In der Geschichte des Risikomanagements stand die Reduzierung der Unsicherheit im Mittelpunkt aller Aktivitäten. Risikomanagement war die Grundlage für die Einführung immer fortschrittlicherer und komplexerer Managementsysteme. Mit der zunehmenden Weiterentwicklung der Informationssuche und -strukturierung setzte sich auch die Erkenntnis durch, dass Risiken im Kontext der sozialen Interaktion nicht unbedingt durch mehr Informationen und eine zunehmende Anzahl von Kontrollen gemildert werden. Vielmehr geht es um die Art und Weise, wie Risikomanager die Gefährlichkeit ihrer Umwelt wahrnehmen.
Damit ist Risikomanagement eine Methode zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit oder des Ausmaßes von Verlusten. Terje Aven argumentiert, dass die Risikowissenschaft eine Disziplin ist, die darauf abzielt, ein genaues System zur Risikovorhersage, -bewertung und -verwaltung zu finden. Es umfasst Konzepte, Theorien, Rahmenwerke, Methoden, Grundsätze, Ansätze und Modelle zur Wissensgenerierung. Auf diese Weise können Risiken besser verstanden, bewertet und kommuniziert werden.
Risikofragen ziehen die Aufmerksamkeit von Unternehmern, Wissenschaftlern und Institutionen auf sich. Das hat zu einer Vielzahl von Meinungen, Forschungsthemen und Literatur geführt. Um die Entwicklungen und Trends eines bestimmten Forschungsproblems quantitativ zu analysieren, kommen sogenannte bibliometrische Methoden zum Einsatz. Bibliometrie und Wissensgraphen sind erfolgreiche Instrumente zur Beschreibung, Bewertung und Vorhersage des Forschungsstands eines bestimmten Fachbereichs.
Drei chinesische Wissenschaftler haben jüngst eine solche bibliometrische Analyse im Bereich der Risikowissenschaften vorgelegt. Dafür haben sie 10.950 Artikel in neun akademischen Zeitschriften im Risikobereich analysiert, die von 1996 bis 2021 veröffentlicht wurden.
Die wesentlichen Ergebnisse der Studie sind:
- Die Zahl der Veröffentlichungen im Bereich der Risikowissenschaften nimmt stetig zu. Die jährliche Zahl der Zitate wächst exponentiell. In den letzten 25 Jahren hat sich die Zahl der Veröffentlichungen verachtfacht.
- Aus der Sicht der Kollaborationsnetzwerke weisen die Vereinigten Staaten den höchsten Grad an Netzwerkzentralität auf. Ihr Kollaborationsnetzwerk auf dem Gebiet der Risikowissenschaften ist dominant, d.h. 29 % aller untersuchten Veröffentlichungen. England (12 %), China (5 %), Australien (4,8 %), Neuseeland (4,4 %) und Deutschland (4,3 %) folgen auf den nächsten Plätzen.
- Norwegen, Neuseeland und die Schweiz leisten, gemessen an der Pro-Kopf-Produktivität, die umfassendsten Beiträge.
- Die Harvard-Universität, die U.S. Environmental Protection Agency, die Beijing Normal University, das University College London, die Carnegie Mellon University, das King's College London und die Rutgers State University sind die Institutionen mit den meisten Beiträgen.
- Die Autorinnen und Autoren mit den meisten Veröffentlichungen sind Karen Lowrie, Tony Cox, Michael Greenberg, Michael Siegrist und Terje Aven.
- Die Schlagwortanalyse ergibt, dass Risikobewertung und -modellierung, Risikowahrnehmung und -kommunikation, Katastrophen- und Klimarisiken, unsichere Risikoentscheidungen, Anwendungsszenarien und Managementmethoden des Risikomanagements die aktuellsten Forschungsschwerpunkte im Bereich der Risikowissenschaften sind.
Das Risikomanagement wird künftig maßgeblich von Big Data beeinflusst. Wenn Daten aus sozialen Medien, Nachrichten und öffentlichen Online-Meinungen in Informationsressourcen umgewandelt werden, kann die Wertschöpfungsfähigkeit von Daten verbessert werden. Die Studienautoren plädieren für einen dynamischen Risikomanagementmechanismus bis hin zu einem neuartigen umfassendes Managementparadigma. Zu einem solchen Paradigma gehört auch die saubere Abgrenzung von Risiko, Unsicherheit, Widerstandsfähigkeit und Ambiguität.
Autor:
Dr. Silvio Andrae