Seit Monaten tobt ein regelrechter Hype um ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer). "Intelligenz" gibt es nun als eine Art "digitalen Buttler" im Internet, so liest man es in vielen Veröffentlichungen über die bahnbrechende Revolution. ChatGPT gilt aktuell als die mit Abstand am schnellsten wachsende digitale Anwendung: Bereits im Januar 2023 nutzten 100 Millionen Anwender ChatGPT, nachdem die Applikation erst am 30. November 2022 veröffentlicht wurde. Im Vergleich hatte Spotify erst nach fünf Monaten eine Million Nutzer. Also nicht wundern, wenn man beim Aufrufen von ChatGPT begrüt wird mit: "ChatGPT is at capacity right now".
Der Chatbots, der auf maschinellem Lernen beruht, kann viele Fragen besser beantworten, als dies ein menschlicher Experte tun könnte. Doch die allermeisten Menschen glauben, GPT schreibe einen Text völlig ohne menschliches Zutun, so der Autor Christian Rieck. "Das aber ist falsch – zumindest dann, wenn der Text auch noch etwas aussagen soll.", so Rieck in der Einleitung zu "Schummeln mit ChatGPT". Doch was bereits zum jetzigen Zeitpunkt klar wird, ist das ChatGPT die klassischen Suchmaschinen revolutionieren wird und auch die Welt der Office-Programme in den nächsten Jahren anders aussehen wird.
Doch auch mit ChatGPT schreiben sich Texte nicht von selbst. Ohne entsprechendes Anwenderwissen besteht die Gefahr, dass Roboter-Texte ohne Sinn und Verstand entstehen. Das ist der Ausgangspunkt für das Buch von Christian Rieck. Dazu hat der Autor einen Selbstversuch gewagt und sich vorgenommen, das Buch "Schummeln mit ChatGPT" mithilfe der AI-Anwendung zu schreiben. Für die erste Auflage hat er ein Wochenende benötigt. "Was als Schummelversuch angelegt war, endete mit einem Sprung in die Zukunft des Schreibens und Lernens.", so die Erkenntnis des Autors.
Gemeinsam mit seiner digitalen Co-Autorin KIara hat der Spieltheorie-Experte und Professor für Finanzwesen ein Buch geschrieben, das zeigt, wie dank einer künstlichen Intelligenz in Windeseile professionelle und ansprechende Bücher geschrieben werden können. Hierbei wird vor allem erläutert, wie man ChatGPT sinnvoll nutzt. Christian Rieck: "Wer nicht frühzeitig lernt, damit umzugehen, stellt sich selbst ins Abseits. Denn mit einer gekonnten Verwendung dieser KI-Tools werden die eigenen Texte um Klassen besser, nicht nur auf rein sprachlicher, sondern auch inhaltlicher Ebene." AI wird die Autoren auch dabei unterstützen, dass Texte prägnanter und kürzer geschrieben werden. "Wenn Charles Darwin ein dickes Buch geschrieben hat, dann hat er es getan, weil er viel nachgedacht und erforscht hat. Wenn schreiben teuer ist, ist die Textmenge ein Indikator für die Arbeit, die in die Erstellung geflossen ist und damit für die Qualität des Textes. Wenn hingegen das Hinzufügen von Wörtern billig ist, funktioniert dieser Indikator nicht mehr." so Rieck.
So lernen wir in der Einführung die drei wichtigsten Elemente zum Umgang mit einem Sprachmodell: 1. Seed als Ausgangspunkt, mit dem das Modell beginnt, einen Text zu erstellen. 2. Kontext, hierbei handelt es sich um einen vorherigen Text, der dem Modell gegeben wird, um zu verstehen, was der Autor sagen möchte. 3. Prompt als eine Anweisung oder eine Frage, die dem Modell gegeben wird, um zu wissen, was es erstellen soll.
Indem man einen Seed, einen Kontext und einen Prompt zusammen verwendet, kann man das Modell dazu bringen, verwertbare Antworten zu schreiben, die in Bezug auf das Thema und den Zweck relevant sind, so Rieck bzw. Klara (die digitale Co-Autorin). Daher ist es auch bei der Nutzung von ChatGPT wichtig, dass wir zunächst klären, um was es eigentlich gehen soll (Werbetext, Parteiprogramm, wissenschaftliche Arbeit, Liebesbrief etc.).
Wir lernen, dass ChatGPT auch als Schreibassistent fungieren kann, um beispielsweise Schreibblockaden zu überwinden. So können Textvorschläge generiert werden, auf denen dann der menschliche Autor aufsetzt.
Der Autor skizziert in einem separaten Kapitel wie man dem Modell einen Seed-Text zur Verfügung stellt, um die Generierung von Texten zu starten. Hierbei kann ein Seed-Text aus einem Satz, einem Absatz oder sogar einem ganzen Text bestehen.
In einem weiteren Kapitel wird erläutert, warum wir präzise und klare Anfangsfragen oder "Prompts" verwendet sollten, um genau das zu erhalten, was benötigt wird. Je präziser und klarer die Anfangsfragen sind, desto besser wird die generierte Antwort sein. Doch wichtig ist auch die Nachbearbeitung. Die von ChatGPT generierten Texte sind nicht immer fehlerfrei (und vor allem nicht aktuell) und inhaltlich korrekt. Daher ist es wichtig, die generierten Texte sorgfältig zu überprüfen und zu bearbeiten. "Ein Text wird nicht durch das Hinzufügen von unnötigen Worten verbessert, sondern durch das Weglassen überflüssiger Informationen.", so die Autorin Vera Felicitas Birkenbihl.
Im Kapitel "Logik und Zahlen" lernen wir, dass die Fähigkeiten von ChatGPT im Bereich Mathematik und Logik begrenzt sind. Für zahlenorientierte und statistische Fragen dürfte Wolfram Alpha die bessere Alternative sein, die vom britischen Physiker, Informatiker und Mathematiker Stephen Wolfram entwickelt wurde.
Im Kapitel "Programmieren lernen mit der KI" wird deutlich, dass ChatGPT auch als Tutor zum Erlernen einer Programmiersprache verwendet werden kann. Stehen wir nun an der Schwelle zur technologischen Singularität? D.h. ist der Zeitpunkt erreicht, an dem künstliche Intelligenz (KI) die menschliche Intelligenz übertrifft und sich dadurch technischer Fortschritt irreversibel beschleunigen würde? Autor Rieck ist davon überzeugt, dass die Singularität nah ist.
Hier hätte ich mir ein wenig mehr Distanz gewünscht. So warnt die europäische Polizeibehörde Europol vor der Nutzung von ChatGPT durch Cyberkriminellen oder die missbräuchliche Verwendung für Propaganda- und Desinformationszwecke. Und stellt sich die Frage, welche Antworten ChatGPT in einer "instabilen Welt" findet. So misstraut beispielsweise der Psychologe, Bildungs- und Risikoforscher Gerd Gigerenzer der vermeintlichen Allmacht "Künstlicher Intelligenz". Denn dahinter steht die Logik, dass die Zukunft so werden wird wie die Vergangenheit, in der die Daten für ChatGPT gesammelt wurden (Rückspiegelblick). Gigerenzer zeigt in seinem Buch "Klick. Wie wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten" jede Menge Beispiele, wie KI/AI völlig versagt, sobald die Verhältnisse volatil und instabil werden. Und Menschen verhalten sich oft irrational und verstoßen gegen Regeln. Daher sollten wir Menschen vor allem erst mal darin unterstützen, wie sie die Chancen und Risiken von Algorithmen und KI erkennen und wie digitale Intelligenz erwerben können.
Fazit: Das Buch liefert spannende Einblicke in die Welt von ChatGPT. Persönlich hätte ich mir ein wenig mehr Struktur im Buch gewünscht und einen kritischen Blick auf die Grenzen. Insgesamt könnte man Marcel Reich-Ranicki zustimmen, wenn er geschrieben hätte (wie im Buch mit einem Hinweis auf die FAZ vom 19.01.23 zu lesen ist; Marcel Reich-Ranicki ist am 18. September 2013 in Frankfurt am Main verstorben): "Das Buch ist mehr als nur ein Handbuch für Schummler – es ist ein Aufruf an das Bildungssystem, endlich im 21. Jahrhundert anzukommen und die Möglichkeiten moderner Technologie zu nutzen, um die neue Generation auf die Zukunft vorzubereiten."