Januar 1999: Die bis dahin gültige 120 jährige Konkursordnung wurde durch eine neue Insolvenzordnung abgelöst. Die Werftenkrise in West- und Ostdeutschland verdeutlichte, dass die bestehende Konkursordnung nicht mehr den Anforderungen entsprach. Auch zeigten die Erfahrungen, dass Unternehmen eher zerschlagen wurden, anstatt sinnvolle Restrukturierungsmaßnahmen anzugehen.
Mit der neuen Insolvenzordnung war – seitens des Gesetzgebers – die Hoffnung verbunden, marktfähige Unternehmen über die Sanierung wieder neu aufstellen zu können. Der rechtliche Rahmen sollte den beteiligten Akteuren die notwendigen Instrumente an die Hand gegeben, um die Sanierung zu vereinfachen. Prachtstück der Insolvenzordnung war der Insolvenzplan als Fundament, um in einem definierten Rechtsrahmen ein geordnetes Insolvenzverfahren durchführen zu können. Darüber hinaus war auch die Eigenverwaltung eine Neuerung, die es dem Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters ermöglichte, das Insolvenzverfahren selbst zu übernehmen. Die Praxis zeigte jedoch, dass die neuen Gesetze in ihrer Handhabung zu komplex und auch für die Gläubiger nicht praktikabel waren. Zu selten wurde das Instrument des Insolvenzplanverfahrens durch die Gläubiger genutzt. Die Gründe hierfür waren unter anderem die starke Stellung der Gerichte und der Insolvenzverwalter gegenüber den Gläubigern.
Vor diesem Hintergrund ist im März 2012 das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Kraft getreten, was Inhalt des vorliegenden Bandes ist. Die beiden Autoren weisen einleitend darauf hin, dass die vorgenommenen Änderungen noch mehr auf die Sanierung abzielen. Die Handlungsoptionen für Gläubiger und Schuldner haben sich erweitert.
Die neuen Gesetzesvorgaben bestehen hauptsächlich aus den folgenden vier Änderungen:
- Stärkung der Gläubiger und deren Mitsprache: Das Gericht kann entgegen der bisherigen Praxis nicht mehr gegen den gemeinsamen Willen der Gläubiger entscheiden sondern muss auf Wunsch der Gläubiger eine Eigenverwaltung anordnen. Auch haben die Gläubiger bei der gerichtlichen Anhörung einen stärkeren Einfluss bei der Bestellung des Sachwalters.
- Präzisierung der Kriterien, ab wann ein Gläubigerausschuss einzusetzen ist: Das Gericht hat einen vorläufigen Gläubigerausschuss zu bestellen, wenn die Bilanzsumme mindestens 4,84 Mio. Euro nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrages im Sinne von § 268 Abs.3 HGB aufweist, mindestens 9,68 Mio. Euro Umsatzerlöse oder im Jahresdurchschnitt mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Aber auch bei Nichterfüllung dieser Kriterien kann das Gericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen. Jedoch sind Personen zu benennen, die hierfür in Betracht kommen.
- Schutzschirmverfahren und Eigenverwaltung: Erstmalig wird Schuldnern für den Zeitraum zwischen Insolvenzeröffnungsantrag und Verfahrenseröffnung ein eigenständiges Sanierungsverfahren zur Verfügung gestellt. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erhält der Schuldner bis zu drei Monate Zeit, um unter dem Schutzschirm Sanierungsschritte vorzubereiten und einen Insolvenzplan auszuarbeiten. Der Schuldner erhält so die Möglichkeit, ungestört mit den Gläubigern einen Plan für die Fortführung oder Umschuldung auszuarbeiten.
- Debt-Equity Swap: Die Insolvenzordnung ermöglicht dem Gläubiger "auch gegen den Willen eines Gesellschafters" (siehe Seite 175) Forderungen in eine Beteiligung am Unternehmen umzuwandeln. Wie bisher, kann der Gläubiger sich aber auch mit einer festen Quote abfinden lassen.
Mit der ESUG sollen den beteiligten Akteuren Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, um überlebensfähige Unternehmen zu sanieren anstatt zu liquidieren. Haarmeyer und Buchalik beleuchten anhand der Rechtsvorschriften Optionen und Grenzen einer Sanierung. Bekannte Insolvenzfälle und Gerichtsurteile aus der Vergangenheit veranschaulichen die Überlegungen des Gesetzgebers.
Immer mehr Unternehmen sind global aufgestellt. Für sie dürfte von Interesse sein, inwieweit das ESUG mit europäischem Recht kompatibel ist. Leider sind diese Aspekte nicht Gegenstand der Erörterungen. Ob das ESUG seinen Erwartungen gerecht wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall verschafft das Buch dem interessierten Leser einen guten Einstieg in das Thema und bietet einen fundierten Überblick über die gesetzlichen Neuerungen.
Autor der Rezension: Christoph Tigges