Spaziergang durch die Geschichte der Finanzkrisen

Crash: Finanzkrisen gestern und heute


Rezension

In den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts geriet halb Holland außer Rand und Band. Ein Land, dessen Bevölkerung zahlreiche innovative und vernünftige Geschäftsleute zählte, war dem Tulpenwahn verfallen. Adlige und Fischer, Bauern und Händler hatten begonnen, wie verrückt mit Tulpenzwiebeln zu spekulieren. Die Entwicklung ging soweit, dass auch Optionsscheine auf Tulpenzwiebelanteile gekauft werden konnten. Die Preise explodierten und stiegen von 1634 bis 1637 auf das über Fünfzigfache an. In Amsterdam wurde ein komplettes Haus für drei Tulpenzwiebeln verkauft. Viele Zwiebeln kosteten mehrere tausend Gulden, der höchste Preis für die wertvollste Tulpensorte, Semper Augustus, lag Anfang 1637 bei 10.000 Gulden für eine einzige Zwiebel. Ein Zimmermann verdiente damals rund 250 Gulden im Jahr. Die Spekulation war zur Spekulationsblase gediehen. Auf dem Höhepunkt des Tulpenwahns wurden für eine Zwiebel umgerechnet 87.000 Euro gezahlt. Die teuerste Mahlzeit des Jahres 1637 dürfte ein holländischer Seemann verspeist haben. Er war zum Fisch eingeladen und wertete die Tulpenzwiebel als Beilage. Deren Verschwinden im Verdauungstrakt des Seemanns belastete die Gastfreundschaft jedoch aufs Schwerste. Denn jene Tulpenzwiebel war, so wird geschätzt, nach heutigem Maßstab 25.000 Euro wert.

Diesen und ähnlichen kleinen Anekdoten begegnen den Leser im Buch "Crash: Finanzkrisen gestern und heute". Das kleine Büchlein lehrt vor allem, dass die aktuelle Finanzkrise kein Produkt unserer Zeit ist, denn schon in früheren Jahrhunderten gab es Phasen, die ein Land oder gleich die ganze Welt in Atem hielten. Aber wer will schon in Zeiten florierender Bullenmärkte von Bären hören?

Insgesamt 14 Autoren – alle Mitarbeiter der FAZ-Redaktion – begleiten den Leser auf eine unterhaltsame und lehrreiche Reise der Finanzkrisen der vergangenen Jahrhunderte. Der kurzweilige Spaziergang folgt dabei einem identischen Muster: Was mit Gier und schnellem Geld, mit großem Erfolg und Euphorie beginnt, endet regelmäßig mit einem bitteren Zusammenbruch und mit großen Verlusten.

Das Herausgeberwerk konzentriert sich im ersten Teil auf Einblicke in die Historie der Finanzkrisen. In 16 Kapiteln werden unterhaltsame, aber geschichtlich fundierte Anekdoten über die ersten Finanzkrisen vergangener Jahrhunderte erzählt. Vom spanischen Staatsfinanzfiasko der Habsburger in der Blütezeit ihrer Macht, die große Tulpenmanie, den Leibrenten von 30 Genfer Mädchen, welche die gesamte Französische Revolution beeinflussten, bis hin zur New-Economy-Blase zum Anfang unseres neuen Jahrtausends reicht die Spanne, in welcher die Autoren innovative Ideen und wirtschaftliche Erfolge schildern, die sich als Blase entpuppten und mit einem Crash endeten.

Im zweiten Teil befassen sich die Autoren mit der Gegenwart und der allgegenwärtigen globalen Finanzkrise unserer Zeit. Leicht verständlich und chronologisch aufgebaut werden die Ursachen der Subprime-Krise analysiert und ihre Entwicklung bis in den Sommer dieses Jahres verfolgt.

Fazit: Das Buch gehört auf den Schreibtisch eines jeden Finanzmarktakteurs und gehört zu den wenigen Publikationen der aktuellen Krisenliteratur, die den Leser auf einem kurzweiligen Spaziergang durch die Geschichte der Finanzkrisen begleitet und auf "Wir haben es ja gewusst"-Erkenntnisse verzichtet.

Rezension von  Dr. Anette Köcher


Details zur Publikation

Autor: G. Braunberger/B. Fehr (Hrsg.)
Seitenanzahl: 224
Verlag: FAZ Buch
Erscheinungsort: Frankfurt/M.
Erscheinungsdatum: 2008

RiskNET Rating:

Praxisbezug
Inhalt
Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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