Beim Thema „Kriminalität am Arbeitsplatz“ denke ich sofort an die spektakulären Unternehmenszusammenbrüche von Enron, Worldcom oder der Barings-Bank. Genügend kriminelle Energie vorausgesetzt, sind selbst einzelne Mitarbeiter in der Lage, die Existenz großer Unternehmen zu gefährden. Und auch vor dem Zusammenbruch wird jede Menge Geld verpulvert. In den USA beziffert man die Verluste eines Unternehmens durch kriminelle Handlungen auf etwa 6 Prozent des Umsatzes. Auf rund 15 Mrd. Euro beziffert der Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtschaft den jährlichen Schaden, der durch Wirtschaftsdelikte in deutschen Unternehmen angerichtet wird. Die Palette der Tatbestände ist breit und reicht von Korruption, Unterschlagung und Veruntreuung bis zu Betrug und Diebstahl.
Odenthal zeigt in dem Buch „Kriminalität am Arbeitsplatz“ auch auf, dass Delikte auf allen Hierarchieebenen stattfinden. Eine Folge größerer Mitarbeiterdelikte, die oft außer Acht gelassen wird, sind die Steuerfahndung und Nachforderungen des Finanzamtes. Das Fazit des Autors: Fehlende Regelungen und unklare Kompetenzgrenzen verführen Mitarbeiter zur individuellen Auslegung moralischer Gesetze. Kriminalität am Arbeitsplatz hat vor allem eine Ursache: mangelnde Kontrollen und zu viele ungesicherte Zugriffsmöglichkeiten. Viele Unternehmen gleichen eher einem Tresor mit geöffneter Tür oder sichtbaren Zahlencode und laden geradezu zum Daten-, Geld- oder Warenklau ein.
Ein schönes Beispiel in diesem Kontext ist der Zusammenbruch der Baringsbank durch riskante Geschäfte des Börsenhändlers Nick Leeson in Singapur. Eigentlich sollte er Preisdifferenzen zwischen japanischen Derivaten ausnutzen. Eigentlich handelt es sich hierbei um ein risikoloses Geschäft, da es zu jeder offenen Position eine Gegenposition gibt. Doch statt dessen spekulierte Leeson auf die Richtung des japanischen Aktienmarktes und hatte an zwei Terminbörsen offene Positionen – doppeltes Risiko statt Absicherung. Der Nikkei 225 fiel jedoch dramatisch, vor allem aufgrund des Erdbebens von Kōbe im Jahr 1995. Dies führte zu Verlusten in Millionenhöhe, die er dadurch zu kompensieren versuchte, indem er an der Singapore Monetary Exchange (Simex) in noch riskantere Produkte investierte. Fazit: Verluste von 1,4 Milliarden US-Dollar führten zum Zusammenbruch von Barings. Motto der Bank: „Überwachung ist gut, Vertrauen ist billiger.“ Kontrollen gab es weit und breit nicht.
Das Buch von Odenthal ist eine wahre Fundgrube an Beispielen und Methoden, um wirksame Prüfmethoden und -werkzeuge einzusetzen. Außerdem lernt der Leser sehr ausführlich, wie man Indizien und verdächtige Mitarbeiter erkennt und befragt. Anhang von Checklisten und Arbeitsbögen können Verantwortliche sofort überprüfen, wie stark das eigene Unternehmen gefährdet ist.
Rezension von Frank Romeike