Im Mai 2009 verabschiedete der deutsche Gesetzgeber das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, BilMoG) und entschied sich damit gegen eine Übernahme der internationalen Rechnungslegung des Financial Reporting Standard (IFRS) for small and medium sized entities (SME) im handelsrechtlichen Jahresabschluss und stattdessen den HGB umfangreich reformiert.
Die Reform des BilMoG zielte darauf ab, weniger Bürokratie, niedrigere Kosten und eine verbesserte Transparenz im Sinne einer Optimierung der Aussagekraft der Bilanz gegenüber den Kapitalgebern zu erreichen. Gleichwohl wurden im HGB umfangreiche Änderungen eingeführt, um so die Annäherung der deutschen Rechnungslegung an die internationalen Anforderungen zu gewährleisten. Damit hat sich der deutsche Gesetzgeber explizit für einen eigenen Weg entschieden, um so aus seiner Sicht die Belange und Bedürfnisse kleiner und mittelgroßer Unternehmen stärker zu berücksichtigen. Wird doch die Auffassung vertreten, dass das IFRS for SME nur unzureichend die nationalen Belange und Erfordernisse mittelständischer Unternehmen an die Rechnungslegung beachtet.
Vor diesem Hintergrund analysiert der Autor beide Konzepte und hinterfragt in sechs Abschnitte kritisch, ob mit den erneuerten Rechtsvorschriften des HGB tatsächlich die Interessen des Mittelstandes besser wahrgenommen werden als mit dem Gegenkonzept des IFRS for SME.
Im Anschluss an die Einleitung untersucht Kapitel 2 die Bedeutung und Definition des Begriffs Mittelstand bei Beachtung sowohl quantitativer als auch qualitativer Kriterien. Es wird deutlich, dass der Begriff Mittelstand sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext nicht einheitlich definiert ist. In Anlehnung an die EU-Richtlinie hat der Gesetzgeber eigene und nur qualitative Größenkriterien entwickelt und in § 267 des HGB definiert. Im Gegensatz dazu kombiniert die EU qualitative und quantitative Kriterien. So sind aus Sicht der EU kleine oder mittelständische Unternehmen unabhängig, wenn die Fremdbeteiligung unter 25 Prozent liegt.
Vor dem Hintergrund der Prinzipal Agent Theorie (Kapitel 3) werden die Konzepte des BilMoG versus IFRS for SME gegenübergestellt. Der Autor weist darauf hin, dass der nationale Gesetzgeber sich dem Trend zur Internationalisierung der Rechnungslegung nicht entziehen kann. Die aktuellen Entwicklungen, Diskussionen und Erhebungen werden anschaulich diskutiert. Letztendlich stellt sich die Frage nach der Dominanz der Wirtschaftsphilosophie. Die des Stakeholder oder wie momentan, die der Shareholder?
Wer sind aber die Adressaten und welche Informationsbedürfnisse bestehen in der Praxis? Auf Basis der klassischen Stockholder- und Stakeholder-Theorie erörtert der Autor in Kapitel 4 die Informationsinteressen und Ziele der Rechnungsadressaten sowie die Anforderungen an eine mittelstandsorientierte Rechnungslegung. Die Anforderungen können mit den Begriffen Verständlichkeit, Entscheidungsrelevanz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit umschrieben werden. Vor allem der letzte Begriff birgt Brisanz in sich. Bedeutet Vergleichbarkeit immer auch erhöhte Transparenz und Durchsichtigkeit des Geschäftsmodells und so auch Angriffsfläche gegenüber potenziellen Wettbewerbern.
Ausgewählte wichtige und zentrale Bilanzierungsfragen sind Themen des 5. Kapitels. Die Themen: Umgekehrte Maßgeblichkeit, Entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert, immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, Bewertungseinheiten, latente Steuern, sonstige Rückstellungen sowie Pensionsrückstellungen werden als einzelne Beiträge diskutiert und beinhalten jeweils die Gegenüberstellung alte versus neue HGB Fassung sowie die korrespondierende IFRS SME Regelung. Resümierend und verdichtend sind in Kapitel 6 die Analysen und Erkenntnisse zusammengefasst.
Aus Sicht des Autors fällt das Ergebnis des BilMoG insgesamt positiv aus. Er begrüßt ausdrücklich "die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, das bewährte Handelsrecht nicht aufzugeben, sondern durch Modernisierung aufzuwerten". Auch wenn Yilmaz doch eher eine nationale Lösung präferiert, so verschließt er nicht den Blick vor der Realität, in dem er auf im Fazit zugesteht, dass "der deutsche Gesetzgeber die nationale Rechnungslegung dauerhaft vor einer Öffnung in Richtung IFRS for SME" nicht schützen kann. Denn zu groß ist mittlerweile die Anzahl der Länder, die die internationalen Rechnungslegungsvorschriften praktizieren. Eine stark auf Export ausgerichtete mittelständische Wirtschaft kann sich diesen Tendenzen nicht entziehen. Insofern erscheint die Modernisierung des BilMoG eher darauf abzuzielen, den Übergang zu einer einheitlichen europäischen Rechnungslegung langfristig zu gewährleisten.
Autor der Rezension: Christoph Tigges