Strategisches Management ist der Teil eines Unternehmens, der am prestigeträchtigsten aber auch am verworrensten ist. Gleichzeitig ist es der Bereich, in dem massiv Unternehmenswerte zerstört werden können. Leider beschäftigt sich das Risikomanagement nur unzureichend mit strategischen Risiken. Und Manager werden ständig mit neuer Fachterminologie und den aktuellsten und verheißungsvollsten Wunderwaffen, die für jedes strategische Problem entwickelt werden, bombardiert.
Mit dem Buch "Strategy Safari" schlägt Henry Mintzberg und seine Ko-Autoren eine wichtige Schneise in den Dschungel der verschiedenen Managementschulen. Das Buch beginnt mit der bekannten Fabel von den Blinden, die einmal wissen wollten was den eigentlich ein Elefant sei. Eine Gruppe von Blinden untersucht einen Elefanten, um zu begreifen, worum es sich bei diesem Tier handelt. Jeder untersucht einen anderen Körperteil (aber jeder nur einen Teil), wie zum Beispiel die Flanke oder einen Stoßzahn. Dann vergleichen sie ihre Erfahrungen untereinander und stellen fest, dass jede individuelle Erfahrung zu ihrer eigenen, vollständig unterschiedlichen Schlussfolgerungen führt. Die Fabel zeigt auf, dass die Realität sehr unterschiedlich verstanden werden kann, je nachdem, welche Perspektive man hat oder wählt.
Reflektiert auf das Thema Strategie sind wir die Blinden und die Strategiebildung ist unser Elefant. Da es noch niemandem gelungen ist, das komplette Tier zu sehen, hat jeder einen anderen Teil davon betastet und sich darüber ausgelassen, ohne den Rest zu kennen. Sicherlich begreifen wir einen Elefanten nicht durch die Addition seiner Teile. Doch um das Ganze zu verstehen, müssen wir auch die Teile begreifen.
Die zehn Kapitel in "Strategy Safari" beschreiben zehn Teile des Strategiebildungs-Tiers. Jeder davon steht für eine "Denkschule". Die zehn Kapitel werden eingerahmt von diesem ersten Kapitel, das die Schulen sowie einige grundlegende Gedanken zum Thema Strategie vorstellt, und einem letzten Kapitel, das zum gesamten Tier zurückkehrt. In einem Großteil der Literatur kristallisieren sich zehn verschiedene Standpunkte heraus, von denen die meisten sich in den Managementpraktiken widerspiegeln. Jede davon hat eine einzigartige Perspektive, die, wie die blinden Männer, einen bedeutenden Aspekt des Strategiebildungsprozesses fokussiert. In gewisser Weise ist jede Einzelne davon beschränkt und übertrieben. Andererseits ist aber auch jede Einzelne davon interessant und erkenntnisreich. Ein Elefant ist vielleicht kein Rüssel, aber er hat einen Rüssel. Und es wäre schwierig, Elefanten zu begreifen, ohne auf den Rüssel Bezug zu nehmen. Die Einschränkung der Blindheit hat einen unerwarteten Vorteil, denn sie schärft die übrigen Sinne für Feinheiten, die den Sehenden entgehen können, so die Autoren.
Die Autoren verdeutlichen, dass einige dieser Schulen stärker die Kunst, das Handwerk oder die Wissenschaft (also die Analyse) des Managements betonen. So ist beispielsweise die Unternehmerschule am eindeutigsten auf die Kunst ausgerichtet, die Lern- und vielleicht die Machtschule auf das Handwerk und die Planungs- und die Positionierungsschule auf die Wissenschaft.
Die Autoren sind davon überzeugt, dass nur durch die Analyse der einzelnen Schulen es möglich ist, sie zugunsten eines neuen Verständnisses und einer neuen Praxis des Strategischen Managements zu kombinieren. "Strategy Safari" bietet daher keine schnellen Patentrezepte für erfolgreiches Management.
In der zweiten und überarbeiteten Auflage des Standardwerks "Strategy Safari" liegt den Autoren vor allem daran, den Bereich des strategischen Managements nicht scharf abzugrenzen, sondern weiter zu öffnen und die vielen Disziplinen zu verschmelzen. Informativ und unterhaltsam zugleich nehmen sie die Ansätze der einzelnen Lehren unter die Lupe und zeigen die Grenzen der Konzepte auf. Anschauliche Tabellen und informative Grafiken runden die fundierte Darstellung ab. Das Buch kann allen Einsteigern wie auch Profis des strategischen Managements uneingeschränkt als Standardwerk empfohlen werden.
Autor der Rezension: Frank Romeike