Beim Lesen des Begriffs "Strategic Foresight" denkt der Leser wahrscheinlich an Zukunftsforschung und Wahrsagerei. Ein Blick auf der Webseite der Technischen Universität Berlin schafft etwas mehr Transparenz: Ziel des Projektes "Strategic Foresight" ist die Entwicklung eines Best Practice Framework für die Strategische Frühaufklärung in Unternehmen. Dieses dient zum Austausch und zur Verbesserung der Fähigkeiten von Unternehmen, um auf zukünftige Entwicklungen adäquat reagieren zu können. Das Projekt baut hierbei auf explorativen Fallstudien in den Unternehmen Siemens, Osram, Deutsche Telekom, Philips, Telekom Austria, British Telekom und Continental auf.
Und tatsächlich: Strategic Foresight basiert auf Annahmen und grundlegenden Konzeptionen der Trend- und Zukunftsforschung. Mit Strategic Foresight sind die Aktivitäten eines Unternehmens angesprochen, mit denen es sich ein besseres Verständnis seiner Zukunft zu verschaffen versucht: eine konkretere Vorstellung der Risiken, mit denen das Unternehmen konfrontiert ist, sowie der Chancen, von denen man kapitalisieren könnte. Ziel ist eine konsequentere Anbindung der Strategiearbeit an die zukünftigen Entwicklungen des Unternehmensumfeldes. Die Autoren in der Einleitung: "Unternehmen, die Foresight-Aktivitäten besser zu beherrschen gelernt haben, verfügen hier über einen Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Unternehmen, der kaum imitierbar ist. […]Nur Unternehmen mit profunden Kenntnissen über ihre Umfelddynamik werden in der Lage sein, sich auf neue Situationen und Anforderungen einzustellen, wie sie sich aus den plötzlichen Verwerfungen zum Beispiel der Weltwirtschaft ergeben, und nur jene Unternehmen werden auch Ressourcenentscheidungen treffen können, die zu Höchsterträgen führen. Beispielhaft nennt Drucker Wissen über Nicht-Kunden, über bislang weder vom Unternehmen noch von seinen Mitbewerbern genutzte Technologien oder über noch nicht erschlossene Märkte." Bahnbrechende neue Erkenntnisse verspricht die Einleitung leider nicht.
Das Buch gliedert sich in fünf Teile: Kapitel 1 liefert einen Einstieg in das Thema Trend- und Zukunftsforschung. In Kapitel 2 werden die grundlegenden Gestaltungsfelder strategischer Foresight-Prozesse dargelegt, mit denen sich Unternehmen bei der Einführung oder der Optimierung eines Foresight-Prozesses konfrontiert sehen: die organisatorische Verankerung, die prozessuale Ausgestaltung, die Methodik, die kulturelle Prägung sowie die Integration in die strategische Entscheidungsfindung. Das dritte Kapitel umfasst die zentralen Ergebnisse der internationalen Umfrage "Strategic Foresight in Companies" zum aktuellen Stand der Foresight-Aktivitäten in 40 europäischen Großunternehmen. Das anschließende vierte Kapitel enthält fünf Praxisfallstudien zu den strategischen Foresight-Prozessen der Unternehmen DaimlerChrysler, TUI, BASF, Deutsche Bank Research und Hilti. Neben den angestellten Einzelbetrachtungen werden die Fallstudien auch vergleichend analysiert und ausgewertet. Im letzten Kapitel 5 werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst und die zentralen Schlussfolgerungen, Gestaltungsgrundsätze und Erfolgsfaktoren für die Praxis herausgearbeitet.
Der Prozess des Strategic-Foresight durchläuft typischerweise drei Phasen. Zunächst geht es um die Informationsgewinnung zu Themen, Trends, Entwicklungen oder Ereignissen, die für ein Land oder eine Organisation relevant sein könnten. Methoden wie "Horizon Scanning" oder "Strategische Frühaufklärung" dienen einer möglichst umfassenden Umfeldbeobachtung. Sie sollen zur Früherkennung von wichtigen Entwicklungen beitragen, um strategische Überraschungen zu vermeiden und den Entscheidungsträgern genügend Zeit für geeignete Gegenmaßnahmen zu geben. In einer zweiten Phase sind die verarbeiteten Informationen zu interpretieren und die Auswirkungen verschiedener Szenarien herauszuarbeiten. Besonders relevante Themen werden ausgewählt und vertiefend analysiert, um ein möglichst breites Bild der Auswirkungen möglicher künftiger Ereignisse zu erhalten. In der dritten Phase werden schließlich verschiedene Handlungsoptionen entwickelt.
Fazit: Das Konzept der Strategic Foresight kann helfen, die strategische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit in einer globalisierten und komplexen Welt zu wahren und zu verbessern. Das Buch liefert hierzu einen kompakten Einstieg in die moderne Trend- und Zukunftsforschung. Leider verheddern sich die Autoren immer wieder in einer verklausulierten Beratersprache. So erschweren überflüssige Füllwörter und Redundanzen den Redefluss und liefern keinen wirklichen Erkenntnisgewinn. Trotz alledem lesenswert und empfehlenswert.
Rezension von Frank Romeike