Ziele, Technik, Nachweise – Wegweiser zum sicheren Prüfungsurteil

Handbuch Jahresabschlussprüfung


Rezension

Das erste Wort im "Handbuch Jahresabschlussprüfung" ist "Risiko": Das Wort kommt in der gesamten Literatur der Antike und des Mittelalters noch nicht vor. Wie viele andere Erkenntnisse erscheint dieser Begriff erstmals in der italienischen Renaissance. Seefahrer wagten sich über die bekannten Gewässer der Mittelmeeres hinaus und brachten das Wort "resciare" in Umlauf. Damals hieß das soviel wie "eine schwierige Strömung durchqueren". 

Der Autor, der auf einer jahrzehntelange Erfahrung in der nationalen und internationalen Wirtschaftsprüfung zurückgreifen kann, weist gleich zu Beginn seines Buches darauf hin, dass die Arbeit des verantwortungsvollen Abschlussprüfers eingebettet ist in ein Konzept, das zur Schaffung von Vertrauen überzeugend und zur Beherrschung von Risiken wirkungsvoll sein muss. Die vergangenen und aktuellen Berichte über Skandale und (unentdeckten) Bilanzmanipulationen verdeutlichen die Relevanz des Themas. 

 Krommes weist zu Recht darauf hin, dass in den vergangenen Jahren zu erkennen ist, dass die internen Kontroll- und Risikofrüherkennungssysteme regelmäßig durch Eingriffe einer unter Erfolgsdruck stehenden Geschäftsleitung außer Kraft gesetzt wurden. In diesem Kontext hat der Autor die Eigenarten dieser (labilen) Systeme und ihre Anfälligkeiten für Unregelmäßigkeiten und Verstöße näher beschrieben.

In der dritten Auflage setzt sich der Autor mit dem Einfluss des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, BilMoG) auf Abschlussprüfungen auseinander. Zum anderen diskutiert Krommes die Auswirkungen der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Prüfungshandlungen. Die neue Auflage diskutiert des weiteren die Möglichkeiten dv-gestützter Datenanalysen. Auch mit dem hoch aktuellen Thema "Grünbuch" setzt sich Krommes auseinander. Die EU-Kommission hatte  im Oktober 2010 als weitere Reaktion auf die Finanzkrise ein Grünbuch zur Abschlussprüfung veröffentlicht. Im Grünbuch wird unter anderem die Berichterstattung des Abschlussprüfers an die Aufsichtsorgane kritisiert, sowie eine Ausrichtung der Abschlussprüfung auf die Beurteilung historischer Finanzinformationen bemängelt. Hinsichtlich der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers wird vorgeschlagen, die Wahl des Abschlussprüfers in der Zukunft nicht mehr der Hauptversammlung zu überlassen, sondern einer staatlichen Stelle. Diese soll auch das Honorar festlegen. Im Grünbuch findet sich auch ein Vorschlag für ein komplettes Verbot der Erbringung von Beratungsleistungen durch Abschlussprüfer, um so deren Unabhängigkeit zu stären. Die Kommission kritisiert weiter, dass die größte Anzahl kapitalmarktorientierter Unternehmen von den so genannten Big4 geprüft werden. Ein möglicher Ausfall eines dieser Netzwerke stellt aus EU-Sicht ein systemisches Risiko dar.

Das Handbuch gliedert sich in insgesamt sieben Themenblöcke. Das einführende Grundlagenkapitel konzentriert sich auf die Entwicklung und Lage des Berufsstands, den prüfungstheoretischen Rahmen sowie das Konzept einer risikoorientierten Abschlussprüfung. Das zweite Hauptkapitel beschäftigt sich mit den Feldern der Risikoorientierung und liefert auch dem Risikomanager eine Reihe von neuen Einsichten in die Sichtweise und Arbeitsweise von Abschlussprüfern. So skizziert Krommes die wesentlichen Prozessschritte im Rahmen eines unternehmensweiten Risikomanagements. Im Kontext der Risikobewertung weist der Autor darauf hin, dass Risiken hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und möglicher Schadenshöhe (brutto und netto) bewertet werden sollten (was einer so genannten Binomialverteilung entspricht).  Für eine große Anzahl der Unternehmensrisiken (beispielsweise Wechselkursrisiken, Rohstoffpreisen, operative Risiken sowie Rechtsrisiken bzw. Reputationsrisiken) trifft diese binomiale Verteilungsannahme allerdings nicht zu. Eine Bewertung der Risiken durch die Schätzung einer Eintrittswahrscheinlichkeit und einer möglichen Schadenshöhe ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Derartige Risiken müssen mit Hilfe andere empirischer oder theoretischer Verteilungsfunktionen beschrieben werden.

Der anschließende, dritte Abschnitt "Die Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht" werden – basierend auf dem 3-Phasen-Konzept – die Meilensteine auf dem Weg zum Prüfungsurteil im Detail beschrieben. Unter Ausnutzung von Komponenten der Strategie- und Prozessanalyse und unter besonderer Berücksichtigung der handelsrechtlichen Bestimmungen wird der Inhalt der einzelnen Positionen erläutert und dargelegt, in welchen betrieblichen Abläufen sie ihre Prägung erhalten. Im vierten Themenblock beschäftigt sich der Autor mit gravierenden Fällen falscher Angaben in der Rechnungslegung als Zeichen einer krisenhaften Entwicklung. Basierend auf einigen aus der Wirtschaftspresse entnommenen Fällen (AOL Time Warner Inc., Bristol-Myers Squibb (BMS) Co, Hugo Boss AG, ComROAD AG, Dell Inc., EM.TV & Merchandising AG, Flowtex GmbH, Parmalat, Worldcom Inc. etc.) wird die Frage diskutiert, worauf die Nicht-Entdeckung möglicherweise zurückzuführen ist und was getan werden muss, um die Qualität der Facharbeit wieder zu verbessern. Das anschließende fünfte Kapitel konzentriert sich auf den Prüfungsbericht. Mit dem Systembewusstsein zur Absicherung von Prüfungsaussagen beschäftigt sich Abschnitt 6. Eine Zusammenfassung mit zwölf Thesen zu einer risikoorientierten Jahresabschlussprüfung sowie ein umfangreicher Anhang (mit fast 300 Seiten) schließen das Buch ab.

Fazit: Auch die dritte Auflage des Handbuchs besticht durch eine klare, prägnante und verständliche Sprache sowie eine transparente Struktur. Schwierige Sachverhalte werden anhand von anschaulichen Praxisbeispielen erläutert. Es handelt sich ganz klar um ein Buch von Praktikern für Praktiker. Für die Arbeit in der Jahresabschlussprüfung – aber auch für Mitarbeiter im Risikomanagement – ist das Praktiker-Handbuch von Werner Krommes ein unverzichtbares Nachschlagewerk. Wie bereits Wolfgang Lück, emeritierter Professor der Technischen Universität München, festgestellt hat, ist das Buch eine große Bereicherung des bisher vernachlässigten Gebietes der Jahresabschlussprüfung. Das Buch gehört zur Pflichtlektüre für Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer, Mitarbeiter der Internen Revision und des Risk Managements. Das Buch ist eine wahre Fundgrube, um Frühwarnsignale zu identifizieren, wenn ein unter Erfolgsdruck stehendes Management versucht ist, den Jahresabschluss in Verfolgung eigener Interessen zu manipulieren.

Autoren der Rezension: Frank RomeikeDr. Anette Köcher


Details zur Publikation

Autor: Werner Krommes
Auflage: 3. Auflage
Seitenanzahl: 1243
Verlag: Gabler Verlag
Erscheinungsort: Wiesbaden
Erscheinungsdatum: 2011

RiskNET Rating:

Praxisbezug
Inhalt
Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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