Über ein Vierteljahrhundert hinweg – davon 17 Jahre als ifo-Präsident – war Hans-Werner Sinn die meistgehörte und nach einhelliger Ökonomen-Meinung auch die einflussreichste Stimme der Wissenschaft in der wirtschaftspolitischen Debatte in Deutschland. Die Amtszeit von Hans-Werner Sinn als ifo-Präsident und seine Arbeit als Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität endeten im März 2016, als er 68 Jahre alt wurde und in den Ruhestand trat. Dies ist auch der Anlass gewesen, dass 111 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Medien über Hans-Werner Sinn und die deutsche Wirtschaftspolitik der letzten 25 Jahre ihre ganz persönliche Sicht darstellen. Breiter könnte das Spektrum an Themen und Autoren nicht sein: Von Gregor Gysi bis Kai Diekmann und Robert Solow bewegt sich die Bandbreite der Autoren. Und auch das Themenspektrum beeindruckt: Von der Rentenreform, über die Klima- und Energiepolitik bis zur Zukunft Europas reichen die Themen.
In ihren Beiträgen setzen die Autoren sich aus ihrer ganz persönlichen Sicht mit einzelnen Aspekten des Schaffens von Hans-Werner Sinn auseinander. Das Ergebnis ist ein beindruckendes Lesebuch, das sich aus 111 Mosaiksteinen zusammensetzt: "Eine Tour d’Horizon der großen Streitthemen der jüngeren wirtschaftspolitischen Debatte und ein fulminanter Abriss über 25 Jahre deutsche Wirtschaftspolitik," so die Herausgeber in ihrem Vorwort.
Als Risikomanager hätte ich mir im Sammelband noch einen Text zum Forschungsgebiet Risikomanagement gewünscht. Denn es ist weit weniger bekannt, dass Hans-Werner Sinn nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster im Jahr 1978 an der Universität Mannheim sein Doktorarbeit über das Thema "Ökonomische Entscheidungen bei Ungewissheit" geschrieben hat. Hieraus kann gefolgert werden, dass grundsätzlich alle Risiken zu quantifizieren sind, auch wenn nur subjektive Schätzungen verfügbar sind. Auch subjektiv geschätzte Risiken können genauso verarbeitet werden, wie (vermeintlich) objektiv quantifizierte. Man muss sich hier immer über die Alternativen klar sein: Die quantitativen Auswirkungen eines Risikos mit den best verfügbaren Kenntnissen (notfalls subjektiv) zu schätzen, oder die quantitativen Auswirkungen implizit auf Null zu setzen und damit den Risikoumfang zu unterschätzen. Insgesamt ist damit klar: Nur die Quantifizierung von Risiken schafft einen erheblichen Teil des ökonomischen Nutzens des Risikomanagements zur Unterstützung von Entscheidungen unter Unsicherheit. Die scheinbare Alternative einer Nicht-Quantifizierung von Risiken existiert sowieso nicht, da nicht quantifizierte Risiken kaum etwas anderes sind als mit Null quantifizierte Risiken.
Fazit: Die Herausgeber haben einen Sammelband veröffentlicht, der einen exzellenten Spiegel des wissenschaftlichen und öffentlichen Wirkens von Hans-Werner Sinn bietet. Das Lesen und Herausgreifen einzelner Mosaiksteine macht Spaß und zeigt die Vielfältigkeit und Interdisziplinarität der Wirtschaftspolitik.