Jeder Mitarbeiter einer Bank und Versicherung und auch jeder Privatanleger kennt das Investment-Mantra "Leg nicht alle Eier in denselben Korb". Diese Regel besagt schlichtweg, dass sich Investoren mit der Verteilung ihres Vermögens auf verschiedene Assetklassen besser gegen potenzielle Verluste absichern können, da das Portfoliorisiko reduziert wird. Diese goldene Regel der Geldanlage wurde bereits im Jahr 1952 von Harry M. Markowitz, der im Jahr 1990 für seine Theorie der Portfolio-Auswahl mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften zusammen mit Merton H. Miller und William Sharpe ausgezeichnet wurde, nachgewiesen. Kurzum: Ein gut diversifiziertes Portfolio weist eine günstigere Chance-Risiko-Struktur auf.
Ziel der modernen Portfoliotheorie ist es, Handlungsanweisungen zur bestmöglichen Kombination von Anlagealternativen zur Bildung eines optimalen Portfolios zu geben (Portfolio Selection). In diesem optimalen Portfolio werden die Präferenzen des Anlegers bezüglich des Risikos und des Ertrags sowie die Liquidität berücksichtigt. Dadurch soll das Risiko eines Wertpapierportfolios, ohne eine Verringerung der zu erwartenden Rendite, minimiert werden. Das "Markowitz-Modell" stellt heute einen der zentralen Grundpfeiler der modernen Investitions- und Finanzierungstheorie dar.
Bei der praktischen Anwendung des Markowitz-Modells kann es allerdings zu gravierenden praktischen Problemen kommen. So weisen Kritiker der Portfoliotheorie seit Jahrzehnten darauf hin, dass die Prognosen der Modelle nur sehr ungenau sind, da als Grundlage historische Daten verwendet werden. Es ist eine triviale Erkenntnis, dass man durch den Blick in den Rückspiegel nur sehr eingeschränkt verlässliche Schlüsse auf die Zukunft ziehen kann, da diese generell nicht vorhersehbar ist. Ein Blick auf die elementaren Pfeiler der Portfoliotheorie zeigt jedoch, dass diese vor allem auf Schätzungen etwa der zukünftigen Renditen basiert, die aber niemand verlässlich vorhersagen kann, der keine Kristallkugel zur Hand hat. In diesem Kontext wird auch recht schnell deutlich, dass Schätzfehler bei der Bewertung der zukünftigen Renditen auch enorme Auswirkungen auf die Mean-Variance-Optimierung und die Asset Allocation haben. Eine weitere Kritik basiert auf der theoretischen Annahme, dass Renditen einer Normalverteilung folgen. Empirische Studien zeigen, dass dies in der Praxis nur äußerst selten der Fall ist.
Ulf Brinkmann weist in seiner Arbeit darauf hin, dass die Probleme des Markowitz-Modells im Wesentlichen in drei sich gegenseitig verstärkenden Eigenschaften zu finden sind. Erstens neigt das Modell zu extremen Portfolioallokationen, gewichtet also Assets mit hoher erwarteter Rendite, niedrig geschätztem Risiko und geringen prognostizierten Kovarianzen mit anderen Assets im Portfolios sehr hoch. Das Ergebnis einer Portfoliooptimierung sind oftmals Portfolios mit sehr hohen Kapitalallokationen auf nur wenige Assets, was jeglicher ökonomischen Intuition zuwider läuft. Zweitens erweist sich das Modell als extrem sensitiv gegenüber kleinen Änderungen in den Inputparametern der Optimierung (erwartete Renditen, zukünftige Varianzen und Kovarianzen). Geringfügige Änderungen der Inputparameter führen zumeist zu sehr großen Änderungen bei den "optimalen" Portfoliogewichten. Dies erscheint einerseits dem Anwender vor dem Hintergrund nur geringer Änderungen der Eingangsdaten wenig plausibel, andererseits sind damit auch erhebliche Transaktionen und damit verbundene Kosten verknüpft. Drittens basiert das Modell auf prognostizierten Größen, nämlich für den Renditeerwartungswert und die Varianz-Kovarianz-Matrix der Assetrenditen. Diese sind aber zwangsläufig mit Fehlern behaftet. Zusammen mit den ersten beiden Eigenschaften führt dies zu einem kuriosen Ergebnis: Im "optimalen" Portfolio werden gerade diejenigen Assets besonders stark über- bzw. untergewichtet, für welche die Prognose- oder Schätzfehler am größten sind. Plakativ spricht man hier auch von der "error maximization" Eigenschaft des Markowitz-Modells.
Das Buch von Ulf Brinkmann setzt sich exakt mit den Problemen des "klassischen Markowitz-Modells" auseinander. Mit Hilfe der "robusten Asset Allocation" wurden in den vergangenen Jahren viele Ansätze publiziert, die einen (vorgeblich) sachgerechten Umgang mit dem geschilderten Problem ermöglichen. Inzwischen existieren dazu zahllose Publikationen, bei denen jeweils die Verfasser behaupten, das geschilderte Problem entweder gelöst oder aber zumindest entschärft zu haben. Ulf Brinkmann versucht in seiner Arbeit die Frage zu beantworten, ob die skizzierten Probleme tatsächlich entschärft oder gelöst wurden.
Die Arbeit gliedert sich in insgesamt sechs Themenblöcke. Nach einer Einführung in das Portfoliomanagement (Kapitel 1 und 2) beschreibt der Autor die verschiedenen Ansätze der Portfolio Selection sowie die damit verbundenen Probleme (Kapitel 3). Das vierte Kapitel systematisiert die bislang in der Literatur erarbeiteten Lösungsansätze. Mit Unterstützung einer Simulationsstudie testet der Autor im Anschluss, ob die vorgestellten alternativen Portfoliooptimierungsansätze zutreffen und ob die Lösungsansätze eine adäquate Lösung darstellen. Daher stellt Kapitel 5 das Herzstück der Arbeit dar. Die erzielten Ergebnisse sind neu und bislang einzigartig. Leider sind sie auch gleichzeitig enttäuschend. Trotz zahlreicher in der Wissenschaft entwickelter Ansätze kann keiner von ihnen wirklich überzeugen und das Problem lösen. Vielmehr resultieren aus den Simulationsergebnissen und den empirischen Untersuchungen eine Vielzahl ungeklärter Fragen. Die Arbeit gehört auf den Schreibtisch von allen Portfoliomanagern und Risikomanagern, die sich mit klassischen Asset Allocation sowie der "Robusten Asset Allocation" kritisch auseinander setzen möchten.
Rezension von Frank Romeike