Kleine und mittelständische Unternehmen prägen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Nicht selten waren und sind es Pioniere und Tüftler, die ihre Ideen durch die Gründung von Unternehmen umgesetzt haben. Viele dieser Unternehmen sind familiengeführt und bereits vor dem Zweiten Weltkrieg oder unmittelbar danach gegründet worden. Häufig hafteten die Unternehmer noch mit ihrem Vermögen persönlich. Die Führungsstrukturen waren eher autokratisch und patriarchalisch, jedoch verbunden mit der Sozialverantwortung gegenüber den Beschäftigten selbst und dem Umfeld außerhalb des Unternehmens. Insbesondere die Denkweise in Form der katholischen Soziallehre nach Nell-Breuning bestimmt in Personalität, Subsidarität und Solidarität, gepaart mit dem marktwirtschaftlichen Denken eines Ludwig Erhards, das Freiheit ohne das Gefühl der Bindung und Verantwortung zur Entartung und zum Chaos führt, beeinflussten das unternehmerische Handeln. Ganz im Sinne des Familiengründers erfolgte die Unternehmensübergabe an die Nachfolgegeneration, um den Fortbestand des Unternehmens weiterhin im Familienbesitz zu gewährleisten.
Auch wenn sich heute vieles geändert hat, so verwundert es nicht, dass im mikroökonomischen Geschehen Mentalitäten aufeinanderprallen, deren Denkweise völlig verschieden ist. Insbesondere gilt dies für Unternehmensberater und Banker, die Angestellte ihres Unternehmens sind und oftmals niemals Verantwortung im Sinne eines Unternehmers tragen mussten. Jedoch hat sich für viele lokale Bankvorstände die Welt ebenfalls geändert. Durch Basel II und der damit verbundenen Vorgabe und Entscheidung durch die Zentrale, sind die Handlungsspielräume der lokalen Bankvertreter eingeschränkt, Unternehmen in einer schwierigen Phase weiter zu unterstützen.
Ferner ist zu konstatieren, dass die Nachfolgegeneration der Familienunternehmen häufig nicht auf die heutigen Veränderungen ausreichend eingestellt ist oder zum Teil illusionären Vorstellungen unterliegen, wie das Unternehmen weiterzuführen ist. Im Falle von Risiken sind somit Konflikte vorprogrammiert, die im Falle einer schwierigen Situationen ein vernunftorientiertes Krisenmanagement nur schwer ermöglichen.
Tom A. Rüsen beschreibt in seinem Buch: "Krisen und Krisenmanagement in Familienunternehmen", typische Verläufe von Krisen und stellt die zentralen Anforderungen an ein Krisenmanagement dar. Seine empirische Arbeit wurde von der "Stiftung Familienunternehmen" unterstützt, und konnte dabei namhafte Experten aus Industrie, Banken und Insolvenzverwalter für die zugrunde liegende Studie gewinnen. Der Leser erhält eine systematische Übersicht über die Strukturen und Handlungsmuster. Der erste Teil befasst sich prägnant mit den Eigenheiten und der Rollenvielfalt der Akteure, während der zweite Teil sich ausführlicher mit den Krisen und Besonderheiten in Familienunternehmen in der Situation auseinandersetzt. Die hier gewonnenen Erkenntnisse führen zu den Schlussfolgerungen, die im dritten Abschnitt erörtert werden. Aufbauend auf den klassischen Krisenmanagementansatz der Betriebswirtschaftslehre werden Modifikationen speziell für Familienunternehmen behandelt und vorgestellt.
Mit dem vorliegenden Band erfährt der Leser typische Szenarien und Krisenverläufe für diese Unternehmensform. Es wird deutlich, wo die Schwierigkeiten liegen und welche Ansätze zu verfolgen sind, um Gegensätze der verschiedenen Akteure überbrücken zu können. Denn nur so lassen sich Ansätze und Lösungen entwickeln, die ein Krisenmanagement erst ermöglichen. Ein lesenswertes Buch mit vielen Beispielen und praktischen Erfahrungen, dem man hohe Aufmerksamkeit wünscht.
Rezension von Christoph Tigges