Dem griechischen Philosophen Diogenes von Sinope wird das folgende Zitat zugeschrieben: "Geld soll aus Knochenscheiben gemacht sein, da es dann einem Verfallsprozess unterliegt und im Falle der Hortung so unerträglich zu stinken beginnt, dass es sehr bald weitergegeben wird." Heute besteht das Geld nicht aus Knochenscheiben, sondern aus Papier und Metall. Doch neben den globalen Währungen entstehen immer mehr Regional- oder Alternativwährungen. Sie heißen Chiemgauer, WIR-Franken, Wörgler Wundergeld und Bitcoin. Alternative Währungen wie der Bitcoin gewinnen daher immer mehr an Bedeutung, seit das Vertrauen der Menschen in die klassischen Währungen bröckelt, spätestens seit die Zentralbanken angefangen haben, im permanenten Krisenmodus fast unbegrenzt Geld zu drucken.
Auch alternative geldfreie Konzepte wie die "Sharing Economy", also das gemeinsame Nutzen, Tauschen und Verleihen von Besitz, erfreuen sich immer größeren Interesses. Auch Tauschringe und Zeitbanken, welche die Erbringung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen organisieren, erfahren regen Zulauf. Die Autoren zeigen auf, wie alternative Konzepte als Ergänzung zum regulären Geldsystem funktionieren und wie jeder ihre Vorteile nutzen kann.
Seit Beginn der Krise 2007 haben sich die Autoren mit der Frage beschäftigt, in wieweit komplementäre Währungssysteme helfen können, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Das Ergebnis ihrer Recherchen ist eindeutig: Neben den klassischen Ansätzen gab und gibt es nicht nur einige wenige, sondern überaus zahlreiche Initiativen mit dem Ziel, zusätzliche Gütermärkte zu erzeugen. Sprich: Brachliegende Ressourcen zu nutzen, wenn das reguläre Währungssystem krankt. Komplementäre Währungssysteme verfügen zum Teil über eine lange Tradition, sind sehr erfolgreich und stärken den sozialen Zusammenhalt der beteiligten Akteure.
Der Schwerpunkt des Buches "Geld war gestern" liegt auf diesen alternativen Ansätzen, die von den Autoren unter dem Begriff "Komplementäres Geld" zusammengefasst wird. Das komplementäre Währungssystem steht dem klassischen Währungssystem wie Yin dem Yang gegenüber. Aktuelle Phänomene und Produkte des Zeitgeistes wie Sharing Economy, Zeitbanken und Co. basieren nicht auf staatlichen Yang-Währungen, sondern oft auf komplementären, sozialen Yin-Währungen. Sie schaffen dadurch zusätzliche Marktplätze, die den Austausch von bestimmten Waren und Dienstleistungen organisieren – durch schnellen und unbürokratischen Zahlungsverkehr. Komplementäres Yin-Geld kann nicht gewinnbringend gehortet werden, sondern soll sogar möglichst rasch wieder ausgegeben werden. Weil es keinen Zins beziehungsweise keinen Zinseszins gibt. Im Gegenteil. Bei vielen komplementären Währungssystemen fällt sogar ein Negativzins an: Je länger man sich mit dem Geldausgeben Zeit lässt, desto weniger Geld ist im Portemonnaie. Dieser Mechanismus steigert die Umlaufgeschwindigkeit, erhöht den Güterumschlag und kurbelt die Wirtschaft an.
In den dezentral organisierten Interessengemeinschaften, die komplementäre Währungssysteme aufbauen, erkennen die Autoren eine ähnliche Graswurzel-Bewegung wie in den 70er- und frühen 80er-Jahren die Öko-Bewegung.
Das Buch beleuchtet den Mehrwert und zeigt Interessierten, wo mögliche Knackpunkte liegen. Das Ziel des Buches liegt darin, Menschen anzuregen, über Zahlungsalternativen nachzudenken, die kurz davor stehen, Mainstream zu werden. Zu Beginn des Buches werden zunächst die verschiedenen Funktionen von Geld vorgestellt, bevor die Historie des Alternativ-Geldes skizziert wird. In diesem Kontext wird auch der Vater alternativer Währungssysteme vorgestellt: der Ökonom und Querdenker Silvio Gesell (1862–1930).
Inspiriert durch empirische Beobachtungen und die Analyse von Wirtschaftskrisen entwickelte er die Theorie des sogenannten "Freigelds" oder "rostenden Geldes". Während der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er und Anfang der 1930er-Jahre wurde die Gesell’sche Theorie als Befreiungsschlag gegen die finanzielle und soziale Not von beherzten Unternehmern und Bürgermeistern in zwei kleinen Ortschaften in Niederbayern und in Tirol in der Praxis getestet und erfolgreich "pilotiert".
Das Buch schließt mit einem Fazit ab: die dargestellten Modelle und Erkenntnisse werden zu einem Substrat verdichtet. Die Autoren zeigen auf, wo und an welchen Stellen komplementäre Währungssysteme einen sinnvollen Beitrag zur Verbesserung des regulären Wirtschafts- und Finanzsystem leisten könnten und wo nicht.
Fazit: Das Buch bietet einen kompakten, leicht verständlichen und fundierten Einblick in die Welt der alternativen Währungen und ist daher eine klare Empfehlung wert.
Autor der Rezension: Frank Romeike