Einer der spektakulärsten Fälle im Kontext "Operational Risk" geht auf das Konto von Nick Leeson. Als Händler der Barings Bank begann er bereits 1993 unautorisiert zu spekulieren. Seine Verluste verbuchte er auf ein geheimes Konto, die (fiktiven) Gewinne erhielt die Bank. Einer der Hauptgründe für den extrem hohen Schaden von 1.2 Mrd. EUR war der Umstand, dass Nick Leeson sowohl für den Handel von Wertpapiergeschäften als auch das Backoffice zuständig war. Durch seine anfänglichen großen Erfolge wurden ihm von der Geschäftsleitung umfassende Freiheiten gewährt und wurde auf eine genauere Prüfung der Vorgänge in seinem Geschäftsumfeld auch nach den ersten Hinweisen auf Verluste, verzichtet.
Unter dem Begriff "Operational Risk" (deutsch: operative Risiken) werden sämtliche betrieblichen Risiken verstanden, die in einem Unternehmen einen Schaden verursachen können. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht sowie die Finanzaufsicht definieren das operationelle Risiko als "die Gefahr von Verlusten, die in Folge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder in Folge von externen Ereignissen eintreten. Diese Definition schließt Rechtsrisiken ein, beinhaltet aber nicht strategische Risiken oder Reputationsrisiken." Da strategische Risiken seitens des Regualtors ausgeklammert werden, handelt es sich im Kern um operative Risiken.
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht fordert im Kontext Operational Risk von den Banken: "Die Bankenaufsichtsbehörden müssen sich überzeugen, dass die Banken über interne Kontrollen verfügen, die der Art und Umfang ihres Geschäfts angemessen sind. Dazu gehören genaue Regelungen für das Delegieren von Befugnissen und Zuständigkeiten, die Trennung der Funktionen, die das Eingehen von Verpflichtungen für die Bank, das Verfügen über Gelder und die Rechenschaftslegung über ihre Aktiva und Passiva betreffen, die Abstimmung dieser Funktionen, die Sicherung der Aktiva sowie angemessene unabhängige interne und externe Revisions- und Compliance-Funktionen zur Prüfung dieser Vorschriften […]".
In der Folge von Basel II haben Banken die Möglichkeit ihren Kapitalbedarf für operative Risiken mit Hilfe eines fortgeschrittenen Messansatzes (Advanced Measurement Approach, AMA) zu ermitteln. Das Buch von Claudio Franzetti beschäftigt sich mit den diversen Methoden zur quantitativen Bewertung von Operational Risk.
Das Buch ist in insgesamt fünf Themenblöcke aufgeteilt. Nach einer Einführung in das Thema (Introduction to Operational Risk) folgen einige Ausführungen zum Thema Daten. Ein große Herausforderung bei der praktischen Umsetzung von ambitionierten Ansätzen stellt die Datenbasis dar. In nahezu keinem Unternehmen ist eine adäquat lange Datenhistorie vorhanden, die es erlauben würde, allein damit eine Messung operationeller Risiken durchzuführen. Basel II fordert daher von Banken explizit, auf externe Daten zurückzugreifen. Das dritte Kapitel konzentriert sich auf die eigentliche Modellierung (beispielsweise Simulationsverfahren, Korrelationen, Modellierung von Maßnahmen, Berechnung des ökonomischen Kapitals). Die folgenden beiden Kapitel konzentrieren sich auf das Management operativer Risiken und schließen mit einer kurzen Zusammenfassung ab. Im Anhang findet der Leser ergänzende Informationen für die Umsetzung in der Praxis.
Das quantitativ ausgerichtete Buch kann allen Lesern empfohlen werden, die tiefer in die mathematische Welt zur Modellierung von Operational Risk einsteigen möchten. Dies werden wohl vor allem Risikomodellierer aus Banken und Versicherungen sein.
Rezension von Frank Romeike