Die Frage nach dem passenden Anlageprodukt für den jeweiligen Anleger muss im Mittelpunkt jedes Beratungsgesprächs stehen. Um einen möglichst hohen Grad an Übereinstimmung und somit Kundenzufriedenheit zu erlangen, ist der Einsatz von bestimmten Vorgehensweisen und Tools zur Ermittlung des Risikoprofils des jeweiligen Anlegers unabdingbar. Nicht zuletzt den rechtlichen Vorgaben (aufsichtsrechtliche bzw. zivilrechtliche Pflicht, regulatorische Rahmenbedingungen, Compliance/Geldwäscheprävention) und der Eigenabsicherung muss in einer akkuraten Beratung nachgekommen werden. Eine Beratung kann nur dann als erfolgreich und seriös bezeichnet werden, wenn die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.
Die Erfassung der Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit, im Hinblick auf die regulatorischen Vorgaben, bilden den Einstieg in das vorliegende Buch. Hierbei wird kritisch angemerkt, dass die Erhebungsmethoden für die Risikobereitschaft in der heutigen Beratungspraxis Verbesserungspotential aufweisen, da keine Vorgaben zur Erhebung durch Normen (WAG, MiFID) gemacht werden.
Ein nächster Punkt sind Produktrisiken. Die Autoren stellen "Suitability" als Leitbild und die Ermittlung des Kunden-Profils sowie der Risikotypen vor. Darauf folgt die Darstellung und der Vergleich der Produktrisiken, die Quantifizierung durch synthetische Risikoindikatoren, die Initiative der EU-Kommission zur Stärkung des Anlegerschutzes sowie das risikoorientierte Produktdesign aus Sicht der Fondsgesellschaften.
Im Zuge der aufsichtsrechtlichen Aspekte des Kunden- und Risikoprofilings in der Anlageberatung erläutern die Autoren die Themenbereiche Marktregulierung, Deregulierung, Wechsel zwischen den Kunden-Kategorien gemäß § 31a, Abs. 2, 3 und 4 WpHG sowie Verfahren zur Messung der Risikobereitschaft bzw. Risikowahrnehmung. Ein Ausblick zur Ökonomie vs. Zivilrecht vs. Aufsichtsrecht verdeutlicht, dass eine staatliche Regulierung nur dort gerechtfertigt ist, wo das tatsächliche Marktversagen nicht durch zivilrechtliche Haftung zwischen den Vertragspartnern ausreichend kompensiert wird.
Bei der Entwicklung eines flexiblen, maßgeschneiderten Finanzplans kommt dem Risikoprofiling eine große Bedeutung zu. Ein Exkurs über die Forschung zur Risikobereitschaft vertieft und veranschaulicht die Thematik. Zur Einschätzung von Anlegern werden im Buch sowohl theoretische Grundlagen und als auch empirische Erkenntnisse behandelt. So werden die Risikomaße Varianz, Volatilität, Value at Risk, Betafaktor und Verlustwahrscheinlichkeit verständlich erläutert.
Zudem stellen die Autoren Nutzen und Funktionen des Risikoprofilings dar. Beispiele hierfür sind das Risikoprofiling als Element der Anlegeranalyse oder Risikoprofiling als Tool in der Altersvorsorge aus Verbrauchersicht. Auch die heutige Beratungspraxis wird im Hinblick auf das Risikoprofiling kritisch betrachtet.
Systeme und Kriterien des Risikoprofilings werden in einem weiteren Abschnitt vorgestellt. So gewährt die psychographische Kundensegmentierung und Risikoeinstellung einen Überblick zu den Themen psychographische Typologien, Risikoeinstellung der Kunden und Segmentierungsmerkmale sowie der Finanztypologie eines Produktanbieters. So wird deutlich, dass explizite Risikomessung unverzichtbar ist. Des Weiteren erläutern die Autoren die Wahrscheinlichkeitsanalysen zum Risikoprofiling.
Ein ganzes Kapitel ist den Verfahren des Risikoprofilings in der Praxis gewidmet. Hierbei wird sowohl auf die Grenzen des Risikoprofilings in der Praxis eingegangen als auch – unterstützt durch Praxisbeispiele – das Verfahren und der Prozess des Risikoprofilings im Wealth Management erläutert. Besonders positiv ist hervorzuheben, dass auf die Besonderheiten in der "weiblichen" Anlageberatung eingegangen wird.
Darüber hinaus machen die Autoren Vorschläge zur Optimierung von Beratungskonzepten und beleuchten die finanzpsychologischen Aspekte beim Risikoprofiling von Anlegern.
Fazit: Das Buch "Risikoprofiling von Anlegern" beschäftigt sich sowohl mit den Methoden des Risikoprofilings – unter Heranziehung von verschiedenen Instrumenten zur Erkennung und Klassifizierung der Risikobereitschaft, dem Risikobewusstseins sowie der Risikotragfähigkeit des Anlegers – als auch mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, welche für das Anlagegeschäft vorherrschen. Ein Ländervergleich mit Praxisbeispielen zwischen Deutschland und Österreich stellt die Thematik auf eine breitere Basis. Zudem wird das Thema "Anlageberatung von Frauen" erläutert, welches – bezogen auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Risikobereitschaft – in vielen vergleichbaren Fachbüchern zu kurz kommt. Generell kann das Buch als gutes Basis-Werk, welches sowohl für Anlageberater als auch für Anleger geeignet ist, bezeichnet werden. Die leichte Verständlichkeit sowie die leider etwas redundante Darstellung der Risikoklassifizierung von Anlegern ermöglicht es auch Personen, welche sich bisher nur wenig mit der Thematik auseinander gesetzt haben, sich einen Überblick zu verschaffen und in das Themengebiet einzuarbeiten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden hinsichtlich der Vorgaben der MiFID bzw. der Umsetzung in Österreich (WAG) hinreichend behandelt.
Rezension von Kai Gammelin