Supply Chain Management (SCM) hat seine Wurzeln in der betriebswirtschaftlichen Disziplin Logistik und ist ein prozessorientierter Managementansatz, der alle Flüsse von Rohstoffen, Bauteilen, Halbfertig- und Endprodukten und Informationen entlang der Wertschöpfungs- und Lieferkette ("Supply Chain") vom Rohstofflieferanten bis zum Endkunden umfasst. Mit SCM wird vor allem das Ziel der Ressourcenoptimierung für alle an der Supply Chain beteiligten Unternehmen verfolgt.
Im ersten, kleinen Entwicklungsschritt von Logistik zu Supply Chain Management wurde eine Warenbewegung über mehr als einen Abschnitt betrachtet. Aus mehreren Abschnitten wurde die Lieferkette, deren Optimierung schon eine erheblich größere Aufgabe war. Viele sprechen in diesem Stadium noch immer von Logistik. Optimieren, aber worauf hin? Mit dieser Frage erhebt sich Supply Chain Management über die Logistik hinaus. Zu vielschichtig ist die Problemstellung, als dass es eine einzige richtige Antwort gibt, so die Autoren. "Es geht nicht darum, die Aufgabe richtig zu erfüllen, also effizient zu sein, sondern die richtigen Aufgaben zu identifizieren und diese zu erfüllen. Es geht um Effektivität." Das klare strategische Ziel des Supply Chain Management heißt Kundennutzen und in der Konsequenz Unternehmensgewinn.
Das Ziel, alle unternehmerischen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette (synonym wird auch von Supply Chain, Lieferkette, Leistungskette oder auch Netzwerk gesprochen) auf den Kundennutzen auszurichten, erfordert neues Denken und Handeln in erweiterten Systemen, so die Forderung der Autoren Kurzmann und Langmann. Nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Wertschöpfungsnetze agieren im globalen Wettbewerb. So entstehen neue Märkte mit neuen Regeln und neuen Chancen. Darüber hinaus lässt sich mit Supply Chain Management die Verantwortung für die Nachhaltigkeit von Produkten und Leistungen in Wirtschaft und Gesellschaft durchsetzen.
Die Autoren sind davon überzeugt, dass die Beschäftigung mit der "Idee" Supply Chain Management in der dargestellten Form so manches Fundament erschüttern wird.
Im Bereich SCM gibt es keine smarten To-Do-Listen, sondern universell einsetzbare Handlungsoptionen und zahlreiche Best-of-Beispiele. Zu unterschiedlich sind die Glieder der Lieferkette und die Elemente der Liefernetzwerke. SCM lässt sich weder eindimensional noch sequenziell erfassen. Die im Buch enthaltenen Inhalte sind daher eher als Landkarte zu betrachten.
Diese Landkarte weist "Aussichtspunkte" in Form von Kapitelüberschriften aus. Die Reihenfolge, in der man von diesen Punkten auf Supply Chain Management blickt, ist nebensächlich. Unter Einbeziehung der Ökonomie und der Darstellung von konkreten Strategien, Methoden und Werkzeugen wird ein Gesamtbild gezeichnet. Supply Chain Management ist kein geschlossenes Konzept. Zur praktischen Umsetzung liefert das Buch Hinweise und Vorschläge zu Methoden und Werkzeugen.
Ein umfangreiches Glossar enthält wichtige Vokabeln aus der Welt der SCM. Die Ziele des Buches haben die Autoren klar definiert:
- SCM als Ausrichtung aller unternehmerischen Aktivitäten auf den Kundennutzen entlang der Wertschöpfungskette zu positionieren.
- Einen Zugang hin zu neuem Denken und Handeln in erweiterten Systemen zu schaffen, in denen nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Wertschöpfungsnetze im globalen Wettbewerb agieren.
- SCM als eine Möglichkeit zur Durchsetzung der Verantwortung für die Nachhaltigkeit von Produkten und Leistungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu beschreiben.
- SCM letztlich als ein umfassendes Konzept mit konkreten Werkzeugen zum Nutzen aller in der Lieferkette beteiligten Elemente bis hin zum Konsumenten darzustellen.
In weiten Teilen unscharf, falsch und auch ein wenig theoretisch wird das Buch im Kapitel 7 "Managen von Risiken und Nachhaltigkeit in Supply Chains". Hier werden die Begriffe Gefahr, Risiko, Schwachstelle und Bedrohung munter durcheinandergewürfelt und alles andere als sauber abgegrenzt. Hinsichtlich der Bewertung verweisen die Autoren darauf, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit berechnet oder geschätzt wird. Die skizzierte Umrechnung einer Häufigkeit (Risiko tritt alle 10 Jahre ein bzw. Risiko tritt alles 100 Jahre ein) in eine Eintrittswahrscheinlichkeit ist methodisch nicht korrekt. Dies wäre den Autoren aufgefallen, wenn sie ein Risiko betrachtet hätten, dass häufiger als nur einmal in einem Jahr eintritt. Der Hinweis der Autoren auf das "gute Bauchgefühl" hilft hier in der Praxis nicht wirklich weiter.
Auch der Ausflug in die Welt der Stochastik geht mächtig schief. "Die Poissonverteilung ist eine gute Annäherung der Risikoverteilung seltener Ereignisse. […] Die Varianz ergibt sich bei der Poissonverteilung durch die Wurzel aus dem Mittelwert." (S. 173). Korrekt ist, dass mit Hilfe der (diskreten) Poisson-Verteilung die Anzahl bzw. Häufigkeit von Ereignissen modelliert werden kann, die mit konstanter Rate und unabhängig voneinander in einem festen Zeitintervall oder räumlichen Gebiet eintreten. Die Seltenheit ist in diesem Kontext irrelevant. Der Parameter Lamda ist der einzige Parameter der Poissonverteilung, der gleichzeitig Erwartungswert und Varianz der Verteilung ist. Die Wurzel aus dem Mittelwert ergibt nicht, wie von den Autoren behauptet, die Varianz. Andere für die Praxis des SCM relevante Verteilungen, wie etwa die Compound-Verteilung, die PERT- bzw. Dreiecksverteilung werden mit keinem Wort erwähnt. Insbesondere die Compound-Verteilung ist von hoher praktischer Relevanz, da hier zwei Verteilungen (beispielsweise die Poissionverteilung für die geschätzte Häufigkeit von Ereignissen sowie eine PERT-Verteilung für die Schätzung der Schadenshöhe) kombiniert werden. Der Praktiker im SCM wird mit diesem Kapitel nur wenig anfangen können.
Trotz dieser Einschränkung kann das Buch als kompakte und allgemeinverständliche Einführung in das Thema Supply Chain Management empfohlen werden. In einer neuen Auflage wäre es wünschenswert, wenn das Buch – zum gezielten Nachschlagen – durch einen Index ergänzt würde.