Als Leser einer beliebigen Tages- oder Wochenzeitung werden Sie heute feststellen, dass in vielen Artikeln – bei aller Unterschiedlichkeit der Themen aus Wirtschaft, Politik oder auch Sport – objektiv nachvollziehbare Statistiken verwendet werden, um die jeweilige Argumentation zu untermauern. Ein Schaubild zur Aktienkursentwicklung des letzten halben Jahres unterstützt gemeinsam mit Unternehmensdaten die Kaufempfehlung eines Experten für die Aktie des Unternehmens. Die Analyse verschiedener Meinungsforschungsergebnisse belegt den möglichen Einzug einer neuen Partei in das demnächst neu zu wählende Parlament. Und im Sportteil veranschaulicht eine Zeitreihe der Weltranglistenplatzierungen zum jeweiligen Jahresende die sportliche Entwicklung eines Tennisspielers über die Zeit.
Darüber hinaus ist Statistik aber auch aus unserem Alltag schlicht und einfach nicht mehr wegzudenken. Menschen strömen in Supermärkte, wenn ein Prospekt eine 25 %-Aktion auf das gesamte Bier-, Kaffee- oder Biowarensortiment angekündigt hat. Die Kunden müssen Statistik anwenden, wenn sie die Preise verschiedener italienischer Wurstwaren, die in Größen zu 80, 100 und 140 g abgepackt sind, zueinander in Beziehung setzen wollen. Ernährungsbewusste Käufer von Müslipackungen stehen vor der gar nicht so leichten Aufgabe, die auf den Packungen verschiedener Produzenten für unterschiedliche Portionsgrößen (30, 40 oder 50 g) angegebenen Zuckermengen miteinander vergleichen zu müssen. Kunden von Versandhandelsunternehmen wie Amazon betrachten die statistischen Auswertungen von Kundendaten in der Rubrik "Welche anderen Artikel kaufen Kunden, nachdem sie diesen Artikel angesehen haben?". Bei Fußballübertragungen versuchen Statistiken etwa zur Ballbesitzverteilung der beiden Mannschaften, zu den gespielten Pässen und zum Anteil der gewonnenen Zweikämpfe der einzelnen Spieler, den Spielverlauf für die Zuseher objektiv nachzuzeichnen.
Ob man es also will oder nicht: Statistiken sind ein bedeutender Bestandteil unserer Informationsgesellschaft. Und dennoch ist festzustellen, dass das Image des Faches ein denkbar schlechtes ist. Der "Volksmund" behauptet hartnäckig, dass sich mit Statistik alles beweisen lässt, man keiner Statistik vertrauen sollte, die man nicht selbst gefälscht hat, oder dass die Statistik die höchste Steigerungsform der Lüge ist. Diese unreflektierte Geringschätzung gegenüber dem Fach ist auch in den Basislehrveranstaltungen aus Statistik an Hochschulen als schwer zu überwindende Hürde spürbar.
Die beschriebene Diskrepanz zwischen offenkundiger Bedeutung und schlechtem Ruf des Faches Statistik basiert möglicherweise auf dem fundamentalen Irrtum, die Qualität der statistischen Methoden selbst mit der Qualität der Anwendung dieser Methoden zu verwechseln, so der Autor.
Denn die Methoden sind im besten naturwissenschaftlichen Sinne beweisbar. Das heißt, dass sie funktionieren, wenn die für ihre korrekte Anwendung notwendigen Voraussetzungen im Hinblick auf die Datenqualität eingehalten werden. Sie liefern richtige Ergebnisse, wenn die Anwender und Anwenderinnen richtig rechnen. Und auf die daraus gezogenen Schlussfolgerungen ist Verlass, wenn die verwendeten Methoden diese tatsächlich zulassen. Dies alles fordert nichts weniger als mündige Anwender, die sich mit den Verfahren auseinandersetzen und sich nicht alleine dadurch qualifiziert fühlen, Statistiken zu produzieren und ihre Ergebnisse zu interpretieren, weil sie wissen, welche Tasten ihres Computers zu drücken sind, um damit ein Säulendiagramm zu erzeugen.
In dem Buch von Andreas Quatember, Professor an der Johannes Kepler Universität Linz, werden Fehler, die bei der Vermittlung statistischer Daten in verschiedensten Bereichen gemacht werden, bewusst unterhaltsam kommentiert.
Auf die möglicherweise ernsten Auswirkungen solchen statistischen Unsinns weist Kapitel 1 ("Es ist nicht alles Gold, was glänzt") hin. Die darauf folgenden Kapitel sind grob nach verschiedenen statistischen Themen gegliedert, wobei sich diese durchaus überlappen können. So kommen beispielsweise Fehler bei der Interpretation von Mittelwerten sowohl in Kapitel 4 als auch in Kapitel 5 unter. Dabei steht in den angeführten Beispielen gar nicht immer fest, wer den Fehler zu verantworten hat. Waren es schon die Durchführenden der statistischen Erhebung, die ihre Ergebnisse nicht angemessen vermittelt oder falsch eingeschätzt haben, deren Auftraggeber, die sie falsch interpretiert haben, oder wurden die Resultate erst in den Zeitungen, Zeitschriften, TV-Sendungen und so weiter unkorrekt beschrieben? Kapitel 2 ("101 % zufriedene Kunden") soll jedenfalls einen Eindruck davon liefern, was selbst bei einfachen Prozentrechnungen alles falsch laufen kann und wie leicht sich dies vermeiden ließe. In Kapitel 3 ("Ein Bild sagt mehr als tausend Worte") werden falsche grafische Darstellungen thematisiert. Dabei geht es auch um die nicht immer leicht zu beantwortende Frage, ob die Betrachter der Grafiken von deren Erzeugern unbewusst wegen mangelnder oder bewusst gerade wegen vorhandener Sachkenntnis getäuscht werden. Im Zentrum von Kapitel 4 ("Unvergleichliche Mittelwerte") stehen geradezu absurde Vergleiche von Mittelwerten in tatsächlich nicht vergleichbaren Populationen. Kapitel 5 ("Mit Statistik lässt sich alles beweisen") dokumentiert, dass sich in Wahrheit nur mit falsch erzeugten, falsch verwendeten und falsch interpretierten Statistiken alles beweisen lässt. Kapitel 6 ("Die Repräsentativitätslüge") beschäftigt sich mit Stichprobenerhebungen, die im Hinblick auf die Rückschlüsse von der Stichprobe auf die eigentlich interessierende Gesamtheit offenkundig verzerrt sind, deren Ergebnisse es aber dennoch in Zeitungen und selbst in wissenschaftliche Journale schaffen. In Kapitel 7 ("Der PISA-Wahnsinn") werden die statistischen Hintergründe der PISA-Studie betrachtet, und es wird dokumentiert, welchen unreflektierten Niederschlag die Ergebnisse der Studie selbst und von Sekundäranalysen der erhobenen Daten oftmals in den Medien finden. Kapitel 8 ("Tatort Lotto") thematisiert unter anderem die laufende, durchaus emotional zu nennende Auseinandersetzung breiter Teile der Bevölkerung mit den Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie, wenn es darum geht, vom Hauptgewinn im Lotto und seinen (vermeintlich) glücklich machenden Folgen zu träumen. Kapitel 9 ("Einen hab ich noch") unterstreicht abschließend an einem Beispiel eines Zeitungsartikels über das Ergebnis einer seriösen wissenschaftlichen Anwendung statistischer Methoden, wie falsche Interpretationen korrekter Wissenschaft dem Image des Faches Schaden zufügen können.
Fazit: Das Buch liefert einen unterhaltsamen und leicht lesbaren Einstieg in die Welt des statistischen Unsinns. Nach der Lektüre werden Sie zukünftig Zeitschriften und die Tageszeitung mit einem anderen Blick lesen.