei den Interessenkonflikten im Asien-Pazifik-Raum und in der Antarktis über Chinas Projekt zur "neuen Seidenstraße" bis zum Kaschmirkonflikt und der Annexion der Krim durch Russland.
In all diesen Fällen zeigt sich, dass die Geopolitik auf dem Vormarsch ist, die Konflikte zunehmen und einzelstaatliche Interessen mit massiver militärischer Gewalt durchgesetzt werden. Demnach nehmen auch geopolitische Räume mittlerweile wieder einen hohen Stellenwert in den Planungsstäben von Russland, USA oder China ein. Autoritäre Regime rücken vor, wie Russland oder China. Wir erleben einen Rückzug der Demokratie und das seit mittlerweile 10 bis 12 Jahren und einen Vormarsch autoritär geführter Länder. Dies geht mit einer massiven Bedrohung des Wertekorsetts des Westens einher. Beispielsweise würde Ungarn mit seiner aktuellen Politik heute so nicht mehr in die Europäische Union aufgenommen werden. "Doch darüber wird in Brüssel politisch entschieden und nicht geopolitisch, das ist der Unterschied", so Schmid.
Der renommierte Experte für internationale Sicherheitspolitik, Dr. Günther Schmid und seine Sicht auf eine Welt ohne Weltordnung.
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts war die Welt vor einem Vierteljahrhundert auf dem besten Wege hin zu einem dauerhaften Frieden. 25 Jahre später stehen wir inmitten eines Zerfalls internationaler Ordnung mit einer zunehmenden Unregierbarkeit im Weltmaßstab. Damit verbunden ist ein zivilisatorischer Rückschritt in vielen Ländern. Schmid nannte Syrien als extremes Beispiel einer uferlosen und barbarischen Gewaltorgie, die seit Jahren anhält. Mord, Totschlag, Entführung und Vertreibung sind an der Tagesordnung. Die UNO-Flüchtlingshilfe schreibt: "Mit 4,9 Millionen Flüchtlingen, ist Syrien das Land mit den meisten Flüchtlingen. Dazu kommen 6,6 Millionen Syrer, die im eigenen Land vertrieben wurden." Und solch ein Exodus hat Folgen – auch für die politisch Handelnden. Schmid spricht in diesem Zusammenhang von einer "Politik im Dauerkrisenmodus" bei der keine politische Analyse möglich sei, weil die politischen Akteure den massiven Konfliktherden nicht mehr folgen könne. Dieser Kontrollverlust spiegelt sich unter anderem in 500.000 Menschen wider, die nach Deutschland geflüchtet seien und von denen man nicht wisse, woher sie kämen. Dieser Kontrollverlust des Staates in puncto Flüchtlingspolitik hat die Migration zum Topthema in der deutschen Innen- und Außenpolitik gemacht. In seinem Vortrag prangerte Schmid darüber hinaus die kindlich-naive Vorstellung vieler westlicher Politiker an, autoritäre Staaten mal eben in Demokratien zu verwandeln. Denn Demokraten fallen nicht vom Himmel, was einer adventlichen Vorstellung gleichkäme.
Digital, vernetzt, Hacking leicht gemacht
Auch Hacker und ihre Cyberangriffe fallen nicht einfach vom Himmel. Vielmehr planen Datendiebe, Saboteure und Spione ihre Taten als gut ausgebildete Experten exakt und zielgerichtet. Diese Tatsache scheint in vielen Unternehmen noch nicht angekommen zu sein. Und dieser Umstand verwundert bei einem Blick auf die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung kompletter Geschäftsbereiche. Nicht umsonst beziffert der Digitalverband Bitkom den Schaden durch Cyberattacken, Sabotagen und digitale Wirtschaftsspionage für die deutsche Wirtschaft auf rund 51 Milliarden Euro pro Jahr. Wie einfach der digitale Einbruch im Zuge der Industrie 4.0 ist, zeigte Marco Di Filippo von KORAMIS in seinem Live-Hacking-Vortrag. Die Antwort auf die Frage, ob Hacker die vernetzte Fabrik bedrohen, gab der Sicherheitsexperte mithilfe unterschiedlicher Hacking-Szenarien selbst. Und die muss klar lauten: Ja.
Einige Programme, die Suche im Internet und vor allem die Leichtsinnigkeit von Unternehmensmitarbeitern machen es Angreifern leicht in die vernetzte Datenwelt von Organisationen vorzudringen. Es zeigt sich, dass das Internet eine Fundgrube an Informationen bereithält, um in Organisationsstrukturen vorzudringen. Das Risiko in diesem Zuge: sensible Informationsquellen, die Unternehmen fahrlässig – weil ungeschützt – in der digitalen Welt ab- oder offenlegen. Welches Ausmaß diese digitale Leichtsinnigkeit haben kann, zeigt sich bei vielen Fällen aus der jüngsten Vergangenheit mit Angriffen auf Energieversorger, Banken oder Industrieunternehmen. Wichtig ist in diesem Kontext, dass Mitarbeiter stärker vor den Gefahren im Umgang mit sensiblen Unternehmensdaten geschult werden müssen. Es braucht Awareness und Weitsicht und dies setzt eine dementsprechende Unternehmenskultur in der jeweiligen Organisation voraus. Ein klares Thema und damit Auftrag für das Risikomanagement in Unternehmen.
Marco Di Filippo von KORAMIS und seine Hacking-Vorführung zur Industrie 4.0 beim RiskNET Summit 2016.
Chefetage ins Risikomanagement-Boot
Wie wichtig ein fortschrittliches Risikomanagement inklusive eines Kulturwandels im Bereich der Digitalisierung für Unternehmen ist, zeigte Werner Gleißner von der FutureValue Group und Mitglied des RiskNET-Beirats. In seinen Ausführungen zum strategischen Risikomanagement verwies er auf eine wesentliche Herausforderung, die da heißt: Industrie 4.0 muss als Ergänzung zur Digitalisierung verstanden werden. Gleißner sieht unter anderem agile Innovations-, Produkt- und Softwareentwicklungsprozesse als die organisatorischen Erfolgsfaktoren der Digitalisierung. Und das erfordert einen Kulturwandel in der Organisation mithilfe eines guten Changemanagements. Zudem sollte der digitale Veränderungsprozess im Rahmen einer strategischen Risikoanalyse zwingend mit aufgenommen werden. Gerade aufgrund der Tatsache, dass zu den Treibern strategischer Risiken neben dem Geschäftsmodell, die Strategie und sich verändernde Rahmenbedingungen und Entwicklungstrends zählen. Und bei allen Punkten spielt die vermehrte Digitalisierung und Vernetzung eine entscheidende Rolle. Werner Gleißners Rat: "Die Analyse strategischer Risiken kann nur gemeinsam mit der Unternehmensführung funktionieren." Mit anderen Worten: Die Chefetage gehört ins Risikomanagement-Boot.
Ein wichtiger Punkt, muss von ihr die Initialzündung für Veränderungen ausgehen – im kompletten Risikomanagementprozess sowie bei einem notwenigen Kulturwandel, der alle Mitarbeiter einbindet. Beherzigen Organisationen ein solches Vorgehen, so haben sie gute Chancen den digitalen Wandel für das eigene Unternehmen zielführend zu nutzen.
Prof. Dr. Werner Gleißner (FutureValue Group) mit seinem Thema: "Strategisches Risikomanagement, Risikopolitik und robuste Unternehmen".
Geoinformationen für den Geschäftsprozess: Munich Re zeigt wie es gehen (kann)
Welchen Nutzen der digitale Fortschritt für Unternehmen haben kann, beweist die Munich Re in ihrem täglichen Rückversicherungsgeschäft. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als "Risikoträger in der Versicherungswirtschaft". Daraus erschließt sich, dass der Konzern mit allen Kräften daran arbeitet, potenzielle Risiken besser vorauszusehen. Munich Re spricht in diesem Zusammenhang vom "Risiko-Dialog", das heißt der "Erhöhung der Risikotransparenz". In diesem Zuge zeigte Andreas Siebert, Head Geospatial Solutions bei der Munich Re, die Wertigkeit digitaler Daten am Beispiel der "Geo-Intelligenz" und dem Risikomanagement von Naturgefahren. Letztere nehmen bekanntlich zu und sind laut dem "Global Risk Report" World Economic Forum, kurz WEF) seit dem Jahr 2011 auf dem Vormarsch. Mag man vom WEF halten was man will. In einem hat der Bericht Recht, denn die Zunahme von klimatischen Katastrophen stellt Versicherungsunternehmen vor große Herausforderungen. Über 1.000 Schadensereignisse wurden alleine im Jahr 2015 weltweit verzeichnet. Die Bandbreite der Naturkatastrophen reicht von geophysikalischen und meteorologischen Ereignissen (unter anderem Erdbeben und tropische Stürme) bis zu hydrologischen und klimatologischen Ereignissen (beispielsweise Überschwemmungen und Dürren). Auf diese zunehmenden Naturgefahren in ihren unterschiedlichen Ausprägungen im Weltmaßstab müssen Versicherer Antworten finden. Bei der Munich Re geschieht dies mithilfe von Geoinformationstechnologien. Dabei unterstützen Geoanalysen zahlreiche Geschäftsprozesse und Anwender. Siebert verdeutlichte den Prozess anhand der unternehmensweiten Geo-Analyse-Plattform GDS (Geo-Daten-Service). Beispielsweise bieten Karten und Satellitenbilder Hintergrundinformationen, um die Risikotransparenz zu erhöhen und dem Risikoexperten eine umfassendes Risikoverständnis zu vermitteln.
Hochauflösende Bilddaten ermöglichen eine Überprüfung und qualitative Verbesserung der Risikoverortung (Stichwort: Georeferenzierung). Darüber hinaus seien nach Sieberts Worten Satelliten-Informationen ein wichtiger Baustein, um Gefährdungskarten zu erstellen. Denn effiziente Risikoanalysen lassen sich nur unter Einbeziehung sämtlicher Informationen erstellen. Als Chance und Herausforderung für das Geospatial-Risk-Management sieht Siebert die immer genaueren Daten sowie die schnellere Verfügbarkeit der Informationen. Das braucht eine neue Plattformen und Lösungsarchitekturen, wie der Risikomanager am Beispiel des Analyse-Tools "NATHAN" exemplarisch vorführte.
"Geo-Intelligenz – Risikomanagement von Naturgefahren", Andreas Siebert, Head Geospatial Solutions, von der Munich Re.
Der zweite Tag des RiskNET Summit verdeutlichte eindrücklich, wie verflochten unsere fragile Welt ist – politisch, sozial und wirtschaftlich. Im Umkehrschluss bedeutet das: Was in einem Teil dieser Erde an Gefahren lauert, müssen Risikomanager im Rest der Welt viel stärker auf den Risikoradar nehmen. Angefangen bei Krieg und Terror über Cyberangriffe bis zu Naturgefahren. "Die genannten Beispiele zeigen die Wechselwirkungen der jeweiligen Krisenherde auf", erklärt Frank Romeike, Initiator des RiskNET Summit und geschäftsführender Gesellschafter der RiskNET GmbH. "Für Unternehmen heißt das, die möglichen Folgen frühzeitig auf den Risikoradar zu nehmen und mit geeigneten Maßnahmen zu hinterlegen, um die Resilienz der eigenen Organisation zu stärken." Und Romeike resümiert: "Der RiskNET Summit bietet mit seinem Themenspektrum ein Kaleidoskop der Risikofelder, mit denen sich ein professionelles und zukunftsgewandtes Risikomanagement täglich befassen muss." Zum Abschluss bleibt der Blick nach vorne. Denn am 24. und 25. Oktober 2017 begrüßt der kommende RiskNET Summit wieder die Risikomanagement-Community im Schloss Hohenkammer bei München. Dem "besonderen Ort" – auch für den intensiven Gedankenaustausch zum Risikomanagement "Marke Zukunft" im globalen Maßstab.