Chronik eines Raubzugs

Weltmacht IWF


Ernst Wolff: Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs, Tectum Verlag, Marburg 2014, 234 Seiten, 17,95 Euro, ISBN 978-3-8288-3329-6 Book Review

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde im Juli 1944 auf der Währungs- und Finanzkonferenz der Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen im US-amerikanischen Bretton Woods zusammen mit der Weltbank gegründet. Seit dem Jahr 1947 ist der IWF eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Organisation vor allem für die Einhaltung der Regeln im Bretton-Woods-System fester Wechselkurse verantwortlich. Doch seit dem Jahr 1973 legt der freie internationale Markt die Wechselkurse fest. Der IWF hat daher heute primär die Aufgabe, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu stärken sowie die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik zu fördern, das Wachstum des Welthandels zu erleichtern, das Ungleichgewicht in den Zahlungsbilanzen der Mitglieder zu reduzieren sowie seinen Mitgliedern in Währungs- und Finanzkrisen durch Kredite zu helfen.

Doch bereits seit der Gründung des Internationalen Währungsfonds wurde immer wieder berechtigte Kritik laut, zunächst gegen seine primäre Ausrichtung auf die Interessen der USA beziehungsweise der Industrieländer. So weist Ernst Wolff in seinem Buch darauf hin, dass es sich "um eine von den USA ins Leben gerufene, von ihnen beherrschte und allein auf ihre Interessen zugeschnittene Einrichtung, mit der die neue Supermacht sich neben der militärischen auch die wirtschaftliche Weltherrschaft sichern wollte" (S. 18).

Kritiker wiesen immer wieder darauf hin, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) ganze Nationen ins Elend stürze und auf der anderen Seite Großbanken rettet und es Milliardären ermögliche, sich auf Kosten der Normalbürger zu bereichern. Das Ergebnis: Heute verfügen 85 der reichsten Individuen der Welt über 1,7 Billionen US-Dollar und damit über genau so viel wie 3,5 Milliarden Menschen oder die Hälfte der Menschheit (Seite 212).

Ernst Wolff hat ein mutiges und gut recherchiertes Buch über die Machenschaften der globalen Finanzoligarchie geschrieben. Er beschreibt mit großem Sachverstand und einer deutlichen und klaren Sprache die Entwicklung des IWF, der durch seine Selbstermächtigungen weltweit Staaten im Namen des Neoliberalismus knebelt und entmündigt. Er hat Generationen von Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft genommen und ist dabei zur mächtigsten Finanzorganisation der Welt aufgestiegen: Die Geschichte des Internationalen Währungsfonds gleicht einem modernen Kreuzzug gegen die arbeitende Bevölkerung auf fünf Kontinenten.

Jahrzehntelang war der IWF hauptsächlich in Afrika, Asien und Südamerika tätig. Dort gibt es kaum noch ein Land, in dem seine Politik nicht ein- oder mehrmals in enger Zusammenarbeit mit der jeweiligen nationalen Regierung durchgesetzt wurde. Nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2007 hat er sich verstärkt Nordeuropa zugewandt, seit dem Einsetzen der Euro-Krise im Jahr 2009 ist vor allem das südliche Europa in seinen Fokus gerückt.

Ernst Wolff beschreibt in seinem Buch auch, welche Folgen die Politik des IWF für die globale Gesellschaft und seit Eintreten der Eurokrise auch für Europa und Deutschland hat. Er porträtiert die dunkle Seite einer globalen Finanzorganisation und zeigt kenntnisreich auf, wie die globale Finanzpolitik die Existenzen von Menschen bedroht.

Für die einfache Bevölkerung der betroffenen und zumeist einkommensschwachen Länder hat diese Politik verheerende Folgen, denn deren Regierungen handeln allesamt nach dem gleichen Muster: Sie wälzen die Folgen der Sparmaßnahmen auf die abhängig Beschäftigten und die Armen ab.

Auf diese Weise haben IWF-Programme Millionen von Menschen den Arbeitsplatz genommen, ihnen den Zugang zu ausreichender Gesundheitsversorgung, einem funktionierenden Bildungswesen und menschenwürdigen Unterkünften verwehrt. Sie haben ihre Nahrungsmittel bis zur Unbezahlbarkeit verteuert, die Obdachlosigkeit gefördert, alte Menschen um die Früchte lebenslanger Arbeit gebracht, die Ausbreitung von Krankheiten begünstigt, die Lebenserwartung verringert und die Säuglingssterblichkeit erhöht.

Am anderen Ende der gesellschaftlichen Leiter dagegen hat die Politik des IWF einer winzigen Schicht von Ultrareichen dazu verholfen, ihre riesigen Vermögen sogar in Krisenzeiten zu vermehren. Die von ihm geforderten Maßnahmen haben entscheidend dazu beigetragen, dass die weltweite soziale Ungleichheit ein in der Geschichte der Menschheit nie dagewesenes Ausmaß angenommen hat: "Der Einkommensunterschied zwischen einem Sonnenkönig und einem Bettler am Ausgang des Mittelalters verblasst gegenüber dem Unterschied zwischen einem Hedgefonds-Manager und einem Sozialhilfeempfänger von heute."

Die Stärke des Buchs liegt darin, dass Wolff nicht in einer reißerischen Sprache oder dogmatischen Form die Rolle des IWF skizziert, sondern vielmehr Fakten sprechen lässt. Das Ergebnis ist ein schonungsloses und aufrüttelndes Buch. In weiten Teilen erinnert das Sachbuch eher an einen spannenden Krimi – dies hängt wohl vor allem mit der fesselnden Sprache des Autors zusammen und auch dem verbrecherischen System des IWF. Fazit: Ein exzellent recherchiertes Sachbuch, das kurz und prägnant die wichtigen Themen auf den Punkt bringt. Gewidmet ist das Buch übrigens den Menschen in Afrika, Asien und Südamerika, die es nicht lesen können, weil die Politik des IWF ihnen den Besuch einer Schule verwehrt hat.

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