Grundsätzlich sind keine Branchen und keine Organisation vor den Risiken resultierend aus wirtschaftskriminellen Handlungen geschützt. Basierend auf einer aktuellen KPMG-Studie verzeichnete fast die Hälfte der großen Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren einen Risikoeintritt durch wirtschaftskriminelle Handlungen. Während 45 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro mit entsprechenden Vorfällen konfrontiert waren, sind es insgesamt 36 Prozent aller deutschen Unternehmen – mehr als jedes dritte. Auch die Kosten sind erheblich. Auf rund 100 Mrd. Euro wird der jährliche Schaden durch Wirtschaftskriminalität in deutschen Unternehmen geschätzt. Die Studie präsentiert weiterhin ein in der Praxis weit verbreitetes Phänomen: 80 Prozent aller befragten Experten bewerten das Risiko wirtschaftskrimineller Handlungen als hohes beziehungsweise sehr hohes Risiko ein. Das Risiko für das eigene Unternehmen hingegen sehen lediglich 32 Prozent der Befragten.
Doch wie schützt man sich vor unlauteren Geschäftspraktiken? Gesetze sind gerade im Umgang mit dieser Thematik eher lückenhaft. Schlupflöcher führen dazu, dass strafrechtliche Normen allein nicht immer zu unternehmerischen Entscheidungen führen, die legitim sind. Die Versuchung, gesetzliche Spielräume weitestgehend auszuschöpfen, birgt das Risiko des Übertretens der Grenze zwischen Legalität und Illegalität. Einzig die Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen an der Legitimität vermag weitgehend zu gewährleisten, dass unternehmerisches Handeln über das Risiko des Abgleitens in illegales Agieren erhaben bleibt.
"Was legal ist, ist nicht immer auch legitim" und "Nicht alles was legal ist, ist richtig, sondern nur was legitim ist, ist auch richtig", schreibt Rudolf Ruter in einem früheren Band der Edition Governance. Die Schere zwischen Legalität und Legitimität ist umso ausgeprägter, je stärker Variationen von Rechtssystemen im internationalen Vergleich in die Analyse einbezogen werden, so der Autor in seinem Vorwort. Der Autor ergänzt, dass sich der Themenkomplex "Korruption" und "Beschaffungsbetrug" im Wandel befindet. "Viele europäische Länder haben bereits eine Strafbarkeit von Unternehmen eingeführt. Auch in Deutschland wird eine solche Diskussion geführt. Andere Länder werden folgen. So mag es durchaus für ein Unternehmen gegenwärtig nicht strafrechtlich relevant sein, Beschaffungsprozesse bei Kunden zu manipulieren, weil nur natürliche Personen bestraft werden und das Unternehmen selbst nur den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfülle." Die Frage ist angebracht, ob das Erlaubte bzw. mit geringer Strafe bewehrte auch legitim ist und ob es nicht sinnvoller ist, wenn sich Aufsichtsgremien an der Legitimität orientieren, so der Autor weiter.
Der Autor ist davon überzeugt, dass eine verlässliche Orientierung im internationalen Geschäftsverkehr nur an der Legitimität erfolgen kann. "Wenn Ausschreibungsbetrug in Portugal für das Unternehmen und nicht nur für den manipulierenden Mitarbeiter strafbar ist, in Deutschland jedoch nicht, wie kann ein Unternehmen dann verbindliche Leitlinien aufzeigen, nach denen der Vertrieb agieren soll?"
Der kompakte Band "Früherkennung unlauterer Geschäftspraktiken" aus der Edition Governance baut auf dem Band "Tugenden eines ehrbaren Aufsichtsrats" auf. Er beschreibt Ausprägungen unlauterer Geschäftspraktiken und (Frühwarn-)Indikatoren für deren Vorliegen sowie Handlungsempfehlungen für den Umgang mit solchen Warnsignalen. "Die Tugenden, welche ein Aufsichtsgremium für die Identifizierung von und den Umgang mit solchen Warnsignalen anwendet, sind Tapferkeit, Besonnenheit sowie Klugheit und Weisheit", so der Autor. Das vorliegende Buch ist ein praxisorientierte kompakter Leitfaden für Aufsichtsräte, Beiräte, Stiftungsräte und Mitglieder von Projektgremien, aber auch für Anteilseigner, Vorstände und andere Führungskräfte in den Bereichen Beschaffung und Compliance.
Das Ziel des Autors, einen praxisorientierten Leitfaden für die Aufsicht bereitzustellen, der auf Erfahrungen und Erkenntnissen aus Ermittlungsarbeit in Fällen von unlauteren Geschäftspraktiken beruht, wurde vollständig erfüllt. Er erläutert in dem Leitfaden unter anderem Ausprägungsformen von Transaktionsmustern unlauterer Geschäftspraktiken, Warnsignale, welche auf entsprechende Ausprägungen von Korruption und Manipulation hinweisen sowie Handlungskonzepte für Analysen durch qualifizierte Nachfragen.
Anonymisierte Beispiele aus der Unternehmenspraxis begleiten den Leser bei der Lektüre des Praxisleitfadens. Ein systematischer Fragenkatalog unterstützt Mandatsträger bei der zielgerichteten Wahrnehmung ihrer Pflichten und Aufgaben.