Stochastischer Prozess ist der mathematische Begriff von zufälligen Beobachtungen zeitlicher Verläufe. In den Wirtschaftswissenschaften und der Physik spricht man nicht selten auch von Zeitreihen. Der in der Theorie wichtigste stochastische Prozess ist der Wiener Prozess (auch "Brownsche Bewegung" genannt). Hierbei sind die einzelnen Zustände normalverteilt mit linear anwachsender Varianz. Der Wiener Prozess findet vor allem Anwendung in der stochastischen Integration, der Physik sowie der Finanzmathematik.
Der Wiener Prozess geht zurück auf den schottische Botaniker Robert Brown (1773-1858), der im Jahr 1827 unter dem Mikroskop beobachtete, wie Pflanzenpollen sich in einem Wassertropfen unregelmäßig hin- und herbewegten. Im Jahr 1880 beschrieb schließlich der Statistiker und Astronom Thorvald Nicolai Thiele (1838-1910) in Kopenhagen erstmals mathematisch einen solchen "Prozess", als er wirtschaftliche Zeitreihen und die Verteilung von Residuen bei der Methode der kleinsten Quadrate studierte. Im Jahr 1900 griff der französische Mathematiker Louis Bachelier (1870-1946) Thieles Idee auf, als er versuchte, die Kursbewegungen an der Pariser Börse zu analysieren. Heute gilt daher gerade die Finanzmathematik als ein Hauptanwendungsgebiet von Wiener-Prozessen.
Das Lehrbuch von Webel und Wied bietet eine grundlagenorientierte Einführung in die Theorie der stochastischen Prozesse. Nach einem allgemeinen Teil erläutert es die speziellen Klassen stochastischer Prozesse wie Poisson-Prozesse, Markov-Prozesse, Martingale und Brownsche Bewegungen. Detaillierte Beweisführungen sowie zahlreiche Übungsaufgaben mit ausführlichen Lösungen (basierend auf dem Quellcode des Statistik-Programms R) erleichtern das Verständnis.
Das Buch bietet eine solide und praxisorientierte Einführung in die Welt der stochastischen Prozesse. Als Voraussetzung sollte der Leser jedoch ein solides Fundament an statistischem und mathematischem Know-how mitbringen.
Rezension von Frank Romeike