Mit Hilfe von Stresstests haben Kreditinstitute die Möglichkeit, die potenziellen Auswirkungen krisenhafter Entwicklungen im Detail zu untersuchen und bereits im Vorfeld geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Stresstests haben sich in diesem Kontext in den vergangenen Jahren zu einem ganz wesentlichen Bestandteil des Risikomanagements der Banken entwickelt. Die Deutsche Bundesbank hat erst jüngst darauf hingewiesen, dass die kontinuierliche Durchführung von Stresstests nicht nur im Interesse der einzelnen Bank ist, sondern einen wertvollen Beitrag für die Finanzstabilität insgesamt liefert. Die Bundesbank weist auch darauf hin, dass die Banken eine große Vielfalt von Stressszenarien und Stresstestmethoden verwenden. Diese Diversität ist von einem großen Vorteil, da sie die Gefahr eines gleichgerichteten, stabilitätsgefährdenden Verhaltens der Banken reduziert („Systemische Risiken“).
Die Autoren weisen in ihrer Publikation darauf hin, dass die etablierten Value-at-Risk-Ansätze nicht dazu geeignet sind, die Verluste in extremen Marktsituationen („fat tails“) abzuschätzen. So ist die Risikoermittlung auf Basis des Value at Risk an historische Daten gebunden, womit prinzipiell die Ausweitung der Stressszenarien auf hypothetische, in der Vergangenheit nicht beobachtete Ereignisse ausgeschlossen ist. In diesem Kontext ist eine ergänzende Einschätzung über zukünftige existenzbedrohende Marktentwicklungen essenziell. Insbesondere die Methoden der Stresstests bieten hier die entsprechenden Werkzeuge, mit denen außergewöhnliche Marktentwicklungen simuliert werden können, die beispielsweise in den Markt- bzw. Kreditrisikomodellen nicht berücksichtigt werden.
Banken simulieren mit Stresstests, wie sich extreme Ereignisse auf ihr Eigenkapital bzw. auf das Kreditportfolio auswirken, um für diese Fälle vorzusorgen. Die Herausgeber weisen in diesem Kontext auch darauf hin, dass die eigentliche Motivation für Stresstests nicht Basel II sein sollte, sondern der Wille, Risikosituationen adäquat zu begegnen.
Das Buch gliedert sich in insgesamt 10 Kapitel. Die ersten drei Kapitel führen in das Thema ein und geben einen Überblick über die Professionalisierung des Risikomanagements der Banken in der Folge von Basel II sowie die Grundlagen von Stresstests. Die Kapitel 4 („Ökonometrische Ansätze für Stresstests“) und 5 „Aktuelle stochastische Methoden zu Anwendung im Rahmen von Stresstests“ stellen theoretische Überlegungen zur Durchführung von Stresstests vor. Die anschließenden Kapitel „Regulatorische und ökonomische Stresstests“ sowie „Stresstest und Kapitalallokation“ diskutieren die Frage, wie konsistent Stresstests auf die verschiedenen Kapitalbegriffe anzuwenden sind. Um die Einführung zu erleichtern, entwickelte die ifb group einen Portfoliogenerator, der dem Buch als CD-ROM beiliegt. Kapitel 8 widmet sich daher der praktischen Umsetzung von Stresstests. Mit dem Tool können unterschiedliche Bank-Portfolien erstellt werden, um Stresstest-Szenarien und -Modelle anhand von Beispielrechnungen zu untersuchen. So kann man Stresstests simulieren und versuchsweise anwenden, zum Beispiel bei der Berechnung des regulatorischen Kapitals im fortgeschrittenen IRB-Ansatz nach Basel II und des ökonomischen Kapitals anhand von CreditRisk+. Die abschließenden Kapitel „Stresstests für Immobilien-Kreditportfolios“ sowie „Abbildung makroökonomischer Stress-Szenarien in Kreditportfolio-Modellen“ geht darauf ein, wie Stresstests in der Praxis derzeit umgesetzt werden.
Das Buch kann uneingeschränkt allen Mitarbeitern empfohlen werden, die im Bereich der Gesamtbanksteuerung und dem Risiko-Controlling tätig sind. Die Autoren verzichten weitgehend auf komplexe mathematische Darstellungen, so dass die Monographie auch für den Nicht-Mathematiker geeignet ist. Gleichermaßen dürfte das Buch bei Aufsichtsbehörden, Wirtschaftsprüfern und Wissenschaftlern auf großes Interesse stoßen. Die Autoren bieten mit dem Herausgeberwerk einen Überblick über ein höchst aktuelles Thema. Besonders hervorzuheben ist in diesem Kontext vor allem, dass die Inhalte in den einzelnen Autorenbeiträgen sich – eher untypisch für ein Herausgeberwerk – nur unwesentlich überlappen.
Rezension von Frank Romeike