Eine Finanzwirtschaft ohne statische Methoden ist genauso wenig möglich wie Risikomanagement ohne Statistik und Mathematik. Das Lehrbuch von Sandro Scheid bietet eine solide Einführung in die wichtigsten statistischen Grundlagen. Das Buch gliedert sich in insgesamt acht Kapitel. Nach einem einführenden ersten Kapitel diskutiert das 2. Kapitel unter anderem den Begriff der Rendite. Außerdem werden ausgewählte Risikomaße vorgestellt, u.a. der Value at Risk und der Conditional Value at Risk. In diesem Kontext verweist der Autor auch kurz auf die Kohärenzkriterien: Translationsinvarianz, Positive Homogenität, Monotonie und Subadditivität. Vermisst habe ich hier einen Verweis auf die Primärliteratur, des von Artzner et al. aufgestellten Axiomatik (Artzner, P., Delbaen, F., Eber,J. & Heath, D. (1991). Coherent Measures of Risk. Mathematical Finance, Volume 9 (3), 203 – 228.). Auch wird das Axiomensystem nicht allgemeinverständlich erläutert. So fällt einem bei der Lektüre insgesamt auf, dass der Autor mit Verweisen auf Primär- und Sekundärliteratur sehr sparsam ist. Das ist für ein Lehrbuch, das sich vor allem an Studenten wendet, eher ungewöhnlich.
Das anschließende dritte Kapitel stellt die einfache lineare Regression vor und behandelt Aspekte der multivariaten Zufallsvariablen. Kapitel 4 werden Renditen durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Modelle beschrieben. So werden beispielsweise Kursverläufe mit Hilfe stochastischer Prozesse, etwa einer geometrischen Brownschen Bewegung (Geometric Brownian motion, GBM), modelliert.
Im fünften Kapitel wird der faire Wert einer Option bestimmt. Eine Kaufoption (auch Call-Option oder Vanilla Call) ist eine Option, die dem Käufer das Recht einräumt, ein bestimmtes Gut (den Basiswert) zu einem im Voraus vereinbarten Preis (dem Ausübungspreis) in einer im Voraus vereinbarten Menge zu kaufen. In Kapitel 6 beschreibt der Autor Unternehmenswertmodelle (auch als Firmenwertmodell oder Assetwertmodell bezeichnet). Das Modell leiten den Ausfallzeitpunkt eines Unternehmens von der Entwicklung des Firmenwerts ab. So kann bestimmt werden, ob innerhalb eines festgesetzten Zeithorizontes für dieses Unternehmen ein Ausfallereignis stattfindet oder nicht. Auf das in der Praxis bekannte KMV-Modell, CreditMetrics-Modell, Credit Portfolio View oder das Modell CreditRisk+ geht der Autor hingegen nicht ein.
Im anschließenden siebten Kapitel werden Kreditausfälle durch eine logistische Regression (kurz: Logit Modell) beschrieben. Mit Hilfe einer logistischen Regression ist es möglich, eine abhängige binäre Variable zu erklären und eine entsprechende Vorhersage der Wahrscheinlichkeit zu treffen, mit der ein Ereignis eintritt oder nicht. In der Praxis lässt sich das Modell sowohl auf Unternehmenskredite als auch auf Konsumentenkredite anwenden.
Das abschließende Kapitel 8 widmet sich der Frage, wie Wertpapiere in einem Portfolio gewichtet werden sollten, um das Risiko starker Kursschwankungen gering zu halten (Portfoliooptimierung). Wie kann das eingesetzte Kapital möglichst gut auf die verschiedenen Assets aufgeteilt werden, sodass eine maximale Diversifikation erreicht wird?
Fazit: Das Buch liefert eine kompakte Einführung in die wesentlichen Grundlagen der statistischen Methoden in der Finanzwirtschaft. Vermisst habe ich bei der Lektüre aber vor allem weiterführende Literaturhinweise. Dies ist vor dem Hintergrund besonders für Studierende wichtig, da viele Themen nur kurz angerissen werden. Hier hätte der Autor dem Leser einen echten Mehrwert geschaffen, wenn er auf relevante Primärliteratur verwiesen hätte. So bleibt dem Leser nur die Wahl einer eigenen Recherche in den Untiefen des Internets. Gewünscht hätte ich mir außerdem die konkrete Anwendung ausgewählter Beispiele etwa mit Hilfe der Statistik-Software R. So lernt sowohl ein Praktiker als auch ein Student die konkrete Anwendung statistische Methoden, etwa im Bereich stochastischer Prozesse, am effektivsten durch eigene Modellierungsversuche. Das wären zwei konkrete Optimierungsvorschläge für eine zweite Auflage, die ich dem Lehrbuch wünsche.