Fundierte und gleichzeitig kompakte und kurzweilige Lektüre der Finanzkrise

Im freien Fall. Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft


Rezension

In der Großen Rezession, die im Jahr 2008 begann, verloren Millionen von Menschen auf der ganzen Welt Vermögenswerte und Arbeitsplätze. Noch viel mehr waren in Angst und Sorge, dass ihnen das Gleiche widerfahren könnte, und fast jeder, der für seinen Lebensabend oder für die Ausbildung seiner Kinder Geld zurückgelegt hatte, musste erleben, dass der Wert dieser Ersparnisse auf einen Bruchteil ihres früheren Wertes schrumpfte. Eine Krise, die in Amerika begann, breitete sich binnen Kurzem auf die ganze Welt aus. Die moderne Volkswirtschaftslehre mit ihrem Glauben an freie Märkte und an die Globalisierung hatte Wohlstand für alle versprochen. Die hochgerühmte New Economy – die erstaunlichen Innovationen, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kennzeichneten, darunter auch Deregulierung und Finanzierungstechnik – sollte ein besseres Risikomanagement ermöglichen und dadurch den konjunkturellen Schwankungen ein Ende setzen.

Die Große Rezession – eindeutig der schlimmste Abschwung seit der Großen Depression vor 75 Jahren – hat diese Illusionen zerstört. Sie zwingt uns dazu, so Stiglitz in "Der freie Fall", liebgewonnene Ansichten zu überdenken. "Ein Vierteljahrhundert lang waren bestimmte marktwirtschaftliche Doktrinen tonangebend: Freie und unbeschränkte Märkte seien effizient; wenn sie Fehler machten, würden sie diese schnell korrigieren. Der Staat müsse sich auf die notwendigen Aufgaben beschränken, und Regulierung hemme die Innovationskraft einer Volkswirtschaft. Zentralbanken sollten unabhängig sein und sich darauf konzentrieren, die Inflationsrate möglichst niedrig zu halten."

Dieses Buch befasst sich mit einem Kampf der Ideen, mit den Vorstellungen, die zu den verfehlten politischen Maßnahmen führten, die die Krise auslösten, und mit den Lehren, die wir daraus ziehen. Nach Ansicht von Joseph Stiglitz, US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger, wird die Krise von 2008 eine neue Sicht der langjährigen Kontroversen um die Frage, welches Wirtschaftssystem dem Gemeinwohl am dienlichsten ist, mit sich bringen. "Der Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus mag vorbei sein, aber es gibt unterschiedliche Spielarten der Marktwirtschaft, und der Wettbewerb zwischen ihnen geht weiter."

Siglitz weist in seinem Buch darauf hin, dass der Staat nicht nur die Rolle spielen darf, die Wirtschaft zu retten, wenn Märkte versagen. Volkswirtschaften brauchen ein Gleichgewicht zwischen Markt und Staat – mit wichtigen Beiträgen von nicht-marktgestützten und nichtstaatlichen Institutionen. "In den letzten 25 Jahren hat Amerika dieses Gleichgewicht verloren, und es hat seine unausgewogenen Konzept vielen anderen Ländern aufgezwungen", so Stiglitz.

Das Buch erläutert fundiert und in einer allgemeinverständlichen Sprache, wie verfehlte Betrachtungsweisen zu der Krise führten, wie sie es wichtigen Entscheidungsträgern im privaten und im öffentlichen Sektor erschwerten, die schwelenden Probleme zu erkennen, und wie sie zum Versagen der Politiker bei der Bewältigung der negativen Folgen der Krise beitrugen. Stiglitz ist davon überzeugt, dass die Länge der Krise wesentlich davon abhängt, welche politischen Maßnahmen ergriffen wurden und zukünftig ergriffen werden. Aufgrund bereits begangener Fehler wird der Abschwung länger dauern und tiefer sein, als er es andernfalls gewesen wäre.

Für Joseph Stiglitz ist klar: Statt mit hektischen Rettungsmaßnahmen die eigene, nationale Wirtschaft zu retten und danach wieder zur Tagesordnung überzugehen, müssen wir diesen kritischen Moment nutzen, um eine neue globale Wirtschafts- und Finanzpolitik zu schaffen. Kern des Buches ist die Darstellung einer krisenfesten und gerechteren Wirtschaftsordnung.

Fazit: Stiglitz liefert mit seinem Buch eine fundiert und gleichzeitig kompakte und kurzweilige Lektüre der jüngsten Finanzkrise und skizziert visionär eine „neue“ Marktwirtschaft. Weit abseits der diversen populistischen Publikationen zur Krisenanalyse von selbsternannten Experten liefert der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 2001 eine fundierte und gnadenlose Abrechnung mit der neoliberalen Theorien und Praxis. Das Buch gehört als Pflichtlektüre auf den Schreibtisch aller politischen Entscheidungsträger und Akteure im Finanzdienstleistungssektor.

Rezension von Frank Romeike


Details zur Publikation

Autor: Joseph Stiglitz
Seitenanzahl: 448
Verlag: Siedler Verlag
Erscheinungsort: München
Erscheinungsdatum: 2010

RiskNET Rating:

Praxisbezug
Inhalt
Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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