Das EU-weite Projekt Solvency II definiert die Solvabilitätsbestimmungen für die Assekuranz neu und wird zu einer stärkeren wert- und risikoorientierten Unternehmenssteuerung führen. Basierend auf dem Drei-Säulen-Modell werden in der „quantitativen Säule“ (Säule I) die Regelungen zur Bestimmung der Finanzausstattung der Versicherungsunternehmen zusammengefasst. Neben einer Minimum-Solvenzkapitalausstattung (MCR = Minimum Capital Required) soll ein „Zielkapital“ (SCR = Solvency Capital Required) berechnet werden, das sich direkt aus den tatsächlichen Risiken der Unternehmen ableiten soll und von der Versicherung mindestens zu halten ist. Für die Bestimmung dieses Zielkapitals soll ein EU-einheitliches Standardmodell entwickelt werden. Neben der Verwendung dieses pauschalen Standardmodells wird es Versicherern auch gestattet sein, eigene interne Risikomodelle zur Festlegung der Zielkapitalausstattung mit heranziehen.
Eine effiziente Eigenmittelallokation und -bewirtschaftung stellt insbesondere aufgrund der a priori konkurrierenden Ziele „Risiko- und Kapitalkostenminimierung” einerseits sowie „Renditeoptimierung” andererseits eine komplexe Entscheidungs- und Managementaufgabe dar. Erst der Einsatz von internen Risikomodellen kann die Synergieeffekte heben und zu einem ganzheitlichen und risikoadäquaten Ansatz der Unternehmenssteuerung führen, um eine optimale Balance zwischen Rendite und Risiko in den unterschiedlichen Geschäftsfeldern herzustellen. In diesem Kontext leisten interne Risikomodelle einen wesentlichen Beitrag zur wertorientierten Steuerung des Unternehmens und können so weit über die eigentlichen Anforderungen von Solvency II hinausgehen.
Die Veröffentlichung von Dorothea Diers basiert auf dem von der Provinzial NordWest Holding eingesetzten internen Unternehmensmodell und beschreibt die Entwicklung eines stochastischen internen Modells für die wert- und risikoorientierte Unternehmenssteuerung. Nach einer knappen Einleitung (Kapitel 1) werden im anschließenden zweiten Kapitel die unterschiedlichen Risiken und die speziellen Charakteristika von Schaden- und Unfallversicherern aufgezeigt. Hierbei skizziert die Autorin auch die Unterschiede zur Lebensversicherung. Außerdem werden die für die Versicherungstechnik und Kapitalanlagen relevanten ökonomischen Ergebnisgrößen für Ertrag und Risiko definiert. Kapitel 3 gibt einen einführenden Überblick über den Aufbau eines internen Risikomodells. In den anschließenden Kapiteln 4 bis 9 werden die Details beim Aufbau eines internen Modells beschrieben. Da die Modellierungsschritte auf der Basis eines Datenbestandes eines Beispielunternehmens vorgenommen und erläutert werden, kann auch der Nicht-Aktuar die Architektur und die einzelnen Prozessschritte sehr gut nachvollziehen. Während im vierten Kapitel ein Bruttomodell (vor Rückversicherung) beschrieben wird, steht ein Rückversicherungsmodell im Fokus von Kapitel 5. In Kapitel 6 steht die Modellierung des Reserverisikos im Vordergrund, während Kapitel 7 sich der Überleitung von der ökonomischen in (HGB-) bilanzielle Sicht widmet. Das anschließende achte Kapitel konzentriert sich auf die Modellierung der Kapitalanlagen. In Kapitel 9 werden die einzelnen Komponenten zu einer Gesamtunternehmenssicht verdichtet.
Die Autorin stellt klar, dass ein internes Risikomodell eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bei der wert- und risikoorientierten Unternehmenssteuerung liefert, aber die Entscheidung des Managements nicht ersetzen soll und darf. Vielmehr kann ein internes Unternehmensmodell die Entscheidung fundiert unterstützen.
Das Buch ist in einer schnörkellosen und leicht verständlichen Sprache geschrieben. Insbesondere durch die Darstellung der Modellierungsschritte an einem Beispielunternehmen erhält das Buch eine hohe Praxisrelevanz und kann uneingeschränkt allen Praktikern und Wissenschaftlern, die sich mit der Entwicklung von internen Risikomodellen in Versicherungsunternehmen beschäftigen, empfohlen werden.
Rezension von Frank Romeike