Rund dreieinhalb Milliarden Passagiere befördert der globale Luftverkehr aktuell in einem Jahr. Das entspricht rechnerisch mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung, mit einer deutlich steigenden Tendenz.
"Im unwahrscheinlichen Fall eines Druckverlustes in der Kabine fallen automatisch Sauerstoffmasken aus den Fächern über Ihrem Sitz ..." Jeder Vielflieger kann die Sicherheitshinweise mehr oder weniger auswendig mitsprechen. Kommt es jedoch einmal zu einem dieser unwahrscheinlichen Fälle mit tödlichem Ausgang, sind diese meist auf das Versagen von Piloten oder Fluglotsen zurückzuführen. Andreas Spaeth betont mit seinem Buch keine Angst machen zu wollen. Er beschreibt dramatische Einzelfälle, die die Nachrichten und die öffentliche Diskussion teilweise lange beherrschten. Das Buch erhebt den Anspruch, bekannte Fakten zu erklären und zu ordnen und enthüllt insofern keine wirklich "verborgenen" Risiken. Jedoch liefert es eine gute Zusammenfassung diverser Flugzeugunglücke und der Verkettung unglücklicher Umstände, die dazu führten und die sich auch in der Folge im Rahmen der Such- und Rettungsmaßnahmen ereigneten.
Trotz allem gilt rein statistisch betrachtet: "Wenn der Reisende mit dem Auto zum Flughafen fährt, hat er, dort angekommen, den gefährlichsten Teil seiner Reise bereits hinter sich." Zu jeder Zeit sind circa 500.000 Passagiere am Himmel unterwegs. Jeden Tag gibt es global neun Millionen Flugreisende. Die Anzahl der Opfer im globalen Flugverkehr liegt seit dem Jahr 2006 konstant bei unter 1.000 pro Jahr. Wenn man dagegen den Straßenverkehr betrachtet und hierbei sowohl Fußgänger, als auch Fahrzeugführer bzw. -insassen ins Kalkül zieht, liegt die Anzahl der Todesopfer laut der Weltgesundheitsorganisation 2010 bei 1,24 Millionen. In Deutschland allein waren im Jahr 2013 noch 3.340 Verkehrstote zu beklagen. Dennoch weicht die Risikowahrnehmung von diesen Zahlen erheblich ab. Oft wird das Fliegen an sich für deutlich risikoreicher gehalten als eine Autofahrt. Das mag beispielsweise in der medialen Präsenz von Flugzeugabstürzen begründet liegen sowie auf latente Flugangst treffen und dann in einer verzerrten Risikowahrnehmung münden. Selbst die Wahrscheinlichkeit an einem Blitzschlag zu sterben ist mit eins zu 10,5 Millionen höher, als bei einem Flugzeugunglück umzukommen. Letztere Wahrscheinlichkeit liegt in Europa und den Vereinigten Staaten aktuell bei rund eins zu 29 Millionen. Allerdings steht derzeit mit der Sicherheit in der Luftfahrt auch nicht alles zum Besten, wie die Ausführungen von Spaeth zeigen.
Auch wenn zuvor kleinere Maschinen und sogar eine Boeing 727 wie vom Erdboden oder dem Meer verschluckt waren, schien es lange undenkbar, dass ein moderner größerer Passagierjet verschwindet. Genau das passierte mit dem Malaysian Airlines Flug MH370 von Kuala Lumpur nach Peking mit über 200 Gästen an Bord am 8. März 2014. Detailliert rekonstruiert Spaeth den Ablauf vor dem Start des Fluges. Ebenso legt er den Funk- und Radarkontakt sowie dessen Abbrechen dar. Das Flugzeug bzw. ein Wrack sind bis dato unauffindbar, es ranken sich diverse Theorien um den Verbleib. Erst Ende Juli 2015 wird auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean eine Flügelklappe des verschollenen Flugzeugs gefunden. Mehr wurde allerdings nicht entdeckt. Nach dem Verschwinden des Flugzeugs reihten sich diverse Pannen aneinander. Es wurde offenbar, dass es auf der Welt weiße Flecken gibt, an denen Jets vom Boden aus nicht oder nur lückenhaft zu verfolgen sind. Nach dem Unglück wurden Forderungen laut, den Piloten ein Abschalten der Kommunikationswege von Bord unmöglich zu machen und die Datenaufzeichnungsgeräte von Flugzeugen weiterzuentwickeln.
Spaeth schildert das Leben und den Selbstmordflug von Germanwings-Pilot Andreas Lubitz am 24. März 2015, der ihn und 149 andere Menschen in den französischen Alpen das Leben kostete. Es handelt sich dabei um eine absolute Ausnahme im Flugverkehr, trotzdem ist es nicht der erste Vorfall dieser Art. In drei weiteren beschriebenen Fällen sind zwar nicht von allen beteiligten Ermittlungsbehörden die Suizidabsichten der Piloten eindeutig bestätigt worden, jedoch legen Indizien das nahe. Aus Japan ist ein weiterer Fall bekannt, bei dem der Pilot den von ihm selbst herbeigeführten Absturz überlebt. Leider verlieren 24 Insassen bei dem Absturz ihr Leben, 77 werden zum Teil schwer verletzt. Nach dem Germanwings-Unglück kommt die Frage auf, warum Piloten zwar im Halbjahresrhythmus intensiv auf ihre physische Gesundheit, aber bis auf eine Eingangsuntersuchung zu Anfang ihrer Laufbahn nie wieder auf ihre mentale Gesundheit untersucht werden. Nach dem Unglück will die Europäische Flugsicherheitsbehörde EASA den psychologischen Teil der regelmäßigen Checks für Piloten stärken und das betreffende Training für Flugmediziner ausweiten.
Die Automatisierung durch Computersysteme an Bord hat Piloten oft zu Beobachtern und Überwachern degradiert, jedoch auch für sehr präzise Abläufe gesorgt. Flugzeuge sind inzwischen unfehlbarer als ihre Piloten. Dennoch ist es entscheidend, dass sie ihre Maschinen verstehen und in Notsituationen eingreifen können. Spaeth skizziert drei Flugzeugunglücke, die durch Fehlverhalten der Piloten herbeigeführt wurden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von ergänzenden speziellen Trainings für Notfälle: Gerade für die Fälle, in denen die technische Unterstützung versagt und drastische manuelle Manöver durch die Piloten erforderlich sind.
Das Buch schildert allerdings nicht nur Flugreisen mit tragischem Ausgang. So gelang es den Piloten eines A380 der australischen Fluglinie Qantas am 4. November 2010 auf dem Flug von Singapur nach Sidney trotz Produktionsmängeln an den Triebwerken und zwei dadurch verursachten Explosionen in der Luft das Flugzeug sicher wieder in Singapur zu landen. Die Bilder eines Airbus A320 der US Airways auf dem Fluss Hudson in New York sind vermutlich den meisten Lesern noch bekannt. Kurz nach dem Start hatte der Pilot den Jet nach dem Ausfall beider Triebwerke durch Vogelschlag im Januar 2009 auf dem Hudson notgewassert. Alle 155 Passagiere an Bord überlebten.
Flugzeugkollisionen sind extrem selten, jedoch kam es in Überlingen am Bodensee in 2002 und in Brasilien 2006 zu folgenschweren Zusammenstößen zwischen Jets. Die Unfälle sind vor allem auf technische und menschliche Schwachstellen in der Flugsicherung zurückzuführen. Es gibt allerdings bereits technische Möglichkeiten via GPS-Satellitennavigation die Position eines Flugzeugs exakter als bisher zu bestimmen sowie die Überwachung des Luftraums und damit Vermeidung von Zusammenstößen stärker direkt in die Jets selbst zu bringen.
Ebenfalls selten sind Unfälle oder Zwischenfälle mit der Druckkabine des Flugzeugs. Doch wenn sie auftreten, dann stellen sie oft eine ernsthafte Bedrohung für das gesamte Flugzeug und seine Insassen dar. Nahezu immer haben Fehler, die dann während des Fluges zu Problemen führen, ihren Ursprung im Wartungsbereich der Airlines. Dies war auch in den Fällen einer zypriotischen Airline über Griechenland in 2005 und 1990 bei British Airways der Fall. Vor diesem Hintergrund ist es besonders bedenklich, wenn aus Kostengründen die Überholung und Reparatur von Flugzeugen über Fremdfirmen in Biliglohnländer mit nur schwer überwachbaren Standards ausgelagert werden.
Ein Brand an Bord gehört zu den gefährlichsten Situationen in der Luftfahrt. Mit dem Absturz einer Concorde von Air France 2000 in Paris, einer Maschine der DDR-Fluglinie Interflug 1972 bei Berlin und einer Maschine der Swissair 1998 vor Halifax in Kanada werden drei Abstürze infolge von Feuern an Bord dargelegt. In den vergangenen Jahren rückt mit Lithium-Ionen-Akkus und -Batterien zunehmend eine neue Ursache für ein Feuer an Bord in den Fokus. Mindestens zwei Abstürze von Frachtflugzeugen in der jüngeren Vergangenheit gehen auf diese sich entzündenden Akkus zurück. Passagierflugzeuge sind möglicherweise sogar noch größeren Gefahren ausgesetzt: Zum einen weil sie die Akkus als Luftfracht-Beiladung transportieren und zum anderen, da Passagiere ihre mobilen Endgeräte mit in die Kabine nehmen. Hier müssen sich das Bewusstsein der Besatzungen und Insassen für diese potentielle Gefahrenquelle sowie die Sicherheitsbestimmungen ändern.
Der Abschuss der Malaysian Airlines Maschine im Juli 2014 über der Ostukraine war nicht der erste seiner Art: Bereits 1988 wurde über der Meerenge von Hormus ein Airbus der Iran Air und 2001 eine Tupolew der russischen Fluglinie Sibir Airlines über der Ukraine durch Raketen abgeschossen. Der finale Bericht einer niederländischen Untersuchungskommission zu dem Unglück mit dem Malaysian Airlines Jet nimmt keine Schuldzuweisung vor, jedoch äußert der Vorsitzende der Kommission klar, dass das vermutete Abschussgebiet in dieser Zeit in der Hand prorussischer Separatisten war. Die Ukraine und Russland werfen sich gegenseitig die Schuld für den Abschuss des Flugzeugs mit 298 Menschen an Bord vor. Noch heute ist es so, dass es keinen Austausch der Informationen über Konfliktzonen zwischen den verschiedenen Staaten und Airlines sowie den Airlines untereinander gibt. Dabei wäre ein transparenteres unilaterales System darüber, welche Konfliktgebiete von Verkehrsflugzeugen überflogen werden und welche nicht, zur Erhöhung der Flugsicherheit dringend nötig.
Fazit: An das Ende seines Buches hat Andreas Spaeth eine Checkliste für sichereres Fliegen gestellt. Für Vielflieger enthält sie wenig Neuigkeiten. Jedoch räumt er mit dem Mythos des einen sicheren Sitzplatzes an Bord auf: Weder nahe dem Heck, noch über den Tragflächen ist es sicherer. Bei manchen Unfällen gab es gerade an diesen Stellen die meisten Opfer zu beklagen.
Das Buch ist für Laien verständlich geschrieben und kommt ohne zu viel technisches Kauderwelsch aus. Die Abläufe und Fehlerketten vor Flugzeugunglücken werden detailreich und dennoch packend geschildert. Damit macht das Buch glücklicherweise wirklich keine Angst, aber es verändert den Blickwinkel auf das Fliegen.