Wie ein Traum an der Gier nach Macht zerbricht

Rettet Europa vor der EU


Rezension

Nach verbreiteter Auffassung stellt die Europäische Union ein historisch einzigartiges System der Regierungsherrschaft dar. Das Selbstverständnis ihrer Akteure geht auch ohne jeden Zweifel dahin, Macht über Menschen ausüben zu wollen. Wer die EU demnach nicht nur an ihrer rhetorischen Oberfläche als "Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts" betrachten möchte, sondern ihre Grundlagen und Mechanismen tiefer erfassen will, der muss sich zunächst ganz grundsätzlich mit der Frage nach Herrschaft an sich auseinandersetzen. Er muss fragen: Was ist Herrschaft? Wie funktioniert sie? Was rechtfertigt sie? Mit diesen Fragestellungen setzt sich Carlos A. Gebauer, Rechtsanwalt und Anwaltsrichter in Düsseldorf, intensiv auseinander.

Wenn – wie man sagt – das wesentlich legitimierende Element der EU eine Demokratie ist: Wie kann sie gelingen? Welche Gefahren drohen für sie und welche von ihr? Ist es einer staatsartigen Organisation überhaupt möglich, in tatsächlich demokratischer Weise über Millionen von Menschen zu herrschen, die allesamt teils Tausende und (angesichts der Einbeziehung von Gebieten in Übersee) Zehntausende Kilometer voneinander entfernt in unterschiedlichen Kulturen und mit verschiedenen Sprachen leben?

Sollte eine detaillierte Betrachtung dieser Grundlagen zu der Erkenntnis führen, dass eine einheitliche Regierungsorganisation für eine befriedigende Bewältigung all der vielen Aufgaben absehbar überhaupt nicht geeignet ist, dann wäre wohl anschließend zu fragen: Schadet das Projekt EU den Regierten zuletzt möglicherweise mehr, als dass es ihnen nutzt? In diesem Falle bestünde unter Umständen Anlass, das bislang errichtete System der EU-Regierungsherrschaft zügig zu modifizieren, um jedenfalls das zu erhalten, was uns Europäern lieb und teuer ist. Unser einzigartiges, naturschönes, geschichtsbewusstes, sprachvielfältiges, politisch zerklüftetes, Individuen achtendes, kulturmächtiges und wohlhabendes Europa.

In der bisherigen Literatur über die EU dominieren im Wesentlichen zwei Strömungen, so der Autor Carlos A. Gebauer. Die eine Strömung ist geprägt von dem Versuch, die glücksbringenden, heilsversprechenden und friedenstiftenden Dimensionen des politischen Plans mit dem Namen "EU" hervorzuheben und zu lobpreisen. Die zweite Strömung hingegen befasst sich skeptisch mit den konkreten Institutionen der EU und kritisiert, zunehmend unüberhörbar, ihre mangelhaften Funktionsweisen in unterschiedlichster Gestalt.

Mit der von Carlos A. Gebauer vorgelegten Darstellung wurde der Versuch unternommen, der EU auf einem davon abweichenden Weg näherzutreten. Diese Annäherung erfolgt aus der Perspektive eines deutschen Betrachters. Zwar wäre wünschenswert, einen Blick auf die Europäische Union werfen zu können, der die derzeit 28 verschiedenen mitgliedstaatlichen Betrachtungswinkel allesamt miteinbezieht, so der Autor. Aus naheliegenden Gründen ist es aber unmöglich, einen derart allumfassenden Blick auf das Phänomen "EU" haben zu können. "Ein Betrachter mag sich in einem, zwei oder vielleicht drei Ländern halbwegs persönlich zu Hause fühlen. Einen Beobachter hingegen, der ein Vertrautsein mit allen 28 Mitgliedstaaten für sich reklamieren könnte, wird es schon rein faktisch nicht geben", so Carlos A. Gebauer.

In einem ersten Schritt werden zunächst die wesentlichen Prinzipien von Macht beziehungsweise die grundlegenden Elemente von Herrschaft in Europa teils abstrakt, teils historisch hergeleitet. In einem zweiten Schritt wird anhand eines konkreten Blicks auf die aktuelle Gestalt der EU untersucht, inwieweit dieses Herrschaftskonstrukt überhaupt in der Lage ist (und sein kann), Herrschaft legitim, akzeptabel und gedeihlich auszuüben. In einem dritten und letzten Schritt wird dann die Frage erörtert, welche andere Richtung bei allem denkbar erscheint, um die EU wieder in eine Gestalt zu bringen, in der sie dauerhaft irgendeine legitime Herrschaft im Sinne der bislang erzielten rechtlichen Fortschritte nach europäischer Tradition ausüben könnte.

Carlos A. Gebauer führt auch die Gründe auf, warum er das Buch geschrieben hat. Seiner Ansicht nach darf man zu schlechten Gesetzen nicht einfach schweigen. Er ist davon überzeugt, dass jener Traum von einem friedlichen Europa gegen Unrecht und Machtgier verteidigt werden muss. Das Buch liefert einen neuen Blick auf die EU. Es entzaubert das politische und bürokratische Monster aus Brüssel und plädiert für eine zügige Rückbesinnung auf dezentrale, subsidiäre Selbstverantwortung und – vor allem – auf das Recht.


Details zur Publikation

Autor: Carlos A. Gebauer
Seitenanzahl: 272
Verlag: FinanzBuchVerlag
Erscheinungsort: München
Erscheinungsdatum: 2015

RiskNET Rating:

sehr gut Praxisbezug
sehr gut Inhalt
sehr gut Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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